TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/24 2003/11/0142

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Veröffentlicht am 24.06.2003
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §26 Abs2;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
FSG 1997 §7 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Februar 2002, Zl. VerkR-394.499/1-2002/Si-Sei, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung begleitender Maßnahmen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 13. Dezember 2001 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 2, § 7 Abs. 1 und 3, § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 und 3 und § 29 Abs. 4 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen B, C1, C, F, G, B+E, C1+E, C+E für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab der am 6. Dezember 2001 erfolgten vorläufigen Abnahme des Führerscheines entzogen. Weiters wurden gemäß § 26 Abs. 8 FSG die Absolvierung eines Einstellungs- und Verhaltenstrainings für alkoholauffällige Kraftfahrer sowie die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens unter Berücksichtigung einer vom Beschwerdeführer vorzulegenden verkehrspsychologischen Stellungnahme angeordnet. In der Begründung dieses Bescheides wurde als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer am 6. Dezember 2001 auf einer näher bezeichneten Straßenstelle ein den Kennzeichen nach bestimmtes Sattelkraftfahrzeug gelenkt und sich trotz Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde dazu ermächtigtes Straßenaufsichtsorgan geweigert hat, die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.

Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Vorstellung gab die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems mit Bescheid vom 5. Februar 2002 keine Folge.

Der vom Beschwerdeführer gegen den Vorstellungsbescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den Vorstellungsbescheid.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Beschwerdeführer hat weitere Schriftsätze gemäß § 36 Abs. 8 zweiter Satz VwGG eingebracht.

Der aus Anlass des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vom Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Antrag vom 8. August 2002, Zl. A 2002/0038-1, § 26 Abs. 2 sowie die Wortfolgen "oder Abs. 2" und ", bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8" in § 26 Abs. 8 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997 (sowohl § 26 Abs. 2 als auch die in § 26 Abs. 8 enthaltenen Wortfolgen in der Fassung (zuletzt) der 2. Führerscheingesetznovelle BGBl. I Nr. 94/1998) als verfassungswidrig aufzuheben, sowie die dazu gestellten Eventualanträge wurden mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2003, G 203/02 u.a., abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2002) maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

Sonderfälle der Entziehung

§ 26.

...

(2) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.

...

(8) Bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8.

...

§ 5 und § 99 StVO 1960 lauten in der Fassung der Novelle

BGBl. I Nr. 134/1999 (auszugsweise):

"Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol

§ 5.

...

(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand

1.

ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder

2.

als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

...

Strafbestimmungen

§ 99. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 16 000 S bis 80 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,

b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,

c) (Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.

..."

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass der Beschwerdeführer mit dem rechtskräftigen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 28. Jänner 2002 rechtskräftig wegen der am 6. Dezember 2001 begangenen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 bestraft wurde. Auf Grund der Bindung an die rechtskräftige Bestrafung hatte die belangte Behörde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer diese Übertretung begangen hat. Dies wird vom Beschwerdeführer auch nicht in Zweifel gezogen. Er macht - wie bereits im Verwaltungsverfahren - geltend, er habe am 6. Dezember 2001, etwa eine halbe Stunde nach der Verweigerung der Atemluftuntersuchung, beim Gendarmerieposten Kirchdorf an der Krems angerufen und erklärt, er wolle sich im Krankenhaus Blut abnehmen lassen, um nachweisen zu können, dass er nicht alkoholisiert sei. Bei diesem Telefonat sei ihm gesagt worden, es sei "vorbei", eine Blutabnahme im Krankenhaus sei sinnlos. Auf Grund dieser Auskunft habe der Beschwerdeführer die Blutabnahme unterlassen. Hätte er gewusst, dass der Nachweis, nicht alkoholisiert gewesen zu sein, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Folge gehabt hätte, dass eine Entziehung wegen der Verweigerung der Atemluftuntersuchung unzulässig gewesen wäre, hätte er sich der Blutabnahme unterzogen und den entsprechenden Nachweis führen können. Nur wegen der genannten unrichtigen Auskunft sei es nicht zu diesem Nachweis gekommen.

