TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/20 95/08/0176

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Veröffentlicht am 20.02.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §36 Abs1;
VwGG §48 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des R in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 4. Mai 1995, Zl. VIII/1-1846/3-1994, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse, 7000 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 565,-- und der Burgenländischen Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das von der belangten Behörde gestellte Mehrbegehren auf Ersatz von Schriftsatzaufwand für die Gegenschrift wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. April 1993 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, daß der Beschwerdeführer als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG im Zusammenhang mit § 83 ASVG verpflichtet sei, der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse die auf dem Beitragskonto des Beitragsschuldners V GesmbH rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 14. April 1993) im Betrage von S 116.938,71 zuzüglich Verzugszinsen seit 15. April 1993 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, derzeit 10,5 %, berechnet von S 109.661,76, binnen dreizehn Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Beschwerdeführer als Geschäftsführer zur Vertretung der Beitragsschuldnerin berufen. Zu dessen Pflichten gehöre es, dafür zu sorgen, daß die Beiträge bei Fälligkeit entrichtet würden. Die Beitragsschuld habe trotz Mahnung und Betreibungsmaßnahmen nicht eingebracht werden können. Da dies durch schuldhafte Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten Pflichten eingetreten sei, sei die Haftung auszusprechen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch, worin er behauptet, daß die Begründung (des erstinstanzlichen Bescheides) so allgemein gehalten sei, daß "daraus keine Haftung durch Subsumierung unter einen gesetzlichen Tatbestand abgeleitet werden kann". Tatsächlich sei der Beschwerdeführer seinen Verpflichtungen nach dem GesmbH-Gesetz immer nachgekommen. Wenn Minderzahlungen infolge schlechten Geschäftsganges aufgetreten seien, seien nicht andere Gläubiger zu Lasten der Gebietskrankenkasse quotenmäßig bevorzugt worden. Es seien daher die Voraussetzungen für die persönliche Haftung nicht gegeben.

Die Einspruchsbehörde brachte dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 27. September 1994 den von der Gebietskrankenkasse erstatteten Vorlagebericht zur Kenntnis und forderte den Beschwerdeführer auf, zu der im Einspruch aufgestellten Behauptung, es sei keine Bevorzugung anderer Gläubiger zu Lasten der Gebietskrankenkasse erfolgt, durch geeignete Beweismittel zu belegen, weil es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Geschäftsführers einer GesmbH sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Zwecks Wahrung des Parteiengehörs werde der Beschwerdeführer eingeladen, unter Anschluß geeigneter Beweismittel bis spätestens 10. November 1994 Stellung zu nehmen. Für den Fall, daß eine Stellungnahme nicht einlangen sollte, wurde die Fortführung und Entscheidung des Verfahrens aufgrund der Aktenlage in Aussicht gestellt.

Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

Nach Beischaffung der Ablichtung eines Beschlusses des Landesgerichtes Eisenstadt vom 21. Juli 1993, wonach der Antrag der Gebietskrankenkasse auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der V Gesellschaft m.b.H. mangels eines kostendeckenden Vermögens abgewiesen wurde und einer Ablichtung aus dem Firmenbuch, wonach der Beschwerdeführer vom 11. April 1989 bis zur Löschung am 11. März 1994 Geschäftsführer der gemeinschuldnerischen Gesellschaft gewesen ist, erließ die belangte Behörde den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid, mit welchem sie dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gab und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte. Nach Darlegung des Verfahrensganges und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertrat die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, daß es der Beschwerdeführer trotz gegebener Gelegenheit unterlassen habe, seine Einspruchsbehauptungen zu konkretisieren. Die Einspruchsbehörde sei daher zur Annahme gelangt, daß der Beschwerdeführer als Geschäftsführer seine sozialversicherungsrechtliche Verpflichtung zur rechtzeitigen (zumindest anteiligen) Abfuhr offener Beitragsschulden der Gesellschaft schuldhafterweise nicht erfüllt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrem "als Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Einen solchen Antrag stellte auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in der von ihr eingebrachten Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In seiner - zwischen Sachverhaltsdarstellung, Beschwerdegründen und Beschwerdepunkten nicht weiter unterscheidenden - Beschwerdeschrift, in der sich der Beschwerdeführer der Sache nach gegen seine Inanspruchnahme als Haftender gemäß § 67 Abs. 10 ASVG wendet (insoweit ist der Beschwerdepunkt aus dem gesamten Vorbringen abzuleiten), wird vorgebracht, daß die Annahme der belangten Behörde, die Gebietskrankenkasse sei bei den Zahlungen der GesmbH schlechter gestellt worden als andere Gläubiger, eine bloße Vermutung, aber kein Sachargument sei. Die Gebietskrankenkasse habe nämlich nicht den Beweis antreten und erbringen können, daß sie der Beschwerdeführer schlechtergestellt habe als andere Gläubiger. Dies sei vielmehr - und deshalb sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben - von der Behörde nicht überprüft worden. Es liege daher eine "bloße Hypothese oder Verdachtsstrafe" vor, die durch kein Beweisergebnis erhärtet sei.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaft, offene Erwerbsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Kommandit-Erwerbsgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit eine Verwaltung reicht, entsprechend.

Da § 67 Abs. 10 ASVG den §§ 9 und 80 BAO nachgebildet wurde, können die zu diesen Bestimmungen von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf § 67 Abs. 10 ASVG übertragen werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, und vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044).

Die Haftung der gemäß § 67 Abs. 10 ASVG Verantwortlichen ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die daran anknüpft, daß die gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt wurden. Eine solche Pflichtverletzung - zu deren Beurteilung ebenfalls die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0100, mit weiteren Judikaturhinweisen) - kann darin liegen, daß der Verantwortliche die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trägt (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0055 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Dabei ist es zwar grundsätzlich Sache der Gebietskrankenkasse die aushaftende Beitragsschuld unter Beweis zu stellen, danach aber Pflicht des Geschäftsführers, darzulegen, daß er seine Pflichten als Geschäftsführer nicht schuldhaft verletzt hat, d.h. daß entweder im fraglichen Zeitraum mangels vorhandener Mittel keine Leistungen an die Gebietskrankenkasse erbracht werden konnten und auch an andere Gläubiger unterblieben sind, oder unter Angabe der jeweils vorhandenen Mittel und der daraus getätigten Zahlungen, daß er die Beitragsforderung der Gebietskrankenkasse zumindest anteilig befriedigt hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. Mai 1992, Zl. 92/08/0072, 0073).

Die oben wiedergegebenen Beschwerdeeinwände sind daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, hat es doch der Beschwerdeführer trotz Aufforderung durch die belangte Behörde unterlassen, für die einzelnen Beitragszeiträume konkret darzulegen, welche Mittel ihm zur Verfügung standen und in welchem Ausmaß im jeweiligen Zeitpunkt (insgesamt) Forderungen bestanden haben. Nur so wäre nämlich die belangte Behörde in die Lage versetzt worden, die Frage zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer - wie er behauptet - die Beitragsforderungen der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse zumindest anteilig befriedigt hat.

Das weitere Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei zwischenzeitig als Geschäftsführer ausgeschieden und die Buchhaltung bei der Gesellschaft verblieben, sodaß die Buchhaltung nur von deren Gesellschaftern, mit welchen der Beschwerdeführer noch in Rechtsstreiten verhaftet sei, ausgefolgt werden könne, verstößt - da es erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhoben wird - gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG für das verwaltungsgerichtliche Verfahren abzuleitende Neuerungsverbot, sodaß darauf nicht weiter einzugehen ist.

Die in jeder Hinsicht unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das von der belangten Behörde erhobene Kostenbegehren, auch den Betrag von S 4.000,-- als Schriftsatzaufwand zu ersetzen, mußte hingegen abgewiesen werden: Der als Gegenschrift der belangten Behörde erstattete Schriftsatz vom 4. September 1995 enthält abgesehen von der Behauptung, daß "sich die belangte Behörde im Gegenstand keiner Rechtsverletzung bewußt" sei, lediglich einen Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Beschwerde als kostenpflichtig abweisen. Ein sonstiges, auf die Beschwerdeschrift oder auf die Sache bezughabendes Vorbringen enthält dieser Schriftsatz nicht. Es liegt daher kein Schriftsatzaufwand vor, der über den Aufwand hinausginge, der üblicherweise mit einem Begleitschreiben zur Aktenvorlage verbunden ist. Dieser Aufwand ist aber mit dem Pauschbetrag für den Vorlageaufwand abgegolten, sodaß daneben kein Schriftsatzaufwand im Sinne des § 48 Abs. 2 Z. 2 VwGG gebührt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995080176.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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