TE Vwgh Erkenntnis 2003/4/29 2001/11/0311

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Veröffentlicht am 29.04.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs5;
FSG-DV 1997 §2 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des F in N, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Gaisbergstraße 46, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 8. August 2001, Zl. 20504-14/1808/2-2001, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 28. Juni 2001 wurde gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1, § 25 Abs. 3 und § 32 Abs. 1 FGSG in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Z. 7 lit. a leg. cit. die dem Beschwerdeführer erteilte "Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge im gesamten Berechtigungsumfang" auf Dauer von drei Monaten gerechnet ab Zustellung dieses Bescheides entzogen. Es wurde ihm das Lenken eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges während der Entziehungszeit verboten und er wurde verpflichtet, den Führerschein sofort bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung oder beim Gendarmerieposten Neumarkt abzugeben. Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung wurde aberkannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.

Nach der wesentlichen Begründung des angefochtenen Bescheides sei dem Beschwerdeführer "seinerzeit" die Lenkberechtigung unter der Bedingung erteilt worden, dass beim Lenken eines Kraftfahrzeuges eine Brille zu tragen sei. Diesbezüglich sei der Code 01.01 im Führerschein eingetragen. Anlässlich der ärztlichen Untersuchung habe der Beschwerdeführer im Fragebogen, welcher mit 13. Oktober 1998 datiert sei, die Frage "ich trage Kontaktlinsen" mit "nein" beantwortet. Der Beschwerdeführer habe am 10. Mai 2001 ein Kraftfahrzeug ohne gültige Lenkberechtigung insofern gelenkt, als er die Bedingung, eine Brille zu verwenden, nicht eingehalten habe. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe zum Tatzeitpunkt Kontaktlinsen getragen, welche seiner Sehschwäche entsprochen hätten und welche dem Tragen einer Brille aus ärztlicher Sicht als gleichwertig zu betrachten seien, erwiderte die belangte Behörde, dass gemäß § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG-GV bei Verwendung von Kontaktlinsen deren Eignung für die betreffende Person von einem Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie zu bestätigen sei. Schon daraus ergebe sich, sofern die Lenkberechtigung nicht unter der Vorschreibung einer wahlweisen Verwendung erteilt worden sei, dass eine solche wahlweise Verwendung nicht in Betracht kommen könne und im Hinblick auf die ausdrückliche Brillenvorschreibung im vorliegenden Fall durch die Nichtverwendung einer Brille die rechtliche Konsequenz der Ungültigkeit der Lenkberechtigung eintrete. Der Begriff "Brille" könne im vorliegenden Zusammenhang "nicht derart relativiert werden", wie dies der Beschwerdeführer tue. Als verfehlt müsse es aber auch angesehen werden, wenn der Beschwerdeführer meine, es sei durch die Eintragung des Codes 01.01. für ihn nicht zu erkennen gewesen, dass er nicht eine andere Sehhilfe verwenden dürfe. Wenn er sich diesbezüglich im Unklaren gewesen sei, hätte er entsprechende Erkundigungen einholen müssen. Da zum Zeitpunkt der Erteilung der Lenkberechtigung eine entsprechende Bestätigung im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 3 FSG-GV nicht vorgelegen sei, habe für die Berufungsbehörde auch kein Anlass zur Einholung eines augenärztlichen Sachverständigengutachtens und zur Befundaufnahme hinsichtlich der vom Beschwerdeführer verwendeten Kontaktlinsen bestanden, weil feststehe, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt das Kraftfahrzeug ohne gültige Lenkberechtigung gelenkt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 Führerscheingesetz - FSG darf eine Lenkberechtigung nur an Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

§§ 7, 24, 25 und 32 FSG lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

7. ein Kraftfahrzeug lenkt

a)

ohne gültige Lenkberechtigung,

b)

trotz vorläufig abgenommenen Führerscheines, oder

c)

wiederholt ohne entsprechende Lenkberechtigung für die betreffende Klasse.

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 1 bis 3 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten

..."

Gemäß § 13 Abs. 1 FSG hat die Behörde dem Bewerber über die von ihr erteilte Lenkberechtigung eine Bestätigung, den Führerschein, auszustellen. Gemäß § 13 Abs. 2 leg. cit. ist in den Führerschein jede gemäß § 8 Abs. 3 Z. 2 oder 3 ausgesprochene Bedingung, Befristung oder Beschränkung der Lenkberechtigung sowie die Vorschreibung etwaiger Auflagen einzutragen. Gemäß § 13 Abs. 3 Z. 3 FSG hat der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr durch Verordnung "die Zahlencodes für Eintragungen betreffend den Umfang und die Gültigkeit der Lenkberechtigung" festzusetzen.

§ 2 FSG-DV hat, soweit hier maßgeblich, folgenden Wortlaut:

"Eintragungen in den Führerschein

§ 2. (1) Die Behörde hat einzutragen ...

2. auf Seite 4 ...

b) allfällige Zahlencodes gemäß Abs. 2, wobei harmonisierte gemäß Abs. 3 den nationalen gemäß Abs. 4 voranzustellen sind und unmittelbar hinter jeder Eintragung das Dienstsiegel anzubringen ist; ...

