TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/10 2002/18/0202

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Veröffentlicht am 10.04.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z1;
AsylG 1997 §21 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs2 Z6;
FrG 1997 §33 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des L, geboren 1979, vertreten durch Dr. Markus Brandt, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Silberzeile 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 30. Juli 2002, Zl. St 122/01, betreffend Ausweisung gemäß § 33 Abs. 2 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 30. Juli 2002 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei nach seinen niederschriftlichen Angaben vom 7. August 2001 am 5. August 2001 gemeinsam mit vier weiteren türkischen Staatsangehörigen in einem Lkw versteckt ohne entsprechende Bewilligung in das Bundesgebiet eingereist. Er besitze keinen Reisepass und habe für die Schleppung insgesamt DM 5.000,-- bezahlt. Am 6. August 2001 habe der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt.

Da der Beschwerdeführer am 5. August 2001 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am 7. August 2001 während des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes betreten worden sei, sei der Tatbestand des § 33 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt.

Die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers sei schon deshalb im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich, weil es für das Funktionieren eines geordneten Fremdenwesens dringend erforderlich sei, jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Beschwerdeführer den Vorschriften entsprechend verhalten hätte. Es könne nicht hingenommen werden, dass die österreichischen Fremdenbehörden durch die illegale Einreise Fremder vor vollendete Tatsachen gestellt würden. Überdies sei der illegale Aufenthalt Fremder mit sehr hohen Kosten verbunden. Insbesondere sei die Ausweisung schon auf Grund der Inanspruchnahme eines Schleppers dringend erforderlich. Gegenteiliges Handeln würde dem Schlepperunwesen dienlich sein. Die Behörde sehe sich veranlasst, den immer größer werdenden Problemen des Schlepperunwesens und der illegalen Einreise nachhaltig entgegenzutreten. Es würde dem öffentlichen Interesse an der möglichsten Eindämmung der illegalen Zuwanderung widersprechen, illegal Einreisenden nicht mit den gebotenen fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu begegnen, sofern nicht Umstände im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK vorlägen, die bei einer Interessenabwägung aus Gründen des Privat- oder Familienlebens zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Derartige Umstände seien vorliegend nicht gegeben.

Die Ausweisung sei - abgesehen von der faktischen Durchsetzung - auch nach dem Asylgesetz 1997 (im Folgenden: AsylG) zulässig. Selbst wenn dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG zukäme, wäre § 33 Abs. 2 FrG auf ihn anwendbar, weil er den Antrag weder außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt noch anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines sonst mit einer Sicherheitsbehörde aufgenommenen Kontaktes eingebracht habe. Dem Beschwerdeführer komme allerdings während der Dauer des Asylverfahrens der Schutz des § 21 Abs. 2 AsylG zu, wonach er nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen und überhaupt nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden dürfe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 33 Abs. 2 FrG können Fremde, die weder über einen Aufenthaltstitel verfügen noch Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit (§ 30 Abs. 1) genießen, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie

(Z. 6) unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und während dieses nicht rechtmäßigen Aufenthaltes binnen einem Monat betreten werden

und wenn ihre sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.

2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, am 5. August 2001 in einem Lkw versteckt unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Seiner Meinung nach sei jedoch der Tatbestand des § 33 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht erfüllt, weil er den Asylantrag (durch seinen Vertreter) bereits am 6. August 2001 und somit vor seiner Betretung am 7. August 2001 gestellt habe. Es sei "in diesem Zusammenhang auf § 19 Asylgesetz zu verweisen".

2.2. Gemäß § 19 Abs. 2 AsylG haben Asylwerber, die unter Umgehung der Grenzkontrolle oder entgegen den Bestimmungen des 2. Hauptstückes des Fremdengesetzes eingereist sind, die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erst, wenn sie von der Behörde zuerkannt wird. Die Behörde hat solchen Asylwerbern, deren Antrag zulässig, aber nicht offensichtlich unbegründet ist, unverzüglich die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen.

