TE Vfgh Erkenntnis 2000/3/6 V150/97 ua

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Veröffentlicht am 06.03.2000
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art18 Abs2
StVO 1960 §94f Abs1 lita Z2
Verordnung des Linzer Bürgermeisters vom 15.05.91 betr Einfahrts- und Linksabbiegeverbot

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer ein Einfahrts- und Linksabbiegeverbot festlegenden Verordnung wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung der Bundespolizeibehörde vor Verordnungserlassung

Spruch

Punkt 2) der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1991, GZ 101-5/19, kundgemacht durch Anbringung des Vorschriftszeichens gemäß §52 lita Z3a StVO 1960 am 27. Mai 1991, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz erließ mit Verordnung vom 15. Mai 1991, GZ 101-5/19, folgende Verkehrsbeschränkung:

"VERORDNUNG

Aus den im Akt ersichtlichen Gründen wird gemäß §43 StVO 1960 i. d.g.Fassung verordnet:

1) Die Verordnung vom 25.4.1991, GZ 101-5/19, betreffend das Einfahrtsverbot in die Lederergasse in Fahrtrichtung Osten ab der Einmündung in die Honauerstraße,

ausgenommen Radfahrer, Anrainer, Zustelldienste, Taxi sowie Busse der ESG wird aufgehoben.

2) Auf der Honauerstraße ist in Fahrtrichtung Süden bei der Einmündung der Lederergasse das Einbiegen nach

links in die Lederergasse verboten.

(§52 lita Z. 3a StVO 1960)

...

Für den Bürgermeister:

Der Amtsleiter:"

1.2. Dem vorliegenden Verordnungsakt ist zu entnehmen, daß die Verordnung hinsichtlich ihres Punktes 2) durch Anbringung des Vorschriftszeichens "Einbiegen nach links verboten" am 27. Mai 1991 kundgemacht wurde.

2.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im folgenden: UVS) ist zur Zahl VwSen-104722/5/BI/FB eine Berufung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. Mai 1997 anhängig, mit dem über den Berufungswerber eine Verwaltungsstrafe wegen einer Übertretung gemäß §52 lita Z3a iVm. §99 Abs3 lita StVO 1960 in der Höhe von S 500,- verhängt wurde.

Aus Anlaß dieses Berufungsverfahrens stellte der UVS gemäß Art129a Abs3 iVm. Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG den zur Zahl V150/97 protokollierten Antrag "auf Aufhebung des Punktes 2) der auf §43 StVO 1960 gestützten Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1991, GZ 101-5/19 (Betreff:

Lederergasse/Ecke Honauerstraße; Verkehrsregelung)."

2.2. Aus Anlaß eines weiteren bei ihm anhängigen Berufungsverfahrens, wobei durch die Bundespolizeidirektion Linz am 27. Oktober 1997 eine bescheidmäßige Ermahnung gemäß §21 VStG erfolgt war, stellte der UVS einen gleichlautenden, zur Zahl V4/98 protokollierten Antrag.

3.1. Im zur Zahl V150/97 protokollierten Verfahren führte der antragstellende UVS zur Frage der Präjudizialität unter anderem aus, er habe im bezeichneten Berufungsverfahren in Wahrnehmung seiner Kompetenz gemäß Art129a Abs1 Z1 B-VG die StVO 1960 und Punkt 2) der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1991 anzuwenden.

3.2. In der Sache führte der UVS unter anderem aus, die gegenständliche Verordnung sei schon deshalb gesetzwidrig, weil sich dem Verordnungsakt entnehmen lasse, daß sich die Bundespolizeidirektion Linz von sich aus bereits im Jahr 1991 gegen diese Verkehrsregelung ausgesprochen und gleichzeitig gerügt hätte, eine Anhörung gemäß §94f Abs1 lita Z2 StVO 1960 vor Erlassung der gegenständlichen Verkehrsregelung wäre nicht erfolgt.

Aus dem Verordnungsakt gehe außerdem nicht hervor, daß die gemäß §94f Abs1 lita Z3 StVO 1960 bei Berührung von Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe anzuhörenden gesetzlichen Interessenvertretungen vor Erlassung der Verordnung gehört worden wären. Da sich im genannten Abschnitt der Lederergasse Geschäfte, Wohnhäuser, die Europaschule, aber auch das Oberlandesgericht Linz und die Oberstaatsanwaltschaft Linz befänden, könne eine Berührung solcher Interessen nicht grundsätzlich verneint werden.

Weiters gehe aus dem Verordnungsakt nicht hervor, ob und inwieweit im Sinne des §96 Abs2 StVO 1960 seitens des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz eine Überprüfung der weiteren Erforderlichkeit dieses Verbotes durchgeführt worden sei. Eine Verordnung werde gesetzwidrig, wenn sich seit ihrer Erlassung der dieser zugrundeliegende Sachverhalt geändert hätte.