(2) Die Behörde hat für die in § 13 Abs. 2 FSG genannten Eintragungen Zahlencodes gemäß den Abs. 3 und 4 zu verwenden. Soweit die Codes ergänzende Angaben vorsehen, sind diese in Klammern neben den Codes auf Grund des Einzelfalles einzutragen.

(3) Folgende durch Gemeinschaftsrecht harmonisierte Zahlencodes und Untercodes sind zu verwenden:

01 Sehhilfe, oder, falls das ärztliche Gutachten dies

ausdrücklich vorsieht

01.01 Brillen

01.02 Kontaktlinsen

01.03 Augenschutz ..."

Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen ein, er habe - wie er bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt habe - am Tattag zwar keine Brille getragen, jedoch Kontaktlinsen, die einer Brille, was die Herstellung der notwendigen Sehkraft betreffe, gleichwertig seien, sodass das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten nicht vorliege. Der Beschwerdeführer habe auch die Einholung eines augenärztlichen Sachverständigengutachtens unter Befundaufnahme der von ihm verwendeten Kontaktlinsen zum Beweis dafür, dass er über eine ausreichende Sehhilfe verfügt habe, beantragt. Die belangte Behörde habe diesen Beweis nicht aufgenommen. In diesem Zusammenhang verweise der Beschwerdeführer auf die Bestätigung eines Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie, woraus sich ergebe, dass der Beschwerdeführer seit Jänner 2001 Kontaktlinsenträger sei, die Linsen von ihm problemlos vertragen würden und er geeignet sei, sowohl mit den Kontaktlinsen als auch mit der Brille eine Fahrzeuge der "Führerscheingruppe B" zu lenken. Der Zweck der hier maßgeblichen Vorschriften über die Verwendung von Sehhilfen sei es, dass der Lenker von Fahrzeugen eine entsprechende Sehkorrekturhilfe verwende. Die belangte Behörde hätte bei der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung dies alles berücksichtigen müssen und hätte deshalb zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers nicht verwerflich gewesen und er nicht verkehrsunzuverlässig sei. Im Führerschein sei zwar der Zahlencode 01.01 eingetragen, daraus sei für den Beschwerdeführer jedoch nicht zu erkennen, dass nur eine Brille als Sehhilfe gestattet sei und nicht eine andere Sehhilfe, wie etwa Kontaktlinsen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist im Ergebnis zielführend: Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 FSG genügt nämlich nicht schon allein das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, dass der Betreffende wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird. Im Rahmen dieser Wertung hat die Behörde insbesondere auch die näheren Umstände der vom Beschwerdeführer gesetzten Tat, deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurde, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit zu beurteilen. An Hand dieser Kriterien hat die Behörde zu beurteilen, ob dem Betreffenden im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung und zumindest für die drei darauf folgenden Monate (§ 25 Abs. 3 FSG) die Verkehrszuverlässigkeit fehlt oder nicht.

Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe zum Zeitpunkt der ihm angelasteten Tat Kontaktlinsen statt der Brille getragen, als erwiesen angenommen. Davon ausgehend hätte sie aber auch im Rahmen der ihr obliegenden Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer (in der Berufung) vorgebracht hat, durch die von ihm getragenen Kontaktlinsen werde seine Sehschwäche wie mit der optischen Brille ausgeglichen und die Kontaktlinsen seien daher als gleichwertig anzusehen. Der Beschwerdeführer hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dies auch durch Vorlage der Bestätigung eines näher genannten Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie vom 1. Oktober 2001 untermauert, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer seit Jänner 2001 Kontaktlinsen trägt, diese von ihm problemlos vertragen werden und der Visus des Beschwerdeführers sowohl mit Brille als auch mit Kontaktlinsen mit dem gleichen Wert beurteilt wird. Damit kann entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht davon ausgegangen werden, das Verhalten des Beschwerdeführers und die Umstände der Tat zeigten eine Sinnesart des Beschwerdeführers auf, die die Annahme rechtfertige, er werde in Hinkunft die Verkehrssicherheit gefährden. Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, es sei unerheblich, ob der Beschwerdeführer statt der Brille einen anderen - gleichwertigen - Sehbehelf trage, hat die belangte Behörde dem diesbezüglichen Einwand keine Bedeutung beigemessen und daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Hierbei kommt dem Argument der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe anlässlich seiner ärztlichen Untersuchung zur Erlangung des Führerscheines im Oktober 1998 die Frage, ob er Kontaktlinsen trage, verneint, kein Gewicht zu. Diese Erklärung war für den Inhalt der verfügten Bedingung maßgebend, spielt jedoch für die Wertung der von der belangten Behörde angenommenen bestimmten Tatsache keine entscheidende Rolle. Desgleichen ersetzt der Hinweis der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bereits mehrmals als Lenker eines Kraftfahrzeuges "auffällig geworden", nicht die umfassende Wertung nach sämtlichen im § 7 Abs. 5 FSG genannten Kriterien.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 29. April 2003

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001110311.X00

Im RIS seit

29.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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