Die belangte Behörde hat zu diesem Vorbringen keine Ermittlungen durchgeführt mit der Begründung, es sei unerheblich.

Diese Auffassung ist aus folgenden Gründen nicht rechtswidrig:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Rechtsprechung zum KFG 1967 (§ 66 Abs. 2 lit. a und Abs. 3) die Auffassung vertreten, dass eine Verweigerung des Alkotests zwar grundsätzlich dieselbe Verwerflichkeit aufweise wie eine erwiesene Alkoholbeeinträchtigung, im Rahmen der Wertung aber ein positiver Nachweis, nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen zu sein, von Bedeutung sei und zu dem Ergebnis führen könne, dass die betreffende Person nicht verkehrsunzuverlässig sei. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Rechtsprechung auch im Anwendungsbereich des FSG festgehalten und zudem für den von § 26 Abs. 2 FSG erfassten Sonderfall der Entziehung wegen erstmaliger Begehung einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 die Auffassung vertreten, dass auch hier ein positiver Nachweis, nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen zu sein, eine Entziehung der Lenkberechtigung unzulässig macht (siehe dazu die Erkenntnisse vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0075 und Zl. 99/11/0207).

Im Beschwerdefall liegt ein solcher Nachweis unbestrittenermaßen nicht vor. Die Frage, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden am Unterbleiben dieses Nachweises trifft oder nicht, ist für die von der belangten Behörde nach § 26 Abs. 2 FSG zu treffende Entscheidung nicht von Bedeutung. Die Behörde hatte daher nicht zu prüfen, welche Auskunft dem Beschwerdeführer bei dem von ihm genannten Telefonat erteilt wurde.

Nach dem Gesagten war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 26 Abs. 2 FSG die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Monaten entzogen hat. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Entziehung bestehen auch keine Bedenken gegen die auf § 26 Abs. 8 FSG gestützten Aussprüche, gegen die der Beschwerdeführer zudem nichts Konkretes vorbringt.

In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, bei der Entziehung der Lenkberechtigung handle es sich um eine strafrechtliche Anklage nach Art. 6 Abs. 1 EMRK. Das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen entspricht der Sache nach den vom Verwaltungsgerichtshof in seinem erfolglos gebliebenen Anfechtungsantrag vom 8. August 2002, Zl. A 2002/0038-1, geäußerten (Eventual-)Bedenken.

In seinem Schriftsatz vom 30. August 2002 äußert der Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 25 Abs. 3 dritter Satz FSG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und das Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich in diesem Zusammenhang zu einer neuerlichen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG aus den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/11/0137, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird, genannten Gründen nicht veranlasst.

Im Schriftsatz vom 15. Mai 2003 regt der Beschwerdeführer die neuerliche Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof wegen gleichheitsrechtlicher Bedenken gegen § 26 Abs. 2 FSG an, insbesondere wegen des Fehlens jeglicher Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG (nunmehr § 7 Abs. 4 FSG in der Fassung der 5. Führerscheingesetz-Novelle BGBl. I Nr. 81/2002). Dazu sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2003, G 203/02 u.a., in dem die Entziehung der Lenkberechtigung für Zeiträume, in denen der Besitzer der Lenkberechtigung nicht verkehrsunzuverlässig ist, auf Grund des einer solchen Maßnahme auch zukommenden Charakters einer Erziehungsmaßnahme als sachlich gerechtfertigt angesehen wird, nicht veranlasst.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Der in der Beschwerde enthaltenen Anregung, die Wortfolge "908 Euro" in § 1 Abs. 1 lit. a dieser Verordnung als gesetzwidrig anzufechten, kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil diese Verordnungsstelle - mangels Obsiegens des Beschwerdeführers - im Beschwerdefall nicht anzuwenden ist. Im Übrigen wird in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/11/0143, hingewiesen, in dem dargelegt wurde, warum sich der Verwaltungsgerichtshof zur Anfechtung dieser Verordnungsstelle nicht veranlasst sieht.

Wien, am 24. Juni 2003

Schlagworte

Alkotest Verweigerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003110142.X00

Im RIS seit

21.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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