TE Vwgh Erkenntnis 2003/3/27 2001/09/0218

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Veröffentlicht am 27.03.2003
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ARB1/80 Art7;
AuslBG §4 Abs3 Z7 idF 1997/I/078;
B-VG Art140;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde 1. der B Gesellschaft in M und 2. des A in H, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 31. Mai 2001, Zl. LGSV/3/13113/2001 ABB 2059014, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Arbeitsmarktservice zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. April 2001 wies das Arbeitsmarktservice Bregenz den Antrag der erstbeschwerdeführenden Partei, ihr für den Zweitbeschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die berufliche Tätigkeit als Käsereiarbeiter zu erteilen, gemäß § 4 Abs. 6 Z 3 AuslBG ab.

Die dagegen von den beschwerdeführenden Parteien eingebrachte Berufung wies die belangte Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 31. Mai 2001 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG ab.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der gegenständliche Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung sei kein Verlängerungsantrag. Dem beantragten Ausländer (Zweitbeschwerdeführer) sei noch nie ein Aufenthaltstitel nach dem Fremdengesetz 1997 erteilt worden. Die Beschwerdeführer hätten sich hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen ausdrücklich auf die vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. April 1998, Zl. AW 98/21/0169, zuerkannte aufschiebende Wirkung (der erhobenen Beschwerde) berufen und selbst vorgebracht, dass der Antrag des Zweitbeschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach dem Aufenthaltsgesetz mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 8. November 1996 abgewiesen worden sei. Die ins Treffen geführte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung betreffe allerdings die Ausweisung des Zweitbeschwerdeführers und könne einen Aufenthaltstitel weder begründen noch ersetzen. Der Zweitbeschwerdeführer sei 1996 nach Österreich eingereist; er habe von den zuständigen Behörden der Fremdenpolizei keine Genehmigung für die Einreise im Sinne des Einleitungssatzes des Artikel 7 ARB Nr. 1/80 erhalten, sodass er auch kein Aufenthaltsrecht nach dem ARB Nr. 1/80 habe. Die beantragte Beschäftigungsbewilligung könne mangels Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG nicht erteilt werden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 3. Oktober 2001, B 1047/01-3, ab und trat sie entsprechend dem nachträglichen Antrag der beschwerdeführenden Parteien mit Beschluss vom 22. November 2001, B 1047/01-5, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die erstbeschwerdeführende Partei nach dem in der Beschwerdeergänzung vom 25. Februar 2002 bezeichneten Beschwerdepunkt durch den angefochtenen Bescheid in folgenden Rechten verletzt: "Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung; Beachtung des Sachlichkeitsgebotes; Beachtung des Willkürverbotes;

Privatautonomie; Erwerbsfreiheit; völkerrechtskonforme Gesetzesauslegung; gemeinschaftsrechtskonforme Gesetzeslage;

verfassungskonforme Gesetzeslage; gesetzeskonforme Verordnungslage; ordnungsgemäße Verfahrensführung und ordnungsgemäße Bescheidbegründung" und die zweitbeschwerdeführende Partei erachtet sich in folgenden Rechten verletzt: "Erteilung einer Arbeitsbewilligung; Arbeit; völkerrechtskonforme Gesetzeslage; gemeinschaftskonforme Gesetzeslage;

verfassungskonforme Gesetzeslage; gesetzeskonforme Verordnungslage; Schutz von (gemeint: vor) inhumaner Behandlung nach Art. 3 EMRK; Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK;

Anerkennung der Erwerbsberechtigung als aufenthaltsberechtigtes Kind eines assoziationsintegrierten türkischen Arbeitnehmers;

Anerkennung des Aufenthaltsrechtes nach der UN-Kinderrechtskonvention und des Aufenthaltsrechtes nach Art. 24 EU-Charta der Grundrechte". Die beschwerdeführenden Parteien beantragen, eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof anzuberaumen und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung auf § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG gestützt.

Nach dieser Gesetzesbestimmung (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 78/1997) darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn der Ausländer gemäß dem Fremdengesetz 1997 ein Aufenthaltsrecht, das den Zweck der Ausübung einer Beschäftigung nach diesem Bundesgesetz mit einschließt, oder eine Niederlassungsbewilligung besitzt, deren Zweck gemäß den §§ 13 Abs. 3 oder 113 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997 nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung auf jeglichen Aufenthaltszweck erstreckt werden kann, ausgenommen im Falle des Antrages auf Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung oder im Fall des § 27 des Fremdengesetzes 1997.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht im Besitze eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG. Dies wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Vielmehr bringen die beschwerdeführenden Parteien zum Aufenthaltsverfahren des Zweitbeschwerdeführers ausdrücklich vor, "das Verfahren ist noch offen" und hinsichtlich des Ausweisungsverfahrens - dem für das vorliegende Verfahren über die Erteilung eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG keine Bedeutung zukommen kann, weil kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG erteilt wird - bringen die beschwerdeführenden Parteien ausdrücklich vor, "das Verfahren ist noch offen".

