Norm
StGB §1Rechtssatz
Nichts spricht für die Annahme, es sei nach einer mehrtausendjährigen, oft viel stürmischer verlaufenen Sittengeschichte des Abendlands gerade unserem Zeitalter vorbehalten, das Laster, die Libertinage, die geschlechtliche Ausschweifung in allen ihren Erscheinungsformen mit den Mitteln gerichtlicher Repression auszumerzen oder auch nur abzufangen. Lebensäußerungen (man mag über sie denken wie immer), die so vielfältig einerseits mit dem in Kreislauf der Geschichte mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrenden, sich über sehr lange Zeiträume entwickelnden Phänomen der Dekadenz von Völkern und Kulturen und andererseits mit den nicht weniger großräumig verknüpft sind, entziehen sich nach der Natur der Sache in einem beträchtlichen Ausmaß der Einwirkung mit dem grob-oberflächlichen Korrektiv des Kriminalrechts. Eine von jedem Eiferertum distanzierte Rechtsprechung darf daher als "unzüchtig" in teleologischer Auslegung des Gesetzes nur Sexualdarstellungen von solcher Art verstehen, die aus besonderen Gründen geeignet sind, das menschliche Zusammenleben zu stören.
Entscheidungstexte
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1976:RS0088760Dokumentnummer
JJR_19760616_OGH0002_0090OS00100_7500000_001