TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/8 2001/01/0599

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Veröffentlicht am 08.04.2003
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8;
MRK Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des E in Wien, geboren 1983, vertreten durch Dr. Gerda Mahler-Hutter, Rechtsanwalt in 2560 Berndorf, Hernsteinerstraße 2/1/3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Mai 2001, Zl. 222.106/0- III/12/01, betreffend §§ 6 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt II.; Entscheidung nach § 8 AsylG) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste am 17. März 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 19. März 2001 die Gewährung von Asyl. Bei seiner Einvernahme beim Bundesasylamt brachte er vor, er sei kurz nach seiner Geburt mit seiner Mutter nach Nigeria ausgewandert und sei seitdem nicht mehr in Sierra Leone gewesen. Dort herrsche Krieg; er kenne dort niemanden und spreche auch die Landessprache nicht.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß § 6 Z 2 AsylG ab (Spruchpunkt I); weiters stellte sie fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Über die nur gegen den Refoulement-Teil dieses Bescheides (Spruchpunkt II.) erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung nach § 8 AsylG damit begründet, dass - ungeachtet der "allgemein schlechten Situation in diesem Land" - schon im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer ein junger, kräftiger Mensch sei, der keiner typischer Weise gefährdeten Gruppe angehöre und jedenfalls in dem von der Staatsregierung kontrollierten Gebiet (das seien Freetown und "etwa die Hälfte des Landes") Zuflucht suchen könne, seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Sierra Leone zulässig sei. Demgegenüber hätte sich die belangte Behörde aus den im hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2001/01/0597, auf das insoweit gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher dargestellten Gründen umfassend - auch unter Beachtung humanitärer Aspekte - mit der aktuellen Lage in Sierra Leone auseinander setzen und allgemein darauf abstellen müssen, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers dorthin ua. mit Österreichs Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK vereinbar wäre. Dass in einem von der belangten Behörde in ihrem Verfahren herangezogenen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom März 2001 zusammenfassend ausgeführt wird, die humanitäre Lage in Sierra Leone sei teilweise katastrophal, da kaum der Bedarf an Grundnahrungsmitteln und grundlegender medizinischer Versorgung gedeckt werden könne, und sämtliche lokale und nationale Hilfsorganisationen seien überfordert und warnten vor dem landesweiten Ausbruch von Seuchen und Epidemien, sei in diesem Zusammenhang ergänzend angemerkt. Zudem ließ die belangte Behörde unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer Sierra Leone als Kleinkind verlassen hat und keinerlei Kenntnisse über dieses Land besitzt.

Der bekämpfte Bescheid war daher in seinem Ausspruch nach § 8 AsylG (Spruchpunkt II.) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 8. April 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001010599.X00

Im RIS seit

07.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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