TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/18 2001/01/0117

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.02.2003
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §7;
AVG §46;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des 1968 geborenen C (auch B) in Wien, vertreten durch Dr. Martin Prohaska-Marchried, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. September 2000, Zl. 200.042/9-V/13/00, betreffend § 7 des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Darstellung des bisherigen Verfahrensganges wird zur Vermeidung von Wiederholungen in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0330, verwiesen; mit dem zitierten Erkenntnis wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde), mit dem das Asylgesuch des Beschwerdeführers abschlägig beschieden worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil der Beschwerdeführer in seiner Berufung einen über das Ergebnis des bisherigen Ermittlungsverfahrens hinausgehenden Sachverhalt konkret behauptet, die belangte Behörde von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung jedoch Abstand genommen hatte.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde vom 22. September 2000 trug der Verhandlungsleiter dem Beschwerdeführer auf, binnen einer Woche eine Bestätigung über seine berufliche Tätigkeit (bis zu seiner Flucht aus Algerien) vorzulegen (vgl. S. 4 des diesbezüglichen Protokolls) und rief diesen Auftrag dem Beschwerdeführer im Zuge seiner Einvernahme in Erinnerung (vgl. S. 6 dieses Protokolls).

In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich die vom Beschwerdeführer am 26. September 2000 (Aufgabedatum) auf postalischem Wege der belangten Behörde vorgelegte Kopie eines Schriftstückes teils in arabischer, teils in französischer Sprache.

