TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/18 2002/01/0594

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Veröffentlicht am 18.02.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des J (auch L) in G, geboren 1984, vertreten durch Dr. Alfred Wallner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wielandgasse 2/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Oktober 2002, Zl. 231.148/0-V/13/02, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, reiste am 4. Februar 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 5. Februar 2002 Asyl.

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. August 2002 gab er als Grund für seine Ausreise aus Gambia an, ihm drohe dort Verfolgung, weil sein Vater Mitglied der UDP sei und auch er selbst diese Oppositionspartei unterstützt habe. Das Bundesasylamt schenkte dieser Behauptung keinen Glauben, wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 4. September 2002 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia sei zulässig.

Die belangte Behörde führte auf Grund der vom Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Bundesasylamtes erhobenen Berufung eine mündliche Berufungsverhandlung durch. Mit dem angefochtenen Bescheid wies sie die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia sei zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung darauf, sie sei "zur Überzeugung" gelangt, "dass die vom Asylwerber ins Treffen geführte Fluchtgeschichte nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt". Dies ergebe sich "aus dem nachstehenden Berufungsrechtsgespräch sowie den unten dargestellten Erwägungen". Diesem Hinweis folgen in der Bescheidbegründung zunächst eine Abschrift der die Einvernahme des Beschwerdeführers betreffenden Teile der Niederschrift über die Berufungsverhandlung und daran anschließend Erwägungen zur Beweiswürdigung.

Die wiedergegebenen Teile der Niederschrift enthalten eine Befragung des Beschwerdeführers über Einzelheiten der von ihm behaupteten Gründe für die von ihm geltend gemachte Verfolgungsgefahr, aber auch einen längeren, allgemein gehaltenen Vorhalt des Verhandlungsleiters über die "unabdingbare Voraussetzung für die Bewertung des Vorbringens eines Asylwerbers zu den Fluchtgründen als glaubhaft". Danach sei es erforderlich, dass der Asylwerber "nicht bloß eine 'leere' Rahmengeschichte präsentiert, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, Emotionen etc. zu substantiieren bzw. mit Leben zu erfüllen". Es reiche nicht hin, wenn er "nicht zu widerlegende Behauptungen" aufstelle, die "einer Verifizierung nicht zugänglich" seien. Vielmehr seien die Aussagen "daran zu messen, wie eine durchschnittliche Maßfigur über erlebte bzw. persönlich durchlebte Sachverhalte berichten würde". Zu erwarten sei u.a., dass "nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen" dargelegt würden und der Erzählende "sich selbst in die präsentierte Rahmengeschichte dergestalt einbaut", dass er "seine eigenen Emotionen bzw. seine eigene Erlebniswahrnehmung zu erklären versucht, sich allenfalls selbst beim Erzählen emotionalisiert zeigt bzw. jedenfalls Handlungsabläufe bzw. die Kommunikation und Interaktion zwischen den handelnden Personen der Geschichte darlegt".

Die Einvernahme endet im Anschluss an diese Ausführungen wie folgt:

"VL: Was sagen Sie zu diesen Erwägungen bzw. gebe ich jetzt letztmalig die Gelegenheit, mir alle Details der Situation, der Abläufe etc. zu erzählen, sodass ich mir als Außenstehender von Ihren damaligen Umständen und Ihrer persönlichen Lage ein Bild machen kann.

BW: Ich habe alle wesentlichen Einzelheiten angegeben.

VL: Was sagen Sie dazu, dass Sie offenbar nicht in der Lage sind, Ihre Fluchtgeschichte so zu schildern, dass man eine Vorstellung von Ihren Problemen bekommt?

BW: Ich habe an all dem teilgenommen.

VL: Möchten Sie abschließend noch etwas sagen?

BW: Ich habe nach meiner Ersteinvernahme einen Brief nach Hause gesandt, da ich Dokumente herbeischaffen wollte, erhielt aber bisher keine Antwort. Eine weitere Kontaktaufnahme habe ich bisher nicht versucht.

VL: Was fürchten Sie für den Fall Ihrer Rückkehr?

BW: Es könnte sein, dass sie mich töten.

Ende der Einvernahme."

Die anschließenden Erwägungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung sind zunächst ganz allgemein gehalten, wobei u.a. der schon in der Verhandlung zum Vortrag gebrachte Text betreffend eine "nicht bloß 'leere' Rahmengeschichte" usw. wiederholt wird. Nach einem weiteren allgemein gehaltenen Absatz findet sich - alleinstehend - der nicht näher erläuterte Satz, "diesen Anforderungen" würden "die Angaben des Asylwerbers nicht gerecht". Es folgen nochmals allgemein gehaltene Ausführungen darüber, dass eine "oberflächliche Rahmengeschichte" nicht genüge und es auch der Erfahrung des entscheidenden Mitgliedes der belangten Behörde entspreche, "dass Personen, die einen ins Treffen geführten Sachverhalt tatsächlich erlebt haben, aus eigenem bereit sind, eine Vielzahl von Details ihrer Fluchtgeschichte zu Protokoll zu geben, ohne dass seitens des Einvernehmenden immer wieder nachgefragt und der Asylwerber aufgefordert werden muss, konkrete Einzelheiten seiner Fluchtgeschichte zu erzählen".

Dem folgen vor der zusammenfassenden Schlussfolgerung, die "präsentierten Fluchtgründe" seien nicht glaubhaft und dem Beschwerdeführer sei es "sohin bei einer Detailbetrachtung seiner einzelnen Aussagen, als auch bei einer Gesamtschau seines Vorbringens in keinster Weise gelungen", ein Vorbringen zu seiner Bedrohung glaubhaft zu machen, folgende Ausführungen in Bezug auf die Einvernahme im Berufungsverfahren:

"Der Antragsteller schilderte vor der Berufungsbehörde tatsächlich nur einige wenige lapidare Fakten und sohin bloß eine 'leere' Rahmengeschichte, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, Emotionen etc. zu substantiieren bzw. mit Leben zu erfüllen. Der Vortrag des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen war insgesamt als blass und wenig detailreich bzw. äußerst abstrakt zu qualifizieren. Dem Antragsteller gelang es nicht, durch die Darlegung seiner eigenen Erlebniswahrnehmung bzw. durch die Darbietung eines chronologischen Handlungsablaufes unter Einbau seiner eigenen Person bzw. seiner eigenen persönlichen Involvierung, ein lebhaftes Bild seiner angeblichen Erlebnisse im Heimatland zu zeichnen."

Diese Ausführungen weisen keinen konkreten Bezug zu den vom Beschwerdeführer behaupteten Tatsachen auf. Sie erschöpfen sich in der Wiederholung allgemeiner Kriterien für die Unglaubwürdigkeit eines Vorbringens in Verbindung mit der pauschalen Behauptung des Zutreffens dieser Kriterien auf die Angaben des Beschwerdeführers, auf deren Inhalt in diesem Zusammenhang aber nicht eingegangen wird.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nicht in dessen Zuständigkeit, von der Behörde angenommene Kriterien für die Unglaubwürdigkeit eines Vorbringens bei der Prüfung der Beschwerde erstmals in eine konkrete Beziehung zu den - wenngleich im Bescheid wiedergegebenen - Angaben des Asylwerbers zu setzen und davon ausgehend eigenständig zu prüfen, inwiefern es sich im Sinne der Begriffsbildung der Behörde um eine "leere Rahmengeschichte" handle oder das Vorbringen etwa zu "blass" sei, um geglaubt werden zu können. Es ist vielmehr Sache der Behörde, in der Zusammenfassung der für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen (§ 60 AVG) auf die Aussageinhalte einzugehen und konkret darzustellen, wie sich die herangezogenen Kriterien auf die einzelnen rechtlich maßgeblichen Behauptungen beziehen lassen (vgl. in einem ähnlichen Zusammenhang auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/01/0321).

Da die belangte Behörde dies im vorliegenden Fall - anders als in anderen Bescheiden aus jüngster Zeit, die zum Teil die gleichen auf "leere Rahmengeschichten", "blasse" Vorbringensteile u. dgl. bezogenen Textbausteine enthalten - unterlassen hat und ihre Überlegungen daher nicht ausreichend nachvollzogen werden können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 18. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010594.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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