Die beschwerdeführenden Parteien haben im Verwaltungsverfahren (in ihrer Berufung und in ihrer Vorhaltsbeantwortung vom 29. Mai 2001) behauptet, der Zweitbeschwerdeführer "lebt sei dem Jahr 1996 in Österreich" bzw. "ist im Jahr 1996 mit gültigem Sichtvermerk nach Österreich eingereist". Dass der Zweitbeschwerdeführer eine behördliche Genehmigung erhalten habe, zu seinem Vater zu ziehen, um im Wege der Familienzusammenführung mit diesem in Österreich einen Wohnsitz zu begründen, haben die beschwerdeführenden Parteien im Verwaltungsverfahren nicht behauptet; eine derartige Genehmigung haben sie auch nicht vorgelegt bzw. nicht dargetan.

Wenn erstmals in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof behauptet wird, der Zweitbeschwerdeführer habe die Genehmigung erhalten zu seinem Vater zu ziehen, "denn er war im Besitz eines Sichtvermerkes mit einer Gültigkeitsdauer von mehr als drei Monaten", dann verletzen die beschwerdeführenden Parteien damit zunächst das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) und des weiteren lassen sie dabei den entscheidenden Gesichtspunkt, zu welchem Aufenthaltszweck der Sichtvermerk dem Zweitbeschwerdeführer erteilt wurde, gerade unbeantwortet, sodass ihre neuerungsweise erhobene Behauptung nicht geeignet ist, einen Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG darzutun. Dass der Zweitbeschwerdeführer und sein Vater "sich entschieden hatten, fortan gemeinsam in Österreich leben zu wollen", - wie in der Beschwerde des weiteren behauptet wird - stellt jedenfalls keine behördliche Genehmigung im Sinne des Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 dar sondern dieses Vorbringen zeigt, dass keine behördlich genehmigte (somit eine eigenmächtige) Familienzusammenführung erfolgte. Ihre Behauptung, dem Zweitbeschwerdeführer sei eine Genehmigung zu seinem Vater zu ziehen erteilt worden, haben die beschwerdeführenden Parteien nicht (etwa durch die Angabe einer Bewilligungsbehörde, Bescheidzahl, Bescheiddatum) näher konkretisiert und auch nicht (etwa durch Vorlage einer entsprechenden Urkunde) glaubhaft gemacht. Den beschwerdeführenden Parteien ist es somit nicht gelungen, den festgestellten Sachverhalt, dass dem Zweitbeschwerdeführer keine Aufenthaltsgenehmigung für die Familienzusammenführung erteilt wurde, zu entkräften. Dass der Zweitbeschwerdeführer ein Familienangehöriger ist, oder sein Vater dem regulären Arbeitsmarkt in Österreich angehört, ändert nichts daran, dass dem Zweitbeschwerdeführer die erforderliche behördliche Genehmigung für die Familienzusammenführung fehlt.

Hat der Zweitbeschwerdeführer somit kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet im Hinblick auf die angestrebte Familienzusammenführung erhalten, dann vermag er während dieser - allenfalls aufgrund eines anderen Aufenthaltszweckes oder allenfalls ohne Aufenthaltstitel zurückgelegter - Aufenthaltszeiten schon aus diesem Grund die Voraussetzungen nach Art. 7 erster Unterabsatz (auch Satz 1) des ARB Nr. 1/1980 nicht zu erfüllen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 1. Oktober 1997, Zl. 97/09/0131, vom 29. September 1998, Zl. 97/09/0332, vom 26. Mai 1999, Zl. 97/09/0179). Die Unterhaltsgewährung durch den türkischen Wanderarbeitnehmer ist keine Tatbestandsvoraussetzung nach Art. 7 erster Unterabsatz ARB Nr. 1/1980 und daher nicht maßgeblich (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. September 1998, Zl. 97/09/0255).

Die Behauptung, das Aufenthaltsrecht des Zweitbeschwerdeführers ergebe sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2000, Zl. 96/21/1076, ist nicht nachvollziehbar. Der Verwaltungsgerichtshof erteilt keine Aufenthaltsgenehmigungen und ein Erkenntnis dieses Gerichtshofes ist auch kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG.

Demnach ist selbst nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien unbestritten, dass der Zweitbeschwerdeführer das in § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG näher umschriebene Aufenthaltsrecht gemäß dem Fremdengesetz 1997 bzw. die dort umschriebene Niederlassungsbewilligung nicht besitzt. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Versagung der beantragten Beschäftigungsbewilligung auf den Versagungsgrund des § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG gestützt hat (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. September 2001, Zl. 99/09/0261, vom 20. März 2002, Zl. 99/09/0049, und vom 22. Jänner 2002, Zl. 2000/09/0120).

An diesem Ergebnis vermögen die weiteren Beschwerdeausführungen und Hinweise etwa auf Genfer Flüchtlingskonvention oder EMRK nichts zu ändern. Mit diesen Ausführungen befinden sich die beschwerdeführenden Parteien - zumal ein die Anwendung der ins Treffen geführten Normen ermöglichender Sachverhalt gar nicht vorgelegen ist bzw. nicht festgestellt wurde - in einem hypothetischen bzw. rechtstheoretischen Bereich. Ein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG wird mit diesem Vorbringen jedenfalls nicht dargetan.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Z 7 AuslBG sind - auch unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall erfolgten Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof - beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Abhaltung der von den beschwerdeführenden Parteien beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1999, Zl. 98/09/0208, mwN).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff insbesondere auch § 53 Abs. 1 vierter Satz VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. März 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001090218.X00

Im RIS seit

09.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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