TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/16 2001/10/0132

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2002
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/06 Schulunterricht;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
SchUG 1986 §75 Abs1;
SchUG 1986 §75 Abs3;
SchUG 1986 §75 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Jlir M in Leonding, vertreten durch Dr. Thomas Langer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Bürgerstraße 20, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 4. April 2001, Zl. 4.360/16-II/2d/01, betreffend Gleichwertigkeit eines ausländischen Zeugnisses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 4. April 2001 wurde über Antrag des Beschwerdeführers ausgesprochen, sein Reifezeugnis für das Fachgebiet Fernmeldewesen vom 30. Juli 1990, ausgestellt von der Industriellen elektrischen Mittelschule in Tirana, werde unter Berücksichtigung des Fachprüfungszeugnisses für das Prüfungsfach "Deutsch" vom 5. Juni 1998, ausgestellt von der Johannes Kepler Universität in Linz, gemäß § 75 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) nach erfolgreicher Ablegung folgender Prüfungen als einem Reife- und Diplomprüfungszeugnis einer Höheren Lehranstalt für Elektronik, Ausbildungszweig Nachrichtentechnik, gleichwertig anerkannt werden:

1. Mündliche Prüfung aus Wirtschaftliche Bildung, Rechtskunde und Staatsbürgerkunde

2.

mündliche Prüfung aus EDV und angewandte EDV

3.

mündliche Prüfung aus Energietechnik und Leistungselektronik (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Jahrganges)

              4.              mündliche Prüfung aus Elektronik und Digitaltechnik (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Lehrganges)

              5.              mündliche Prüfung aus Nachrichtentechnik (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Jahrganges)

              6.              mündliche Prüfung aus Hochfrequenz- und Impulstechnik (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Jahrganges)

              7.              mündliche Prüfung aus Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Jahrganges)

              8.              schriftliche und mündliche Prüfung aus Fertigungstechnik und Konstruktionslehre (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Jahrganges)

gemäß Verordnung des Bundesministers für Unterreich und Kunst, BGBl. Nr. 312/86.

Begründend wurde nach auszugsweiser Wiedergabe des § 75 Abs. 1, 3 und 4 SchUG ausgeführt, die vom Beschwerdeführer abgelegten Prüfungen entsprächen nur zum Teil den Anforderungen für ein Zeugnis, mit dem die Gleichhaltung angestrebt werde. Die durch die oben angeführten Prüfungen nachzuweisenden Lehrinhalte, die im Bildungsgang der Ausbildung, mit welcher die Gleichhaltung angestrebt werde, ein wesentlicher Bestandteil seien, hätten durch die vorgelegten Zeugnisse nicht vollständig nachgewiesen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz Schulunterrichtsgesetz (SchUG) sind Zeugnisse über einen im Ausland zurückgelegten Schulbesuch oder über im Ausland abgelegte Prüfungen von Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Inland oder von österreichischen Staatsbürgern mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland auf deren Ansuchen vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur mit einem Zeugnis über einen Schulbesuch oder die Ablegung von Prüfungen im Sinne dieses Bundesgesetzes als gleichwertig anzuerkennen (Nostrifikation), wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Nostrifikation für das Erlangen einer angestrebten Berechtigung oder eines angestrebten Anspruches erforderlich ist und die in den folgenden Bestimmungen festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.

Gemäß § 75 Abs. 3 SchUG hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur zu prüfen, ob der Schulbesuch und die abgelegten Prüfungen den Anforderungen für ein Zeugnis entsprechen, mit dem die Gleichhaltung angestrebt wird.

Soweit den Anforderungen nach Abs. 3 nur zum Teil entsprochen wird, ist die Nostrifikation gemäß § 75 Abs. 4 SchUG vom erfolgreichen Abschluss einzelner Schulstufen oder Unterrichtsgegenstände als außerordentlicher Schüler oder von der erfolgreichen Ablegung von Prüfungen abhängig zu machen.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid, mit dem die Nostrifizierung seines Reifezeugnisses von der erfolgreichen Ablegung von Prüfungen abhängig gemacht wurde, im Recht auf Anerkennung der Gleichwertigkeit seines ausländischen Zeugnisses mit einem österreichischen Zeugnis verletzt. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, das nach § 75 SchUG in Betracht kommende ausländische Recht zu ermitteln, dem Beschwerdeführer die Beweisergebnisse mitzuteilen und ihn dazu zu hören. Er habe auch keine Möglichkeit gehabt, darauf hinzuweisen, dass er im Rahmen seines Studiums an der Militärakademie Prüfungen erfolgreich auch in solchen Fächern abgelegt habe, deren Absolvierung im angefochtenen Bescheid von ihm verlangt werde. Der angefochtene Bescheid sei auch nicht so hinreichend begründet, dass es dem Beschwerdeführer möglich wäre, seine Rechte zu verfolgen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zu § 75 SchUG ausgesprochen hat, (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0180, und vom 2. April 1998, Zl. 98/10/0001, und die dort zitierte Vorjudikatur), ist es Aufgabe der Behörde, zu prüfen, ob der Schulbesuch des Antragstellers und die von ihm abgelegten Prüfungen den Anforderungen für jenes Zeugnis entsprechen, mit dem er die Gleichhaltung begehrt, wobei das auf Grund der Bestimmungen des § 75 Abs. 1, 3 und 4 SchUG in Betracht kommende ausländische Recht als Tatsache anzusehen ist. Die Ermittlung dieses Rechtes ist demnach Gegenstand der Beweisaufnahme, deren Ergebnis dem Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG unterliegt.

