TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/26 2000/03/0035

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Veröffentlicht am 26.02.2003
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Index

DE-22 Zivilprozess Deutschland;
40/01 Verwaltungsverfahren;
49/08 Amtshilfe Zustellung von Schriftstücken;

Norm

AVG §63 Abs5;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art3;
ZPO-D §181;
ZPO-D §182;
ZustG §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter über die Beschwerde des S in Neuss, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Alfred J. Noll, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 20. Jänner 2000, Zl. uvs- 1999/6/065-2, betreffend Zurückweisung der Berufung in Angelegenheit Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 10. September 1999 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995 für schuldig erkannt; hiefür wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer mit seinem Schreiben vom 21. Oktober 1999, bei der Erstbehörde eingegangen am 25. Oktober 1999, Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Jänner 2000 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurück. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass an den Beschwerdeführer auf Grund seiner Berufung zur Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes am 23. Dezember 1999 ein Schreiben gerichtet worden sei, in welchem ihm - neben Fragen zur Übertretung - zur Rechtzeitigkeit folgende drei Fragen gestellt worden seien: "1. Wo haben Sie sich im Zeitraum zwischen dem 18.09.1999 und dem 11.10.1999 aufgehalten?

2. Wem wurde das Straferkenntnis von der Post übergeben bzw. von wem bekamen Sie dieses Schriftstück ausgehändigt? 3. Wann sind Sie erstmals zur Zustelladresse Heerdter Straße in D-41464 Neuss nach dem von Ihnen angesprochenen Griechenlandaufenthalt zurückgekehrt?" Der Beschwerdeführer habe in seinem Antwortschreiben vom 3. Jänner 2000 zur Rechtzeitigkeit ausgeführt, dass er sich bis zum 1. Oktober 1999 in Griechenland aufgehalten habe, dass seine Ehefrau ihn in Griechenland angerufen habe und ihm mitgeteilt habe, dass ein Schreiben von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gekommen sei, worauf er sich sofort auf die Rückreise begeben habe und dass er am 1. Oktober 1999 nach Neuss zurückgekehrt sei. Die belangte Behörde führte weiters aus, dass im gegenständlichen Fall die Berufungsfrist am 15. Oktober 1999 geendet habe, zumal der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. Jänner 2000 erklärt habe, dass er am 1. Oktober 1999 an die Zustelladresse nach Neuss zurückgekehrt sei. Die Berufung sei somit nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist eingebracht worden, dies obwohl die Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass gegen den Bescheid binnen 2 Wochen ab Zustellung das Rechtsmittel der Berufung erhoben werden könne. Die Berufung sei daher verspätet gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist dem Beschwerdeführer, insoweit er unter dem Titel "Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit" bestreitet, die ihm angelastete Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes begangen zu haben, und insbesondere das Vorliegen seines Verschuldens verneint, zu entgegnen, dass Sache des angefochtenen Bescheides die Frage der Rechtszeitigkeit seiner Berufung bildet und nur zu prüfen ist, ob die belangte Behörde rechtens die Berufung wegen Verspätung zurückgewiesen hat. Ein weiteres Eingehen auf Fragen hinsichtlich der dem erstinstanzlichen Bescheid zu Grunde gelegten Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes durch den Beschwerdeführer können daher hier dahinstehen.

Der Beschwerdeführer bringt zur Rechtzeitigkeit seiner Berufung vor, er habe sich während mehrerer Monate bis zum 1. Oktober 1999 in Griechenland aufgehalten und sei erst an diesem Tag an seine Wohnadresse in Neuss, Deutschland, zurückgekehrt. Im Hinblick auf seinen längeren Aufenthalt in Griechenland wäre daher die Ersatzzustellung nicht zulässig gewesen.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend.

Voranzustellen ist, dass die gegenständliche Zustellung an den Beschwerdeführer an seiner Wohnadresse in Neuss, gelegen im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, erfolgte. Dem Akt lässt sich ein Nachweis über die Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht entnehmen; nach den Ausführungen der belangten Behörde erfolgte die Zustellung durch die Post. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers richtet sich die Art der Zustellung ebenso wie die Wirkungen der Zustellung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht nach den Bestimmungen des österreichischen Zustellgesetzes, sondern es ist dies nach deutschem Recht zu beurteilen (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, Zl. 2000/03/0320).

Gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. 1990/526, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist in Art. 10 des genannten Vertrages geregelt. Gemäß dessen Art. 10 Abs. 1 werden Schriftstücke im Verfahren nach Art. 1 Abs. 1 unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit. Für das Bundesland Nordrhein-Westfalen ist als zentrale Anlaufstelle der Regierungspräsident Köln vorgesehen.

Für die Zustellung durch die Post sind die Bestimmungen der §§ 181 ff dZPO maßgeblich. § 181 dZPO sieht die Möglichkeit vor, dass das zuzustellende Schriftstück, wenn der Adressat nicht in seiner Wohnung angetroffen wird, im Wege der Ersatzzustellung zugestellt werden kann. Gemäß § 181 Abs. 1 dZPO kann die Zustellung in der Wohnung an einen zu der Familie gehörenden Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person erfolgen, wenn die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht angetroffen wird. § 181 Abs. 2 dZPO sieht unter den dort genannten Voraussetzungen auch eine Ersatzzustellung an den in demselben Haus wohnenden Hauswirt oder Vermieter vor. Gemäß § 182 dZPO kann schließlich die Zustellung unter anderem dadurch erfolgen, dass das zu übergebende Schriftstück bei der Postanstalt niedergelegt wird.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in vergleichbaren Fällen, in denen bei Zustellungen in Deutschland die Ortsabwesenheit eingewendet wurde, unter Bedachtnahme auf die deutsche Rechtslage ausgeführt hat, ist es als ein grundlegendes Erfordernis einer Ersatzzustellung anzusehen, dass der Zustellungsempfänger am Zustellort eine "Wohnung" hat, die er tatsächlich bewohnt, wobei eine vorübergehende Abwesenheit (etwa Urlaub oder kurzer Krankenhausaufenthalt oder Ähnliches) unerheblich ist, somit die Rechswirksamkeit der Zustellung nicht hindert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1998, Zl. 96/03/0030, mit weiterem Nachweis). Demgegenüber ist eine Abwesenheit des Zustellungsempfängers für längere Zeit beachtlich und ist in einem solchen Fall eine an die Wohnung anknüpfende Ersatzzustellung unzulässig.

Die belangte Behörde hat die näheren Umstände der Zustellung nicht festgestellt, sie sind auch aus dem Inhalt der Verwaltungsstrafakten nicht nachvollziehbar. Sie hat den Beginn der Berufungsfrist an den auf die (vom Beschwerdeführer behauptete) Rückkehr an seine Wohnadresse folgenden Tag geknüpft, hat dem Tag des Zukommens des Schriftstückes an den Beschwerdeführer (nach dem Inhalt seiner Berufung der 11. Oktober 1999) keine Bedeutung beigemessen und hat insbesondere auch die Frage der Abwesenheit des Beschwerdeführers von der Zustelladresse nicht geprüft. Ohne aktenmäßigen Nachweis über die Zustellung eines Schriftstückes kann die Behörde aber den Lauf der Berufungsfrist nicht mit irgend einem bestimmten Tag als gegeben betrachten; der Behörde obliegt es, die aktenmäßigen Grundlagen dafür zu schaffen, dass der Beginn des Fristenlaufes kalendermäßig festgestellt werden kann. Hat die Behörde den Zustellnachweis für entbehrlich gehalten, muss sie die Folgen auf sich nehmen, wenn sie späterhin der Behauptung eines Zustellmangels durch die Partei nicht wirksam entgegentreten kann (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, auf Seite 1267 in den E. 1 und 3 zu § 22 ZustG zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, er sei bis zum 1. Oktober 1999 während mehrerer Monate in Griechenland gewesen. Er beantwortete die eingangs dargestellte Anfrage der

Behörde damit, dass er sich "bis zum 1. 10.1999 ... in

Griechenland" aufgehalten habe und bereits in der Anzeige wurde nach seinen Angaben (offensichtlich am Tattag) festgehalten, dass er sich "längere Zeit im Kosovo und Griechenland" aufhalten werde. Auf Grund dieser im Verwaltungsstrafverfahren gegebenen Anhaltspunkte kann nicht ohne Weiteres von einer vom Beschwerdeführer bewohnten Wohnung und einer bloß vorübergehenden und daher unbeachtlichen Abwesenheit ausgegangen werden, sondern es müssten, da eine längere Abwesenheit von der Wohnung die Rechtswirksamkeit der Zustellung hindert, die genaueren Umstände der hier in Rede stehenden Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers geprüft werden. Erst danach kann die Rechtswirksamkeit der Zustellung und die Frage beurteilt werden, ob die Berufung des Beschwerdeführers rechtzeitig oder verspätet war.

Da die belangte Behörde somit den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt nicht vollständig ermittelt und Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000030035.X00

Im RIS seit

05.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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