Der antragstellende UVS führte weiters aus, eine Verordnung, mit der ein Verkehrsverbot erlassen werde, bedürfe grundsätzlich einer der in §43 Abs1 StVO 1960 umschriebenen Voraussetzungen. Sie müsse also sachlich begründet sein, was auch bedeute, daß sie erforderlich und nicht bloß zweckmäßig sein müsse. Gerade diese speziellen Erfordernisse lägen nach Auffassung des UVS im gegenständlichen Fall jedoch nicht vor.

4. Die Oberösterreichische Landesregierung legte den Verordnungsakt in Kopie mit der Mitteilung vor, daß die gegenständliche Verordnung nicht aufsichtsbehördlich geprüft worden wäre und von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen werde.

5. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz erstattete eine Äußerung, in welcher zunächst festgehalten wurde, daß der bezughabende Verordnungsakt dem Verfassungsgerichtshof laut UVS bereits im Zuge des eingebrachten Antrages vorgelegt worden wäre. Im weiteren äußerte er sich zu den Anträgen des UVS im wesentlichen folgendermaßen:

Zu der vom UVS in seinem Antrag angesprochenen Rechtsverletzung gemäß §94f Abs1 lita Z2 StVO 1960 sei zu bemerken, daß die Bundespolizeibehörde vor Verordnungserlassung sehr wohl gehört worden sei und dabei gegen die Verkehrsmaßnahme keinen Einwand erhoben habe. In diesem Zusammenhang sei auf einen Aktenvermerk vom 15. Mai 1991 zu verweisen. Da diese Anhörung unbürokratisch auf kurzem Weg erfolgt sei, dürfte sie dem die Anhörung laut Schreiben vom 26. September 1991, ZVA-5251, verneinenden Bearbeiter nicht bekannt gewesen sein. Daß sich die Bundespolizeibehörde darin nunmehr wegen einer befürchteten Verkehrsverlagerung gegen die Verkehrsmaßnahme ausgesprochen hätte, sei von der verordnungserlassenden Behörde zwar zur Kenntnis genommen worden, eine Änderungsnotwendigkeit hätte sich daraus im Hinblick auf den unveränderten straßenpolizeilichen Handlungsbedarf aber nicht ergeben.

Bezüglich der geäußerten Rechtsverletzung gemäß §94f Abs1 lita Z3 StVO 1960 sei festzuhalten, daß nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nur eine spezifische Interessenbetroffenheit eine solche Anhörungspflicht begründe, deren Verletzung die ohne Anhörung erlassene, verkehrsbeschränkende Verordnung gesetzwidrig mache. Diese spezifische Interessenbetroffenheit werde im Gegenstand insbesondere deshalb zu verneinen sein, weil die in der Beschwerde angeführten Einrichtungen ohne wesentlichen Umweg von der Unteren Donaulände aus auch über die Gruberstraße erreichbar wären. Im übrigen vermöge die Existenz diverser Einrichtungen allein hinsichtlich dieser Verfahrensvorschrift keinen ausreichenden Ansatzpunkt darzustellen.

Der Hinweis des UVS auf die Bestimmung des §96 Abs2 StVO 1960 sei für die Rechtswirksamkeit der vorliegenden Verordnung ohne rechtliche Relevanz, zumal selbst das Unterbleiben der im §96 Abs2 StVO 1960 vorgesehenen Überprüfung der Erforderlichkeit aller Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs für sich alleine noch keine Gesetzwidrigkeit derjenigen Verordnung nach sich zu ziehen vermöge, bei der eine solche Kontrolle unterlassen werde.

Darüber hinaus sei festzuhalten, daß sich die Behörde seit 1991 mehrfach mit dem aufrechten Erfordernis der Verordnung zu befassen gehabt hätte. In der Folge wurde ein am 14. Juli 1997 erstelltes Sachverständigengutachten dargestellt, welches zum Ausdruck bringen sollte, daß das gegenständliche Linksabbiegeverbot nach wie vor erforderlich sei.

6. Auf die im wesentlichen inhaltsgleichen Ausführungen des UVS im zur Zahl V4/98 protokollierten Verordnungsprüfungsantrag antwortete der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz mit einer Äußerung, die im wesentlichen mit der eben dargestellten übereinstimmt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge gemäß den §§187 und 404 ZPO iVm. §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung verbunden und über sie erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

Es ist offenkundig, daß der UVS bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängigen Berufungen den Punkt 2) der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1991, GZ 101-5/19, dessen Übertretung Voraussetzung für die Bestrafung bzw. die bescheidmäßige Ermahnung der Berufungswerber ist, anzuwenden hat. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 Abs1 B-VG und Art129a Abs3 B-VG iVm. Art89 Abs2 und 3 B-VG zulässig.

