TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/11 2003/07/0067

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Veröffentlicht am 11.09.2003
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Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §8;
FlVfGG §17 Abs2;
FlVfGG §18;
FlVfLG Tir 1978 §38 Abs4 litb;
FlVfLG Tir 1978 §74 Abs4;
FlVfLG Tir 1996 §38 Abs3;
FlVfLG Tir 1996 §38 Abs4 litb;
FlVfLG Tir 1996 §38;
FlVfLG Tir 1996 §74 Abs5;
VwGG §34 Abs1 impl;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde 1.) des Christian K, 2.) des Martin S, 3.) des Johannes M, 4.) der Johanna G, 5.) der Waltraud B, 6.) der Elisabeth K und 7.) des Erich G, alle in A, alle vertreten durch Leuprecht & Zoller, Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 30, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 20. Februar 2003, Zl. LAS-640/6-00, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit der Absonderung von Anteilsrechten von einer Agrargemeinschaft,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unzulässig zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Zweit- bis Siebentbeschwerdeführer wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Mitglieder der Agrargemeinschaft B (AG).

Zwei weitere Mitglieder der AG schlossen am 29. April 2002 einen Kaufvertrag über die mit der Liegenschaft des Verkäufers verbundenen Mitgliedschaftsrechte an der AG (24 Anteilsrechte). Mit Antrag vom 21. Mai 2002 begehrte der Käufer vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) die agrarbehördliche Genehmigung dieser Absonderung von Anteilsrechten gemäß § 38 Abs. 3 und 4 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 55/2001 (TFLG 1996).

Mit Bescheid vom 28. November 2002 genehmigte die AB die Absonderung der mit der Liegenschaft des Verkäufers verbundenen 24 Anteilsrechte an der AG und die Übertragung dieser Anteilsrechte auf die bereits an dieser AG anteilsberechtigte Stammsitzliegenschaft des Käufers im Sinne des Kaufvertrages vom 29. April 2002. Diesem Bescheid war ein Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Fachgutachtens der Abteilung Agrarwirtschaft zur Frage einer abträglichen Anhäufung von Anteilsrechten des Käufers vorausgegangen. Vor Erlassung des Bescheides der AB wurde die AG gehört. Diese sowie die Zweit- bis Siebentbeschwerdeführer erstatteten im erstinstanzlichen Verfahren Einwendungen, in welchen sie sich gegen die Absonderung der Anteilsrechte aussprachen.

Die Zweit- bis Siebentbeschwerdeführer und ein weiteres Mitglied der AG erhoben gegen den Bescheid der AB vom 28. November 2002 Berufung und begehrten darin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. Februar 2003 wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß den §§ 63 Abs. 5 und 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 74 Abs. 5 TFLG 1996 als unzulässig zurück. Dies wurde damit begründet, dass § 74 Abs. 5 TFLG 1996 erschöpfend regle, wer in einem Absonderungsverfahren gemäß § 38 Abs. 3 bis 6 TFLG 1996 Parteistellung habe. Parteistellung hätten demnach aber lediglich die Eigentümer der bisher berechtigten Stammsitzliegenschaft und die Erwerber von Anteilsrechten. Nur diesen beiden Personen (Käufer und Verkäufer) stünde im Anlassfall Parteistellung zu. Die AG sei als Beteiligte des Verfahrens zu hören und von der positiven Erledigung des Ansuchens zu verständigen gewesen, wodurch allerdings keine Parteistellung begründet worden sei. Andere Personen, mögen diese nun Mitglieder der mittelbar von der Absonderung betroffenen AG sein oder nicht, könnten im Absonderungsverfahren keine Parteistellung für sich beanspruchen. Insbesondere sei die Parteistellung in einem Absonderungsverfahren nicht aus der Bestimmung des § 37 Abs. 7 TFLG 1996 ableitbar.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage sei der belangten Behörde eine materiell-rechtliche Behandlung der Berufung verwehrt. Diese sei vielmehr als unzulässig zurückzuweisen, weil gemäß § 63 Abs. 5 AVG die Berufungslegitimation von der Parteistellung abhängig sei, diese jedoch den Berufungswerbern nicht zustehe.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 10. Juni 2003, B 582/03-9, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In der ergänzten Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof machen die Beschwerdeführer geltend, in ihrem Recht auf Sachentscheidung über ihre Berufung verletzt worden zu sein. Im Wesentlichen begründen sie dies damit, dass die Beschwerdeführer unmittelbar und tiefgreifend durch die Entscheidung der AB in ihren rechtlichen Interessen verletzt würden. Innerhalb der AG bestehe eine eigene Interessenschaft der "A-Bauern", welche Eigentümer von Alpgebäuden und Grundbesitz seien. Dadurch, dass nunmehr Anteilsrechte von einem der Mitglieder der Interessenschaft, nämlich dem Verkäufer der Anteilsrechte, auf den Käufer übergehen sollten, werde Letzterer erstmals Miteigentümer der bisher den A-Bauern vorbehaltenen Alpsgebäude und Grundstücke. Die Anteilsübertragung führe innerhalb der Interessenschaft der A-Bauern folglich zu einer grundlegenden und mit dem TFLG unvereinbaren Veränderung der Anteilsrechte. Es werde sohin direkt in die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Beschwerdeführer eingegriffen, weshalb ihnen gemäß § 8 AVG jedenfalls Parteistellung und auch die Legitimation zur Erhebung der Berufung zustehe.