Mit dem angefochtenen, dem Beschwerdeführer am 29. September 2000 im Wege der Hinterlegung zugestellten Bescheid vom 25. September 2000, der dem Bundesasylamt bereits am 25. September 2000 im Wege der Telekopie übermittelt wurde, wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde begründend aus, die Befragung des Beschwerdeführers zu seiner angeblichen beruflichen Tätigkeit habe keinen Hinweis darauf ergeben, dass er tatsächlich jemals bei den Sicherheitskräften Algeriens gearbeitet habe. Seine diesbezüglichen Aussagen seien im Gegenteil dahingehend zu qualifizieren, dass er niemals bei der algerischen "Polizei" in Diensten gestanden sei. Die weitere Befragung habe eine Reihe von Auffälligkeiten und groben Widersprüchen in seinen Angaben ergeben; dies insbesondere im Bezug auf seine erstinstanzlichen Aussagen. Die vom Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren ins Treffen geführten Umstände bzw. Ereignisse hätten nicht als Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt werden können. Beweis sei durch Einsichtnahme in das erstinstanzliche Aktenkonvolut, hiebei insbesondere das Einvernahmeprotokoll vor dem Bundesasylamt, durch Einsichtnahme in das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 2000 sowie durch niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen des Berufungsrechtsgespräches erhoben worden. Gemäß § 7 AsylG habe die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft sei (Hervorhebung im Original), dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) drohe und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliege. Rechtlich folge, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention sei, weshalb die Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG nicht statthaft gewesen sei. Seine Angaben seien bei einer Gesamtbetrachtung als grob unglaubwürdig zu qualifizieren gewesen bzw. müsse ihm nach durchgeführtem Verfahren grundsätzlich jegliche persönliche Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Der Beschwerdeführer habe über die Chronologie der von ihm relevierten Ereignisse im Heimatland bzw. seine Flucht nach Österreich im Gegensatz zu seinen Erstangaben vor dem Bundesasylamt krass abweichende und unschlüssige bzw. unlogische Angaben gemacht. Im Weiteren habe sich auch sonst eine Fülle von unterschiedlichen Angaben im Bezug auf seine ersten niederschriftlichen Angaben vor dem Bundesasylamt (betreffend Militär- und Polizeidienst) ergeben. Weiters wäre hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer zu seiner beruflichen und militärischen Karriere befragt zentral zu Protokoll gegeben habe, zuletzt bei den Sicherheitskräften im Rang eines Sergeants gedient zu haben, wogegen er im Rahmen des Berufungsrechtsgespräches ausdrücklich zu Protokoll gegeben habe, als einfacher Polizist "ohne Distinktionen" den Polizeidienst quittiert zu haben. Im weiteren habe er keinerlei fundierte und ihm jedenfalls zusinnbare Kenntnisse über seine jeweilige Dienstwaffe gehabt: So habe die belangte Behörde nicht verifizieren können, welche Faustfeuerwaffe der Beschwerdeführer tatsächlich während seiner Polizeidienstzeit verwendet habe und es sei ihm auch nicht gelungen, diesbezüglich ein schlüssiges Vorbringen zu erstatten. In seinen korrespondierenden Angaben sei auffällig gewesen, dass er, nach der Größe bzw. dem Kaliber seiner Faustfeuerwaffe bei der Polizei befragt, eine Handbewegung gemacht habe, mit welcher er eine Patronengröße von etwa 10 bis 12 cm habe anzeigen wollen. Allein diese schlüssige Geste des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde von der absoluten Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers überzeugt, weil es allgemeiner Lebenserfahrung entspreche, dass Munition für Faustfeuerwaffen jedenfalls nicht 10 bis 12 cm Größe erreichen könne. Hätte der Beschwerdeführer überdies tatsächlich Militärdienst geleistet, wäre es ihm durchaus zusinnbar gewesen, über die Eckdaten seiner damaligen Einsatzwaffe genau Auskunft zu geben. Dies habe er jedoch nicht einmal annähernd gekonnt. Selbst zu den zentralen Ereignissen seines Asylvorbringens befragt habe er - wie oben erwähnt - letztlich von seinen Angaben vor der Erstbehörde krass abweichendes Vorbringen geliefert. Bei einer Gesamtbetrachtung seiner Aussagen habe sich sohin auf Grund einer Vielzahl aufgetretener, zum Teil grober Widersprüchlichkeiten eine zwingende Bewertung als grob persönlich unglaubwürdig ergeben. Da im gegenständlichen Verfahren jedoch die persönliche Glaubwürdigkeit des Antragstellers ein Essentiale darstelle, sei es dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht gelungen, eine seinerseits vorliegende wohlbegründete Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung aufzuzeigen, weshalb die Gewährung von Asyl nicht statthaft gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer erblickt die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, die belangte Behörde habe ihm in der Berufungsverhandlung vom 22. September 2000 aufgetragen, innerhalb einer Woche (daher bis zum 29. September d. J.) eine Bestätigung über seine berufliche Tätigkeit in Algerien vorzulegen. Innerhalb dieser Wochenfrist habe der Beschwerdeführer den Bescheid über seine Entlassung aus dem algerischen Polizeidienst vorgelegt. Die belangte Behörde habe die von ihr gesetzte Wochenfrist nicht abgewartet, sondern bereits am 25. September 2000 den angefochtenen Bescheid erlassen. Damit habe sie jedoch Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Aus dem vom Beschwerdeführer fristgerecht vorgelegten Entlassungsbescheid ergebe sich konkret ein über das Ermittlungsverfahren hinausgehender Sachverhalt. Das weitere Beweisverfahren hätte zum Ergebnis geführt, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Mitglied der algerischen Polizei ("Beamter der öffentlichen Ordnung", wie sich aus der vorgelegten Urkunde ergebe) gewesen und von dieser wegen seiner Weigerung, Polizeidienst zu leisten, entlassen worden sei.

Damit zeigt die Beschwerde die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Obzwar die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung vom 22. September 2000 - entsprechend ihrer Verpflichtung zur umfassenden Ermittlung des Sachverhaltes - den Auftrag erteilt hatte, binnen einer Woche eine Bestätigung über dessen berufliche Tätigkeit (in Algerien) vorzulegen, erließ sie den angefochtenen Bescheid, ohne sich mit der vom Beschwerdeführer fristgerecht vorgelegten Urkunde auseinander zu setzen oder zu begründen, weshalb die belangte Behörde das Ergebnis der von ihr vorerst noch beabsichtigten Ermittlung nicht mehr in ihre Beurteilungsgrundlagen miteinbeziehen wollte.

Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde unter Einbeziehung der vom Beschwerdeführer (fristgerecht) vorgelegten Urkunde zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte kommen können, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Die Abweisung des Mehrbegehrens gründet sich darauf, dass nach § 48 Abs. 1 VwGG ein Ersatz von Barauslagen für Übersetzung durch die belangte Behörde nicht vorgesehen ist.

Wien, am 18. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010117.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten