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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des S in V, geboren 1964, vertreten durch Mag. Barbara Schütz, Rechtsanwältin in 9500 Villach, Moritschstraße 2/1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. Juni 2000, Zl. 213.476/0- XII/37/99, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, seinen Behauptungen zufolge ein Staatsangehöriger von Liberia und am 20. November 1998 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte am 24. November 1998 Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 14. Oktober 1999 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Liberia gemäß § 8 AsylG für zulässig.
Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Zugleich stellte die belangte Behörde gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Liberia sei zulässig.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung - abgesehen von allgemein gehaltenen Ausführungen über die Entwicklung der Lage in Liberia - auf folgende Feststellungen zum Sachverhalt:
"Es kann nicht festgestellt werden, dass der Asylwerber Staatsangehöriger von Liberia oder staatenlos ist und dieser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Liberia gehabt hat. Die Angaben zum Herkunftsstaat sind offensichtlich falsch und entsprechen die damit verbundenen Fluchtgründe offensichtlich nicht den Tatsachen. Die Angaben zu den Fluchtgründen werden der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrundegelegt. Die Untersuchungsberichte der Bundespolizeidirektion Graz, Kriminaltechnische Untersuchungsstelle ergaben, dass die Geburtsurkunde eine Totalfälschung darstellt und der liberianische Reisepaß nicht authentisch, also von der dazu berechtigten Behörde ausgestellt wurde".
Eine nähere Darstellung des Inhaltes der angeführten Untersuchungsberichte oder eine nähere Bezeichnung derselben enthält der angefochtene Bescheid - insbesondere auch in der Aufzählung der Urkunden, die in der Berufungsverhandlung erörtert worden seien - nicht. In der Beweiswürdigung findet sich in diesem Zusammenhang eine nur geringfügig modifizierte Wiederholung des in den Feststellungen enthaltenen Satzes. Darüber hinaus wird in der Beweiswürdigung ausgeführt, der Beschwerdeführer habe angegeben, in Monrovia gelebt zu haben, habe aber die auf ihm in der Verhandlung vorgehaltenen Farbfotos abgebildeten Gebäude nicht erkannt, die von ihm genannten Straßen Monrovias hätten im Stadtplan nicht gefunden werden können, der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage gewesen, "die 5-liberianische Dollar Banknote richtig zu beschreiben" und habe keine Zeitungen bzw. Radioprogramme gekannt. Er habe einen Parteiausweis des "All Liberian Coalition Party" vorgelegt, aber fälschlich gemeint, dass diese Partei mit "AGO" (statt richtig "ALCOP") abgekürzt werde.
In der Beschwerde wird - unter Vorlage der Kopie einer nach Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgestellten Bestätigung der liberianischen Botschaft in Bonn, wonach der Reisepass des Beschwerdeführers echt und dieser ein Staatsangehöriger von Liberia sei - geltend gemacht, die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer zum Untersuchungsbericht kein Parteiengehör eingeräumt und ihm nicht die Möglichkeit gegeben, Nachweise zum Beweis der Echtheit der Urkunden beizubringen.
Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Nach der Aktenlage wurden der Parteiausweis, die Geburtsurkunde und der (nach den darin befindlichen Stampiglien für zahlreiche Reisebewegungen benützte) Reisepass des Beschwerdeführers zunächst vom Bundesasylamt im erstinstanzlichen Verfahren einer Untersuchung durch die Kriminaltechnische Untersuchungsstelle der Bundespolizeidirektion Graz zugeführt. Der Untersuchungsbericht vom 4. März 1999 ergab hinsichtlich des Reisepasses keine Merkmale einer Totalfälschung, sondern nur - wie es in dem Bericht formuliert wurde - "berechtigte Zweifel" bezüglich der authentischen Ausstellung. Diese Zweifel könnten jedoch "derzeit nicht mit der für ein Gerichtsverfahren notwendigen Sicherheit" (der Satz reißt an dieser Stelle ab). Auf diesen Untersuchungsbericht, der dem Beschwerdeführer zwar - soweit ersichtlich - nie zugänglich gemacht, aber im erstinstanzlichen Bescheid "als Beweismittel" erwähnt wurde, kann sich die Feststellung der belangten Behörde über den Reisepass des Beschwerdeführers - bei sonstiger Aktenwidrigkeit - nicht beziehen.
Zeitgleich mit dem erstinstanzlichen Bescheid erstattete das Bundesasylamt auch eine Strafanzeige wegen des Verdachtes der Urkundenfälschung gegen den Beschwerdeführer (AS 85 des erstinstanzlichen Aktes). Im darauf folgenden Strafverfahren, in dem der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18. Oktober 2000 schließlich freigesprochen wurde, erstellte die Kriminaltechnische Untersuchungsstelle der Bundespolizeidirektion Graz für das Bezirksgericht für Strafsachen Graz am 10. Februar 2000 einen weiteren Untersuchungsbericht über den Reisepass. Darin wurde - mit der Beifügung, auf "nähere Fälschungsmerkmale" werde "aus kriminaltaktischen Gründen nicht eingegangen" - die Auffassung vertreten, das schon im ersten Untersuchungsbericht erwähnte Fehlen von zwei Buchstaben im Prägestempel erlaube die Aussage, dass der Reisepass "nicht authentisch, also von der dazu berechtigten Behörde ausgestellt" sei. Dieser Untersuchungsbericht ist - soweit erkennbar - die Grundlage der Feststellung der belangten Behörde über den Reisepass des Beschwerdeführers. Aus den Akten geht aber nicht hervor, dass dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben wurde, im Asylverfahren dazu Stellung zu nehmen. Dieser Verfahrensmangel ist wesentlich, weil der Besitz eines authentischen liberianischen Reisepasses mit der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer stamme entgegen seinen Behauptungen nicht aus Liberia, schwer in Einklang zu bringen wäre.
Mit der Vorlage von Kopien unterschiedlicher Versionen der liberianischen Fünfdollarnote illustriert die Beschwerde darüber hinaus einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides, der gleichfalls zu dessen Aufhebung führen muss. Die belangte Behörde hat in ihrer Würdigung des Wissens des Beschwerdeführers über seinen behaupteten Herkunftsstaat nämlich nicht nur davon Abstand genommen, die richtigen Antworten des Beschwerdeführers auf nachvollziehbare Weise in eine Gesamtbetrachtung einzubinden, sondern auch in Bezug auf die im angefochtenen Bescheid allein erwähnten Punkte, in denen der Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde keine richtigen Antworten gewusst habe, nicht im Einzelnen dargelegt, was an seinen Antworten falsch gewesen sei. So ist im Besonderen nicht nachvollziehbar, inwiefern die von der belangten Behörde so genannte "5-liberianische Dollar Banknote", von der die Beilagen zum Verhandlungsprotokoll allerdings nur eine einzige Version abbilden, vom Beschwerdeführer nicht richtig beschrieben worden sei. Nähere Ausführungen fehlen aber auch hinsichtlich der übrigen Punkte, wobei ergänzend anzumerken ist, dass es sich bei dem herangezogenen Stadtplan von Monrovia um einen groben Übersichtsplan handelt (vgl. u.a. in dieser Hinsicht schon das Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 2000/20/0547).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Mehrbegehren (Ersatz von "Barauslagen" in der Höhe von S 2.500,-- ungeachtet der gewährten Verfahrenshilfe) findet in diesen Vorschriften keine Deckung. Wien, am 3. Juli 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000200361.X00Im RIS seit
29.07.2003