TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/18 2001/01/0456

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Veröffentlicht am 18.02.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AufwandersatzV UVS 1995 §1;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs2;
AVG §79a Abs1 idF 1995/471;
AVG §79a Abs4 Z3 idF 1995/471;
AVG §79a Abs5 idF 1995/471;
AVG §79a idF 1995/471;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §47;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwGG §49;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. August 2001, Zl. UVS- 02/13/3963/2001/20, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (mitbeteiligte Partei: W in 1210 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der in seinem Spruchabschnitt über die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung eines Schriftsatzaufwandes angefochtene Bescheid wird in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am 23. April 2001 brachte die rechtsfreundlich vertretene Mitbeteiligte beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (der belangten Behörde) eine Beschwerde nach Art. 129 Abs. 1 Z 2 B-VG gegen die Bundespolizeidirektion Wien ein. Dem Vorbringen der Maßnahmenbeschwerde zufolge seien am 11. April 2001 bei einer Auseinandersetzung der Mitbeteiligten mit ihrem geschiedenen Ehegatten zwei Polizeibeamte eingeschritten und hätten die Beschwerdeführerin durch die Androhung ihrer Festnahme zum Verlassen der vom Bezirksgericht Floridsdorf mit einstweiliger Verfügung vom 29. März 2001 ihrem geschiedenen Ehegatten zur Nutzung zugewiesenen Wohnung aufgefordert. Die Mitbeteiligte habe sich der unmittelbar ausgeübten Befehls- und Zwangsgewalt beugen müssen.

Mit Erledigung vom 2. Mai 2001 übermittelte die belangte Behörde eine Abschrift der Beschwerde der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Ersuchen, binnen Frist die Verwaltungsakten vorzulegen; innerhalb dieser Frist stehe es frei, eine Gegenschrift zu erstatten.

Am 21. Juni 2001 brachte die Bundespolizeidirektion Wien einen als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz ein, der - abgesehen vom Rubrum - folgenden Inhalt aufwies:

"Die Bundespolizeidirektion Wien legt den von ihrem Bezirkspolizeikommissariat Floridsdorf zu AZ ... geführten Verwaltungsakt (eine Meldung) im Original vor und erstattet nachfolgende

GEGENSCHRIFT.

I. SACHVERHALT

Der Sachverhalt ergibt sich aus der vorgelegten Meldung. Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: 'BF') wurde sohin nicht unter Androhung der Festnahme zum Verlassen der Wohnung aufgefordert.

Beweis: vorgelegter Verwaltungsakt II. RECHTSLAGE

Der BF erachtet sich durch das Einschreiten der SWB in nicht näher bezeichneten Rechten verletzt.

Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, haben die Beamten weder Befehls- noch Zwangsgewalt ausgeübt. Für eine Maßnahmenbeschwerde mangelt es daher an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand.

Die Bundespolizeidirektion Wien stellt daher den ANTRAG,

die Beschwerde kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen.

Die Bundespolizeidirektion Wien verzichtet ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

An Kosten werden

-

Schriftsatzaufwand und

-

Vorlageaufwand

gemäß § 1 der Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Aufwandersatzverordnung UVS), BGBl. Nr. 855/1995, verzeichnet."

Diesem Schriftsatz war eine Meldung der Bundespolizeidirektion Wien -Bezirkspolizeikommissariat Floridsdorf vom 11. April 2001 angeschlossen, wonach die beiden damals einschreitenden Beamten wegen eines Streites zur Wohnung der Mitbeteiligten beordert worden wären. Dort habe die Mitbeteiligte sinngemäß angegeben, ihr geschiedener Ehegatte wollte ihre Wohnung, er hätte zwar vom Bezirksgericht Floridsdorf eine einstweilige Verfügung, der Anwalt der Mitbeteiligten hätte ihr aber geraten, ihn nicht in die Wohnung zu lassen. Der geschiedene Ehegatte der Mitbeteiligten habe sinngemäß angegeben, die Wohnung wäre ihm vom Bezirksgericht Floridsdorf zugewiesen worden. Sein Anwalt hätte ihm versichert, dass er die Wohnung beziehen dürfte. In der einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 29. März 2001 sei dem geschiedenen Gatten der Mitbeteiligten die "alleinige Nutzung" der Wohnung zugesprochen worden. Eine Rücksprache mit einem Journalbeamten der Bundespolizeidirektion Wien habe ergeben, dass in diesem Fall nur an das Bezirksgericht bzw. auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden könne. Nach einem - in der Meldung näher wiedergegebenen - Telefonat mit dem Rechtsfreund der Mitbeteiligten hätten sich die Mitbeteiligte und ihr geschiedener Gatte in der Zwischenzeit darauf geeinigt, dass beide bis zum kommenden Tag (dem Beginn der Amtsstunden am Bezirksgericht Floridsdorf) in der Wohnung verbleiben würden. Nachdem sich der Streit zwischen den Beteiligten gelegt habe, sei die Amtshandlung beendet worden.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Aufnahme von Beweisen sprach die belangte Behörde mit Bescheid vom 31. August 2001 wie folgt ab:

"Soweit sich die Beschwerde lediglich im Sinne des Antrags und der geltend gemachten Rechtsverletzungen gegen die Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsmacht über den Gegenstand (Wohnung) oder die Beihilfe hiezu richtet und die Wiederherstellung des status quo ante begehrt, wird die Beschwerde zurückgewiesen; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde ATS 565,-- für Vorlageaufwand und ATS 3.500,-- für Verhandlungsaufwand, zusammen sohin ATS 4.065,-- (entspricht 295,42 EUR), binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu leisten.

Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes wird als unbegründet abgewiesen."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides gelangte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges, Feststellung des Sachverhaltes und Darlegung ihrer Beweiswürdigung in rechtlicher Hinsicht zum Schluss, die Zurückweisung der Beschwerde gründe sich einerseits darauf, dass die behauptete Maßnahme nicht habe erwiesen werden können, andererseits darauf, dass die Mitbeteiligte durch den Besitz ihres Exgatten an der gegenständlichen Wohnung in keinem Recht verletzt worden sei. Die Abweisung der Maßnahmenbeschwerde im weiteren Umfang folge daraus, dass sich das diesbezügliche Vorbringen der Mitbeteiligten als unzutreffend erwiesen habe. Die Kostenentscheidung gründe sich auf § 79a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzverordnung UVS. Die sogenannte "Gegenschrift" enthalte in tatsächlicher Hinsicht lediglich einen Verweis auf die vorgelegte Meldung und in rechtlicher Hinsicht lediglich den darauf gestützten Antrag, ohne dass darüber hinausgehende Überlegungen rechtlicher Art angestellt würden. Das Begehren auf Erstattung eines Schriftsatzaufwandes erweise sich somit, auch im Hinblick auf anderweitige Anträge, als unbegründet.

Über die gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand gerichtete Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Bundesminister für Inneres verweist in seiner Beschwerde darauf, mit der Gegenschrift sei nicht nur der Verwaltungsakt - welcher eben nur aus einer Meldung bestanden habe - vorgelegt worden, sondern sei auch zum Sachverhalt Stellung genommen worden. Die Sachverhaltsdarstellung habe sich auf einen Verweis auf die Meldung der einschreitenden Beamten und auf die daraus zu ziehende Schlussfolgerung beschränkt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Sachverhalt völlig unkompliziert und in der Meldung umfassend wiedergegeben worden sei. Die an die belangte Behörde erstattete Gegenschrift sei zwar durchaus kurz gehalten, erfülle aber dennoch alle Kriterien einer Gegenschrift.

§ 79a AVG in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 lautet auszugsweise:

"Kosten bei Beschwerden wegen Ausübung

unmittelbarer Verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

§ 79a. (1) Die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

...

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, ...

     2. die Fahrtkosten, ... sowie

     3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen

mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzenden

Pauschbeträge für den Schriftsatz- und für den Verhandlungsaufwand.

     (5) ... . Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten

ist ein Pauschbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Der Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

(7) Die §§ 52 bis 54 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 gelten auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1."

Wohl sieht § 67c Abs. 2 AVG Inhaltserfordernisse für eine Maßnahmenbeschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat vor, entsprechende Regelungen für die von der im Maßnahmenbeschwerdeverfahren belangten Behörde erstatteten Schriftsätze bestehen nicht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 2002, Zl. 2000/01/0522, unter Hinweis auf die Erläut RV 130 BlgNR 19. GP 14, betreffend die Neufassung des § 79a AVG durch die Novelle BGBl. Nr. 471/1995, ausführte, ist im Hinblick auf die zitierten Materialien bei der Beantwortung der Frage der Kostenersatzpflicht nach § 79a Abs. 1 AVG auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den - vergleichbaren - Kostentragungsbestimmungen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren Bedacht zu nehmen.

Zur Frage, ob ein Schriftsatz eine Gegenschrift im Sinn des § 48 Abs. 2 Z 2 VwGG darstellt, führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/08/0545, aus, die Gegenschrift diene - wie aus dem systematischen Zusammenhang mit der Zustellung der Beschwerde im § 36 Abs. 1 VwGG zweifelsfrei ersichtlich sei - der Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen. Wenngleich an den Inhalt einer solchen Gegenschrift keine strengen Anforderungen zu stellen seien, so müsse ein solcher Schriftsatz zumindest ansatzweise erkennen lassen, dass er die Widerlegung konkreter Beschwerdeargumente im Auge habe. Ein Schriftsatz, der nicht einmal ansatzweise eine Bezugnahme zum Beschwerdeschriftsatz erkennen lasse, sei nicht anders anzusehen als eine Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift im Sinne der bloß formalen Beantragung der Abweisung der Beschwerde unter Verweisung auf die Gründe des angefochtenen Bescheides. Für einen solchen Schriftsatz, möge er auch als "Gegenschrift" bezeichnet sein, gebühre daher kein Kostenersatz.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt ein Schriftsatz, der sich in einem bloßen Verweis auf anderweitige Ausführungen - etwa auf den angefochtenen Bescheid oder die Beschwerdeschrift - oder in der bloßen Wiedergabe anderweitigen Vorbringens - wenn auch in indirekter Rede - erschöpft, nicht die Erfordernisse einer Gegenschrift, auch wenn die belangte Behörde in diesem Schriftsatz zum Ausdruck bringt, sich keiner Rechtsverletzung bewusst zu sein oder sich einer (gegenteiligen) Rechtsansicht nicht anzuschließen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse 24. Juli 1991, Zl. 91/19/0117, vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0176, vom 21. Mai 1996, Zl. 96/11/0049, vom 2. Juli 1996, Zl. 93/08/0240, vom 16. Oktober 1996, Zl. 95/01/0285, vom 10. Juli 1997, Zl. 95/20/0201, vom 15. September 1999, Zl. 94/13/0063, sowie vom 5. April 2001, Zl. 2000/15/0186). Dagegen steht es der Einordnung als Gegenschrift nicht entgegen, wenn sich der Schriftsatz im Wesentlichen auf eine kurze Wiedergabe des festgestellten Sachverhaltes und auf die pauschale Behauptung, dass die in der Beschwerde behaupteten Verfahrensmängel und Rechtsverletzungen nicht vorliegen würden, beschränkt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/04/0153).

Entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht beschränkte sich der von der Bundespolizeidirektion Wien erstattete Schriftsatz nicht nur auf einen Verweis auf die diesem Schriftsatz angeschlossene Meldung sowie auf "den darauf gestützten Antrag" (auf abschlägige Erledigung der Maßnahmenbeschwerde), vielmehr brachte die Behörde in ihrem Schriftsatz unter Punkt II. vor, die Mitbeteiligte erachte sich durch das Einschreiten der Sicherheitswachebeamten in nicht näher bezeichneten Rechten verletzt; wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergebe, hätten die Beamten weder Befehlsnoch Zwangsgewalt ausgeübt. Für eine Maßnahmenbeschwerde mangle es daher an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand. Damit brachte die Bundespolizeidirektion Wien - wenn auch kurz gefasst - ihren verfahrenswesentlichen Standpunkt zum Ausdruck, ihre Beamten hätten den von der Mitbeteiligten behaupteten Verwaltungsakt nicht gesetzt. Damit erfüllte dieser Schriftsatz jedoch - insbesondere im Hinblick auf das damalige Verfahrenstadium - die Funktion einer Gegenschrift, auf das Beschwerdevorbringen derart zu antworten, dass der belangten Behörde die zielführende Erörterung der Beschwerde ermöglicht wird (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/08/0545). Somit erweist sich der von der Bundespolizeidirektion Wien erstattete Schriftsatz vom 21. Juni 2001 zweifellos als solcher im Sinn des § 79a Abs. 4 Z 3 und Abs. 5 AVG.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass eine allfällige "Nullbemessung" des Schriftsatzaufwandes ob des Umfanges des Schriftsatzes dem Wesen von Pauschalsätzen als festen Beträgen widersprechen würde und daher unzulässig wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 94/02/0379).

Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in seinem Spruchabschnitt über die Versagung des Schriftsatzaufwandes mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb der angefochtene Bescheid in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 18. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010456.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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