Im angefochtenen Bescheid wird, indem die Nostrifikation von der erfolgreichen Ablegung von Prüfungen abhängig gemacht wird, dem Standpunkt des Beschwerdeführers nicht vollinhaltlich Rechnung getragen. Der angefochtene Bescheid war daher zu begründen (vgl. § 58 Abs. 2 AVG). Dabei hatte die belangte Behörde die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (§ 60 AVG).

Den dargelegten Anforderungen wird weder das der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorangegangene Verfahren, noch die Begründung des angefochtenen Bescheides gerecht.

Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheide bekannt gegeben, dass "der Lehrplanvergleich" mit der Höheren Lehranstalt für Elektronik, Ausbildungszweig Nachrichtentechnik, ergeben habe, dass die - in der Folge vorgeschriebenen - Zusatzprüfungen notwendig seien. Allerdings wurde ihm nicht dargelegt, von welchem ausländischen Lehrplan als Grundlage dieses Vergleiches mit dem Lehrplan der Höheren Lehranstalt für Elektronik, Ausbildungszweig Nachrichtentechnik, konkret ausgegangen wurde. Der Hinweis auf den "Lehrplanvergleich" lässt nicht erkennen, welche Annahmen betreffend die Ausbildung des Beschwerdeführers von der Behörde getroffen wurden.

Gleiches gilt für die Begründung des angefochtenen Bescheides, die vom Beschwerdeführer - entsprechend den von ihm vorgelegten Zeugnissen - absolvierten Prüfungen würden den Anforderungen für das Zeugnis, mit dem die Gleichstellung angestrebt werde, "nur zum Teil" entsprechen. Auch hier bleibt mangels konkreter Feststellungen betreffend die nach dem Lehrplan an den Schulbesuch des Beschwerdeführers und an die von ihm absolvierten Prüfungen gestellten inhaltlichen Anforderungen offen, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Vergleichsprüfung konkret zu Grunde legte.

Dieser Mangel ist wesentlich im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, weil er nicht nur den Beschwerdeführer an der Verfolgung seiner Rechte hinderte, sondern auch den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu folgenden Bemerkungen veranlasst:

Der Beschwerdeführer hat die Anerkennung seines Reifezeugnisses der Industriellen elektrischen Mittelschule vom 30. Juli 1990 als mit einem österreichischen Zeugnis (Reife- und Diplomprüfungszeugnis einer Höheren Lehranstalt für Elektronik, Ausbildungszweig Nachrichtentechnik) gleichwertig beantragt und dadurch den Gegenstand des Verfahrens festgelegt. Im Nostrifikationsverfahren ist demnach zu prüfen, ob der Besuch der Industriellen elektrischen Mittelschule durch den Beschwerdeführer und die von ihm im Zuge dieses Schulbesuches abgelegten Prüfungen den Anforderungen für das österreichische Zeugnis entsprechen.

Entsprechen Schulbesuch und Prüfungen den Anforderungen, die für die Erlangung des österreichischen Zeugnisses aufgestellt sind, ist die Gleichwertigkeit mit dem österreichischen Zeugnis anzuerkennen. Entsprechen sie diesen Anforderungen jedoch nur zum Teil, ist die Nostrifikation gemäß § 75 Abs. 4 SchUG vom erfolgreichen Besuch einzelner Schulstufen oder Unterrichtsgegenstände als außerordentlicher Schüler oder von der erfolgreichen Ablegung von Prüfungen abhängig zu machen.

Eine Berücksichtigung von auf andere Weise erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten als Ersatz für einen Schulbesuch bzw. für die Ablegung von Prüfungen ist nicht vorgesehen. Erfüllten daher - was im fortgesetzten Verfahren zu klären sein wird - der Besuch der Industriellen elektrischen Mittelschule bzw. die vom Beschwerdeführer im Rahmen dieses Schulbesuches absolvierten Prüfungen die an das österreichische Zeugnis gestellten Anforderungen nur zum Teil, so könnten die vom Beschwerdeführer im Zuge seiner Ausbildung an der Militärakademie "Skenderbej" erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten die gemäß § 75 Abs. 4 SchUG zur Absolvierung vorzuschreibenden Prüfungen (bzw. den Schulbesuch) nicht ersetzen. Dies schließt es aber freilich nicht aus, dass der Beschwerdeführer die Gleichhaltung des Reifezeugnisses und der an der Militärakademie erworbenen Zeugnisse mit einem österreichischen Zeugnis beantragt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 16. Dezember 2002

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Rechtliche Würdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001100132.X00

Im RIS seit

29.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten