TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/18 96/03/0030

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Veröffentlicht am 18.03.1998
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Index

DE-22 Zivilprozess Deutschland;
DE-40 Verwaltungsverfahren Deutschland;
DE-91 Postwesen Deutschland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
49/08 Amtshilfe Zustellung von Schriftstücken;

Norm

LVwZG Baden-Württemberg §11 Abs2;
PostO-D §51;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10 Abs1;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art3 Abs1;
VwRallg;
VwZG-D §11;
VwZG-D §3;
ZPO-D §181;
ZPO-D §182;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §4 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Hermann Tschiderer, Rechtsanwalt in Reutte, Lindenstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. Dezember 1995, Zl. 12/186-2/1995, betreffend Zurückweisung eines Einspruchs in Angelegenheit Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 22. August 1995 wurde der Einspruch des Beschwerdeführers gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 12. April 1995 gemäß § 68 Abs. 1 AVG als verspätet zurückgewiesen. Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13. Dezember 1995 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung abgewiesen.

Mit seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen davon aus, daß die Bezirkshauptmannschaft Reutte im Hinblick darauf, daß Strafverfügungen zu eigenen Handen zuzustellen seien, mit Schreiben vom 12. Mai 1995 die Bezirksregierung Trier, die ihrerseits dieses Ersuchen an das Regierungspräsidium in Freiburg weitergeleitet habe, ersucht habe, die Strafverfügung vom 12. April 1995 mit dem Vermerk "eigenhändig" zuzustellen. Die Zustellung sei durch Niederlegung am 2. Juni 1995 erfolgt. Hiebei sei der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31. Mai 1988 beachtet worden, gemäß dessen Art. 3 die Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates zu leisten sei. Im gegenständlichen Fall sei das Verwaltungszustellgesetz für Baden-Würtemberg angewendet worden, nach dessen Bestimmungen eine ordnungsgemäße Zustellung durch die Niederlegung erfolgt sei. Der erst am 21. Juli 1995 erhobene Einspruch sei daher verspätet eingebracht worden und aus diesem Grund zurückzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer wendet dagegen im wesentlichen ein, er sei zum Zeitpunkt der Niederlegung des Schriftstückes am 2. Juni 1995 beruflich in Italien und somit dauernd von der Abgabestelle abwesend gewesen. Erst am 16. August 1995 sei er nach Deutschland zurückgekehrt. Das Schriftstück sei am 19. Juli 1995 von seinem Vater beim Postamt abgeholt und sogleich die Beauftragung eines Rechtsvertreters vorgenommen worden, durch welchen am 21. Juli 1995 der Einspruch eingebracht worden sei. Die Niederlegung des Schriftstückes trotz dauernder Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers sei nicht rechtswirksam gewesen, die Zurückweisung des Einspruchs sei daher verfehlt. Der Zustellmangel sei auch nicht durch die Behebung des Poststückes durch den Vater des Beschwerdeführers geheilt worden. Aber selbst wenn man von einer Zustellung durch Abholung durch den Vater ausginge, sei der Einspruch jedenfalls rechtzeitig.

Gemäß § 48 Abs. 2 VStG sind Strafverfügungen zu eigenen Handen zuzustellen.

Gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. 1990/526, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist in Art. 10 des genannten Vertrages geregelt. Gemäß dessen Art. 10 Abs. 1 werden Schriftstücke im Verfahren nach Art. 1 Abs. 1 (somit auch im hier vorliegenden österreichischen Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.

Als zentrale Anlaufstelle für die Vornahme von Zustellungen sind in Deutschland für das Bundesland Baden-Würtemberg das Regierungspräsidium Freiburg und für das Bundesland Rheinland-Pfalz die Bezirksregierung Trier eingerichtet.

Im vorliegenden Fall konnte die Strafverfügung zunächst, wie auf Grund des Akteninhaltes ersichtlich ist, im unmittelbaren Verkehr durch die Post nicht zugestellt werden. Die Bezirkshauptmannschaft Reutte richtete daraufhin - offensichtlich in der Meinung, der Zustellort liege im Bereich des Bundeslandes Rheinland-Pfalz - ein Zustellersuchen an die Bezirksregierung in Trier worin auch gebeten wurde, die Strafverfügung mit dem Vermerk "eigenhändig" zuzustellen. Dieses Zustellersuchen vom 12. Mai 1995 wurde an das Regierungspräsidium Freiburg zugeleitet und es wurde das Schriftstück am 2. Juni 1995 durch Niederlegung beim Postamt Eislingen zugestellt. Am Ort des Zustellversuches an der Adresse Talstraße 37/1, 73054 Eislingen wurde die Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung in den Hausbriefkasten eingelegt. Mit Zustellzeugnis des Regierungspräsidiums Freiburg vom 8. Juni 1995 wurde bestätigt, daß das Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft Reutte am 2. Juni 1995 erledigt worden sei.

Die Auffassung der belangten Behörde, die Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers sei im Hinblick auf diese Bestätigung zur Gänze unerheblich, trifft nicht zu.

Verschiedene Bestimmungen der deutschen Rechtsordnung, so insbesondere § 11 Verwaltungszustellgesetz (VwZG) und die entprechenden Bestimmungen der Verwaltungszustellgesetze der Länder, § 181 d ZPO und § 51 PostO sehen im Interesse der Verwaltungsvereinfachung die Möglichkeit vor, daß, wenn ein Adressat nicht in einer Wohnung angetroffen wird, das zuzustellende Schriftstück auch durch Übergabe an eine andere in der Wohnung oder im Haus angetroffene Person oder durch Niederlegung bei der Post gemäß § 3 VwZG iV nach § 182 d ZPO wirksam zugestellt wird.

Die belangte Behörde hat zwar zutreffend darauf Bedacht genommen, daß die Zustellung der gegenständlichen Strafverfügung - über die zentrale Stelle - nach dem Landesverwaltungszustellgesetz des Bundeslandes Baden-Würtemberg vorzunehmen war. Nach dessen § 11 Abs. 2 ist eine Ersatzzustellung durch Niederlegung des Schriftstückes vorzunehmen, wenn der Zustellungsempfänger am Ort eine Wohnung hat und darin nicht angetroffen wird (vgl. Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums des Landes Baden-Würtemberg zum Landesverwaltungszustellgesetz vom 5. September 1990, Punkt 4.5., Amtsblatt Nr. 27 vom 18. Oktober 1990, Seite 705). Die belangte Behörde hat aber übersehen, daß Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit eben dieser Zustellung durch Niederlegung ist, daß der Beschwerdeführer am Ort der Zustellung eine "Wohnung" hat. Dies setzt voraus, daß der Beschwerdeführer am Zustellort eine Wohnung hat, die er tatsächlich bewohnt, wobei eine vorübergehende Abwesenheit (etwa Urlaub oder kurzer Krankenhausaufenthalt und ähnliches) unerheblich sind, es sich aber um keine Wohnung am bisherigen Ort im Sinne des Zustellrechtes handelt, wenn der Beschwerdeführer längere Zeit mit fester, dauernder Unterkunft abwesend war und keine fortdauernde Beziehung zur bisherigen Wohnung aufrechterhalten hat, wobei auch die Absicht der Rückkehr in die bisherige Wohnung insoweit keinen Unterschied begründet (vgl. Kopp in Verwaltungsverfahrensgesetz6, Anm. 12 zu § 41 VwVG).

Auf diesen Umstand hat die belangte Behörde in keiner Weise Bedacht genommen, obwohl der Beschwerdeführer schon in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vorgebracht hatte, er sei zum Zeitpunkt der Zustellung dauernd ortsabwesend gewesen und habe sich - für einen Zeitraum von weit über zwei Monaten - im Ausland (Rom) aufgehalten. Nähere Umstände über diese Ortsabwesenheit und damit zur Frage, ob am Zustellort eine "Wohnung" des Beschwerdeführers im aufgezeigten Sinn von ihm aufrechterhalten worden war, hat die belangte Behörde nicht erhoben und darüber auch keine Feststellungen getroffen. Dies wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren nachzutragen haben. Hiebei wird sie sich auch mit dem Aspekt einer allfälligen Heilung des Zustellmangels - so sie zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß ein solcher gegeben war - zu befassen haben.

Da somit im Hinblick auf die unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ungeklärt blieb, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z.1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996030030.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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