Der Aufenthalt des unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereisten Beschwerdeführers wäre somit nur dann im Zeitpunkt der Betretung rechtmäßig gewesen, wenn ihm bereits davor die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden wäre. Dass dies der Fall sei, hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

3.1. Gemäß § 21 Abs. 1 AsylG findet auf Asylwerber - soweit im Folgenden nicht anderes festgelegt wird - das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§ 33 Abs. 2, 36 Abs. 2 Z. 7, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie

1. den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben;

2. den Antrag anlässlich der Grenzkontrolle oder anlässlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben.

3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukomme und er den Asylantrag sofort nach der Einreise außerhalb einer Vorführung "persönlich durch meinen Vertreter" beim Bundesasylamt eingebracht habe. Damit zielt er erkennbar darauf ab, dass er die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 Z. 1 AsylG erfülle und die Ausweisung daher unzulässig sei.

3.3. Dem ist zu entgegnen, dass die von § 21 Abs. 1 Z. 1 AsylG geforderte persönliche Einbringung des Asylantrages voraussetzt, dass sich der Asylwerber selbst zum Bundesasylamt begibt und dort den Asylantrag deponiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2001, Zl. 98/02/0119).

Die Einbringung des Asylantrages durch einen Vertreter erfüllt diese Voraussetzung nicht.

§ 21 Abs. 1 AsylG steht daher der Ausweisung nicht entgegen.

4. Der vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer wegen der Anhängigkeit des Asylverfahrens gemäß § 21 Abs. 2 AsylG nicht zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf, steht der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen. Wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, ist jedoch die Durchsetzung dieser Maßnahme durch Abschiebung des Beschwerdeführers für die Dauer der Anhängigkeit des Asylverfahrens nicht möglich.

5. Da bei einer Ausweisung gemäß § 33 Abs. 2 FrG eine Abwägung der persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen gemäß § 37 leg. cit. nicht erforderlich ist, stellt der vorgebrachte Umstand, dass die familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht ermittelt worden seien, keinen Verfahrensmangel dar.

6.1. Um eine Ausweisung nach § 33 Abs. 2 FrG zu rechtfertigen, muss gemäß dem letzten Halbsatz dieser Bestimmung die sofortige Ausreise des Fremden im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich sein. Die Verwirklichung von Tatbeständen, die bereits in den einzelnen Ziffern des § 33 Abs. 2 FrG genannt sind, reicht für sich allein zur Begründung der Erforderlichkeit der sofortigen Ausreise nicht hin; eine Ausweisung gemäß § 33 Abs. 2 leg. cit. ist vielmehr nur dann zulässig, wenn neben einem der in den Z. 1 bis 6 genannten Tatbestände auch das zusätzliche Tatbestandselement vorliegt, dass die sofortige Ausreise des Fremden im Hinblick auf eine von ihm ausgehende unmittelbare Bedrohung der öffentlichen Ordnung tatsächlich erforderlich ist. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 2000, Zl. 99/21/0354, mwN.)

6.2. Soweit die belangte Behörde die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers für erforderlich erachtet, weil es für ein funktionierendes Fremdenwesen notwendig sei, den den Vorschriften entsprechenden Zustand herzustellen und es nicht hingenommen werden könne, dass die Behörde vor vollendete Tatsachen gestellt werde, stützt sie sich bloß auf die illegale Einreise des Beschwerdeführers und somit auf das im Sinn des § 33 Abs. 2 Z. 6 FrG tatbestandsmäßige Verhalten. Auch der allgemein ins Treffen geführte Umstand, dass "der illegale Aufenthalt Fremder mit sehr hohen Kosten verbunden" sei, stellt keine über das tatbestandsmäßige Verhalten hinausgehende Bedrohung der öffentlichen Ordnung dar.

Die Inanspruchnahme eines Schleppers bei der Einreise bewirkt zwar eine zusätzliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung, rechtfertigt aber vorliegend nicht die Annahme, dass die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine von ihm ausgehende unmittelbare Bedrohung der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer nach wie vor Kontakt zu Schleppern unterhält.

7. Da die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage zu dem Ergebnis kam, dass die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 10. April 2003

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002180202.X00

Im RIS seit

21.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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