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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des N in G, geboren 1956, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 11. Dezember 2000, Zl. 206.216/0-XII/36/98, betreffend § 7 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste am 30. Juni 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 2. Juli 1996 die Gewährung von Asyl.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. Begründend traf sie zur Person des Beschwerdeführers folgende Feststellungen:
"... dass der (Beschwerdeführer) im Jahr 1996 Mitglied der Partei 'CNR' (Confederation de Nationalistes Reformateurs) war und sich im Zeitraum 6.5. bis 5.6.1996 in Haft befand, da er gegen den damaligen Staatschef Mobutu gerichtete Videokassetten bzw. Audiokassetten verteilt hatte. Es kann nicht festgestellt werden, dass der (Beschwerdeführer) darüber hinaus für die Partei 'CNR' eine Tätigkeit ausgeübt hat bzw. dass er nach seiner Ausreise bzw. Flucht im Jahr 1996 für diese Partei irgendwelche Tätigkeiten ausgeführt hat.
Der (Beschwerdeführer) hat im Jahr 1997 an einer von ca. 30 Personen besuchten Demonstration in Wien 9, Boltzmanngasse, teilgenommen. Diese Demonstration richtete sich gegen die Politik der USA betreffend den nunmehrigen Staatschef der DR Kongo, Laurent Desire Kabila. Der (Beschwerdeführer) ist seit Juni 2000 Vizepräsident einer 'Sektion Graz der UDPS-Österreich', wobei jedoch Streitigkeiten zwischen der (früheren) Leitung der UDPS-Österreich und den nunmehrigen - hauptsächlich aus Asylwerbern gebildeten - Funktionären der Partei bestehen, wer legitimerweise zur Vertretung der UDPS in Österreich befugt ist. Die Tätigkeit des (Beschwerdeführers) im Rahmen der 'UDPS - Sektion Graz' besteht darin, dass mit der Leitung der 'UDPS-Österreich' ein interner Schriftverkehr geführt wird. Weiters besteht ein Schriftverkehr zwischen der 'UDPS-Österreich' und der Parteizentrale der UDPS in Kinshasa/DR Kongo betreffend interne Angelegenheiten, Parteifunktionen, Anerkennung von Funktionären etc. eine darüber hinaus gehende exilpolitische Betätigung des (Beschwerdeführers) kann nicht festgestellt werden."
Zur allgemeinen Situation im Heimatland des Beschwerdeführers sowie zur Verfolgung von Oppositionspolitikern traf die belangte Behörde u.a. folgende Feststellungen:
"Derzeit werden etwa 60 % des Staatsgebietes von der Staatsregierung unter Präsident Kabila kontrolliert, dessen als 'AFDL' bezeichnete Streitkräfte im Mai 1997 Kinshasa einnahmen und dadurch den Sturz des Mobutu-Regimes bewirkten. Ende 1998 hat die Regierung allerdings die Kontrolle über etwa 40 % des Staatsgebietes an Rebellenorganisationen, insbesondere an die RCD verloren, die von Ruanda bzw. Uganda unterstützt und von Mitgliedern der ethnischen Gruppe der Tutsi dominiert wird. Der Aufstand begann im Juli/August 1998, als Kabila die tutsistämmigen Politiker absetzte und versuchte, die Militäreinheiten von Ruanda und Uganda, die ihn beim Sturz Mobutus unterstützt hatten, aus dem Land zu vertreiben.
Die Menschenrechtslage in dem von der Staatsregierung unter Staatspräsident Kabila dominierten Landesteil ist im Allgemeinen als eher ungünstig zu bezeichnen. Zwar wurden nach Machtantritt Kabilas die Gegner des früheren Staatspräsidenten Mobutu zur Rückkehr in die DR Kongo und zur Mitwirkung eingeladen und kehrten verschiedene Persönlichkeiten aus dem Exil in die DR Kongo zurück und wurden verschiedentlich auch in die Regierungsarbeit eingebunden. Die Tätigkeit von Oppositionsparteien ist jedoch gemäß einem von Staatspräsident Kabila im Mai 1997 erlassenen Dekret 'suspendiert'. Die Aufhebung dieses Dekretes wurde mehrfach angekündigt, ist bisher jedoch nicht erfolgt. Die politischen Parteien selbst wurden nicht verboten, dürfen jedoch im Wesentlichen nur innere Verwaltungsangelegenheiten erledigen und müssen sich einem Prozess der 'Neuregistrierung' unterziehen. Die Auswirkungen der 'Suspendierung' der politischen Tätigkeit von Oppositionsparteien ist unterschiedlich, in manchen Distrikten wird dieses Verbot weniger strikt gehandhabt. ...
Der bloße Umstand, dass eine Person einer Oppositionspartei wie beispielsweise der von Etienne Tshisekedi geleiteten UDPS-Fraktion angehört, ist nicht geeignet, eine politische Verfolgung darzutun. Eine politische Verfolgung kann nur dann angenommen werden, wenn eine Person politisch aktiv ist und solcher Art die Aufmerksamkeit der staatlichen Behörden auf sich gezogen hat. Wenn ein Oppositionspolitiker politische Schriften verteilt hat oder an einem verbotenen politischen Treffen teilgenommen und solcher Art die 'Suspendierung' der oppositionellen politischen Tätigkeit missachtet hat, kann es zu Verfolgungsmaßnahmen kommen. Eine offene oppositionelle politische Betätigung ist in der DR Kongo verboten. Hingegen haben nominelle Mitglieder von Oppositionsparteien, die sich nicht in politischen Aktivitäten engagieren oder Kritik an der Regierung üben, keine Verfolgung zu befürchten. Auch politische Betätigung im Exil führt nicht jedenfalls zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen. Maßgeblich ist, ob es sich um eine eigene, von der betreffenden Person ausgehende Bekundung des politischen Willens handelt, die eine Gefährdung für die Regierung unter Präsident Kabila darstellen kann.
Führende und aktive Funktionäre der UDPS hatten in der DR Kongo Verfolgungsmaßnahmen seitens der Regierung zu erleiden, beispielsweise wurde der UDPS-Gründer Etienne Tshisekedi zeitweise unter Hausarrest gestellt, verschiedene aktive Parteimitglieder wurden verhaftet, Ende 1999 wurde ein Teil davon im Zuge einer von Präsident Kabila verkündeten Amnestie für 156 politische Häftlinge freigelassen.
Was Abschiebungen von abgelehnten Asylwerbern in die DR Kongo betrifft, wurden stichprobenartige Überprüfungen seitens der deutschen Botschaft in Kinshasa durchgeführt, die ergaben, dass die betreffenden in die DR Kongo abgeschobenen Asylwerber unbehelligt und problemlos zu ihren Familien gelangen konnten."
Beweiswürdigend ging die belangte Behörde bei den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers im Wesentlichen von dessen Angaben aus und stützte sich bei den Feststellungen über die Verfolgung von Oppositionspolitikern auf näher genanntes Berichtsmaterial, aus dem sie hervorhob, dass die bloße Mitgliedschaft bei einer Oppositionspartei, ohne ernst zu nehmende nach außen wahrnehmbare gegen die Regierung gerichtete politische Aktivitäten, in der Regel nicht zu Verfolgungsmaßnahmen führe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass wegen der Aktivitäten des Beschwerdeführers für die Partei CNR auf Grund des Machtwechsels in der DR Kongo keine Gegnerschaft zum nunmehrigen Staatspräsidenten Kabila abgeleitet werden könne. Bei der exilpolitischen Betätigung des Berufungswerbers für die Partei UDPS handle es sich um keine nach Außen hin erkennbare, eigene Willensbetätigung, die eine Gefährdung für die nunmehrige Staatsregierung darstelle. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers könne daher nicht zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen führen, weil sie lediglich aus der Teilnahme an einer drei Jahre zurückliegenden, schwach besuchten Demonstration und aus einem parteiinternen Schriftverkehr bestehe. Abschließend meint die belangte Behörde, dass nach den Feststellungen "weder davon ausgegangen werden (kann), dass dieser Schriftverkehr der nunmehrigen Regierung bekannt geworden ist, noch dass daraus irgend eine Gefährdung für die gegenwärtige Staatsregierung abgeleitet werden könnte".
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Asylrelevanz eines Nachfluchtgrundes im Erkenntnis vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0076, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, im Falle eines Staatsangehörigen der Demokratischen Republik Kongo, der schon 1991 wegen seiner Regimekritik in seinem Heimatland Behördenbekanntheit erlangt und in Österreich am 13. Juni 1997 an einer von 30 bis 40 Personen besuchten Demonstration - offenbar der selben Kundgebung wie im vorliegenden Fall - teilgenommen hat, ausgesprochen, dass der (damalige) Beschwerdeführer allein schon deshalb als aktiv exilpolitisch identifizierbar gewesen sei, weil ihm als Teilnehmer an einer Demonstration von bloß 30 bis 40 Personen per se entsprechender Auffälligkeitswert zukommen musste, vorausgesetzt die Kundgebung wurde wahrgenommen. Zudem - so heißt es im genannten Erkenntnis weiter - komme es darauf an, ob die Demonstration in den Medien Niederschlag gefunden hat. Letzteres kann im vorliegenden Fall aber nicht ausgeschlossen werden, weil der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung Fotos (von Teilnehmern an) der Demonstration vorgelegt hat, sodass die belangte Behörde insgesamt nicht davon ausgehen durfte, dass die Aktivitäten des Beschwerdeführers für die Exil-Oppositionspartei nicht nach außen wahrnehmbar gewesen seien.
Auch kann nicht von vornherein verneint werden, dass der Beschwerdeführer als für die Regierung Kabila gefährlich eingeschätzt werde, zumal er sich auf Grund seiner früheren politischen Tätigkeit (wenn auch noch unter Mobutu) bereits in Haft befunden hat und nunmehr als Vizepräsident der "Sektion Graz der UDPS-Österreich" möglicherweise eine nicht unbedeutende Stellung in dieser Partei einnimmt.
Im Hinblick auf die Möglichkeit kongolesischer Behörden, die genannte Demonstration wahrgenommen zu haben und im Hinblick auf deren mögliche Einschätzung des Beschwerdeführers als (politisch) gefährlich bedarf der Sachverhalt einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Von der Durchführung einer Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abzusehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Wien, am 8. April 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010038.X00Im RIS seit
16.05.2003