2. In der Sache:

2.1. Gemäß §94f Abs1 lita Z2 StVO 1960 ist vor Erlassung einer Verordnung, außer bei Gefahr im Verzuge, die Bundespolizeibehörde anzuhören, wenn sich der Geltungsbereich einer Verordnung auch auf den örtlichen Wirkungsbereich dieser Behörde erstrecken soll.

2.2. Der UVS bringt in seinen Anträgen vor, es ließe sich dem Verordnungsakt entnehmen, daß sich die Bundespolizeidirektion Linz bereits im Jahr 1991 gegen diese Verkehrsregelung ausgesprochen und gleichzeitig gerügt hätte, eine Anhörung gemäß §94f Abs1 lita Z2 StVO 1960 vor Erlassung der gegenständlichen Verkehrsregelung sei nicht erfolgt.

2.3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz entgegnete zu diesem Punkt in seiner im zur Zahl V150/97 protokollierten Verfahren abgegebenen Äußerung, die Bundespolizeibehörde sei vor Verordnungserlassung sehr wohl angehört worden. Es folgte daraufhin der Hinweis: "(siehe AV vom 15.5.1991)". Da diese Anhörung unbürokratisch auf kurzem Weg erfolgt sei, dürfte sie dem die Anhörung laut Schreiben vom 26. September 1991, ZVA-5251, verneinenden Bearbeiter nicht bekannt gewesen sein.

2.4. Im vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz zitierten und im Verordnungsakt einliegenden Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz vom 26. September 1991 wird ausgeführt:

"Die Bundespolizeidirektion Linz hat sich szt. gegen das mittlerweile aufgehobene Einfahrtsverbot an der Kreuzung Lederergasse - Honauerstraße ausgesprochen und wurde vor der Erlassung des angeführten Linksabbiegeverbotes nicht angehört.

Die ho. Behörde spricht sich aus Gründen der Verkehrsverlagerung ebenfalls gegen dieses zuletzt verordnete Linksabbiegeverbot aus.

Für den Polizeidirektor:

I.A.:

(Unterschriftsparaphe)"

2.5. Der vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz ins Treffen geführte Aktenvermerk findet sich im vorgelegten Verordnungsakt auf der Rückseite eines (nur in Kopie vorgelegten) Verordnungsentwurfes einer Verordnung vom 25. April 1991, bei dem es sich um die "Vorgänger-Verordnung" der gegenständlichen Verordnung vom 15. Mai 1991 handelt, die durch Punkt 1) der Verordnung vom 15. Mai 1991 aufgehoben wurde (und durch deren Punkt 2) das nunmehr angegriffene Linksabbiegeverbot normiert wurde). Der betreffende - handschriftliche - Aktenvermerk lautet:

"AV.

Lt. Polizei/Abt.Insp. H. kein Einwand

15.5.91,

(Unterschriftsparaphe)"

Der vorgelegte Verordnungsakt - der nicht mit fortlaufenden Ordnungsnummern oder Seitenzahlen versehen ist - wurde so gebunden, daß sich an den oben genannten Verordnungsentwurf vom 25. April 1991, auf dessen Rückseite sich der zitierte Aktenvermerk befindet, der - ebenfalls nur in Kopie vorgelegte - Entwurf der gegenständlichen Verordnung vom 15. Mai 1991 anschließt.

2.6. Gemäß §94f Abs1 lita Z2 StVO 1960 ist die Anhörung der Bundespolizeibehörde - Gefahr im Verzuge lag offenkundig nicht vor und wurde auch nicht behauptet - im Rahmen der Erlassung der gegenständlichen Verordnung obligatorisch.

Nach dem vorgelegten Verordnungsakt ist der vom Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz erwähnte Aktenvermerk jedoch nicht in eindeutiger Weise einem bestimmten verwaltungsbehördlichen Handeln zuordenbar, sodaß der Verfassungsgerichtshof allein auf Grund dieses Aktenvermerkes die Durchführung eines Anhörungsverfahrens hinsichtlich der Bundespolizeidirektion Linz in Bezug auf die gegenständliche Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1991 nicht als ordnungsgemäß durchgeführt ansieht. Bereits aus diesem Grund ist die angefochtene Verordnung gesetzwidrig.

3. Sohin war Punkt 2) der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. Mai 1991, GZ 101-5/19, wegen Widerspruches zu §94f Abs1 lita Z2 StVO 1960 als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Angesichts dieses Verfahrensergebnisses erübrigt es sich, auf die sonstigen Bedenken, die vom UVS vorgebracht werden, einzugehen.

5. Die Verpflichtung zur Kundmachung des Ausspruches des Verfassungsgerichtshofes gründet sich auf Art139 Abs5 B-VG.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefällt werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Verkehrsbeschränkungen, Verordnungserlassung, Anhörungsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:V150.1997

Dokumentnummer

JFT_09999694_97V00150_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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