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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des F in G, geboren 1972, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 4. Juni 2002, Zl. 216.669/0-V/15/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem zweiten Spruchpunkt (Feststellung gemäß § 8 AsylG) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Angola, reiste am 12. November 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 15. November 1999 Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 5. Jänner 2000 gab er an, er sei 1996 von Luanda in ein Gebiet in Angola übersiedelt, das kurz darauf unter die Kontrolle der UNITA geraten sei. Nach der neuerlichen Machtübernahme durch die MPLA in diesem Gebiet sei es ihm Anfang 1999 möglich gewesen, wieder nach Luanda zu ziehen. Dort habe er sich um die Teilnahme an Sportübungen einer MPLA-Truppe beworben, sei jedoch unter dem Verdacht, ein Spion der UNITA zu sein, von der Staatspolizei festgenommen und zehn Monate lang unter näher beschriebenen Bedingungen gefangen gehalten und gefoltert worden. Der Verdacht habe sich darauf gegründet, dass der Beschwerdeführer zuvor "in der UNITA-Region gelebt" habe. Schließlich sei er von einem Onkel seiner Frau, der ein hoher MPLA-Offizier gewesen sei, befreit worden und aus Angola ausgereist.
Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 11. April 2000 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Angola gemäß § 8 AsylG für zulässig. Es schenkte der Darstellung des Beschwerdeführers keinen Glauben.
In der Berufung gegen diesen Bescheid erstattete der bereits anwaltlich vertretene Beschwerdeführer u.a. ein Vorbringen über die allgemeine Sicherheitslage und die humanitäre Situation in Angola. Er machte dabei geltend, seitens des UNHCR werde aus näher beschriebenen Gründen appelliert, von Abschiebungen nach Angola abzusehen. In der Berufungsverhandlung am 30. Jänner 2002 verwies der Beschwerdeführer auf eine UNHCR-Position vom September 1999 und auf die allgemeine Lagebeschreibung in einem ihm vorgehaltenen Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes vom 11. Juni 2001. Einen schriftlichen Vorhalt von Unterlagen über die Entwicklung nach dem Tod Jonas Savimbis im Februar 2002 beantwortete er mit Schriftsatz vom 15. Mai 2002 u.a. dahin gehend, dass es noch viel zu früh sei, "um über eine nachhaltige Verbesserung im Sinne einer Rückkehrmöglichkeit nachdenken zu können". In der fortgesetzten Verhandlung am 22. Mai 2002 legte er einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom April 2001, wonach u.a. eine "katastrophale humanitäre Situation" herrsche und ein "Wegweisungsvollzug nach Angola ... generell unzumutbar" erscheine, einen Auszug aus einer schon auf den Tod Savimbis Bezug nehmenden Entscheidung der belangten Behörde und einen mehrseitigen Ausdruck von Berichtsteilen vor. Der zuletzt erwähnte Ausdruck enthielt längere Textteile darüber, dass sich die humanitäre Situation in Angola ungeachtet der politischen Entwicklung im Anschluss an den Tod Savimbis weiter zuspitze. Seitens der belangten Behörde wurden die schon schriftlich vorgehaltenen, im Wesentlichen der Sicherheitslage gewidmeten Berichte (UNHCR-Bericht vom März 2002 und einige Zeitungsartikel vom April 2002) zur Erörterung gebracht.
Im ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 AsylG ab. Im zweiten Spruchpunkt stellte sie gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Angola sei zulässig.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beweiswürdigung, mit der die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid begründete, weshalb sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers über dessen Fluchtgründe - wie schon das Bundesasylamt - nicht folgen könne, vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zukommenden Kontrollbefugnis nicht entgegen zu treten. Die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt und in der Berufungsverhandlung weisen Widersprüchlichkeiten und Unschlüssigkeiten auf, aus denen die belangte Behörde ohne Verstoß gegen Denkgesetze ableiten durfte, dass die behaupteten den Beschwerdeführer betreffenden Ereignisse im Zusammenhang mit der falschen Verdächtigung, ein Spion der UNITA zu sein, nicht feststellbar seien. Dass für den Beschwerdeführer in Angola auch losgelöst von seinem individuellen Vorbringen eine asylrelevante Verfolgungsgefahr bestünde, kann den Verfahrensergebnissen nicht entnommen werden.
Die belangte Behörde hat sich aber in der Begründung des zweiten Spruchteils ihrer Entscheidung damit begnügt, auf ihre Beweiswürdigung hinsichtlich der behaupteten Verfolgungsmaßnahmen zu verweisen und dies nur dahin gehend zu ergänzen, dass es im Übrigen "keinen Anhaltspunkt" für eine "extreme Gefährdungssituation" gebe. Vielmehr sei am 4. April 2002 ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Regierung und UNITA geschlossen worden und "die Sicherheitslage insbesondere in den Provinzhauptstädten" auch schon davor "als von den Kriegsgeschehnissen unbehelligt und somit als ruhig" anzusehen gewesen. Damit hat es die belangte Behörde jedenfalls verabsäumt, die Zulässigkeit der allfälligen Abschiebung des Beschwerdeführers nach Angola unter dem Gesichtspunkt der in den erörterten Berichten relevierten "katastrophalen humanitären Situation" zu prüfen und ihre Entscheidung in dieser Hinsicht nachvollziehbar zu begründen (vgl. insoweit vor allem das Angola betreffende hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/01/0030). Ob der Bescheid, wie die Beschwerde meint, auch in Bezug auf die Sicherheitslage in Angola der im Zeitpunkt seiner Erlassung aktuellen Berichtslage ungenügend Rechnung trägt, bedarf unter diesen Umständen keiner Prüfung mehr.
Es war daher der angefochtene Bescheid in seinem zweiten Spruchteil gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 16. Juli 2003
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010319.X00Im RIS seit
11.08.2003