Weiters seien gemäß § 37 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 auch die Mitbesitzer oder Miteigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke Parteien. Die belangte Behörde hätte bei ihrer Entscheidung diese Bestimmung des Grundsatzgesetzes berücksichtigen und den Beschwerdeführern Parteistellung zuerkennen müssen, welche unzweifelhaft Mitbesitzer und Miteigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall kommen folgende Bestimmungen des TFLG 1996 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 55/2001 zur Anwendung:

Nach § 38 Abs. 3 TFLG 1996 darf die mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundene Mitgliedschaft an einer Agrargemeinschaft von der Stammsitzliegenschaft nur mit Bewilligung der Agrarbehörde abgesondert werden.

Die Kriterien für die Versagung dieser Bewilligung sind in § 38 Abs. 4 TFLG aufgelistet. Nach lit. b) ist eine solche Bewilligung zu verweigern, wenn durch die Absonderung eine dem wirtschaftlichen Zweck der AG abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt.

§ 74 Abs. 5 TFLG 1996 regelt die Parteistellung in diesem Verfahren und hat folgenden Wortlaut:

"(5) Parteien im Verfahren zur Bewilligung der Absonderung von Anteilsrechten (§ 38 Abs. 3 und 6) und zur Bewilligung der Teilung von Stammsitzliegenschaften (§ 39 Abs. 1) sind die Eigentümer der bisher berechtigten Stammsitzliegenschaften, die Inhaber eines walzenden Anteilsrechtes und die Erwerber von Anteilsrechten und von Trennstücken einer Stammsitzliegenschaft; im Fall des § 38 Abs. 4 lit. c Z. 2 ist auch die Gemeinde Partei. Wenn im Zuge der Absonderung Anteilsrechte mit einer Stammsitzliegenschaft verbunden werden, an deren Eigentum bereits Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sind, oder wenn im Zuge der Teilung einer Stammsitzliegenschaft die mit dieser bisher verbundenen Anteilsrechte aufgeteilt werden, so ist die Agrargemeinschaft vor der Erlassung des Bescheides zur Frage einer allfälligen dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträglichen Anhäufung oder zur Splitterung von Anteilsrechten zu hören. In diesen Fällen ist die Agrargemeinschaft weiters der die Absonderung oder Teilung bewilligende Bescheid mitzuteilen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 15. November 2001, Zl. 2001/07/0126, bereits ausführlich zur Parteistellung im Absonderungsverfahren auf Grundlage des TFLG 1996 (bereits in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 55/2001) Stellung genommen. Demnach ist - ebenso wie bereits nach dem TFLG 1978 - den einzelnen Mitgliedern der Agrargemeinschaft kein Recht eingeräumt, dafür Sorge zu tragen, dass durch die Absonderung nicht eine dem wirtschaftlichen Zweck der Agrargemeinschaft abträgliche Zersplitterung oder Anhäufung von Anteilsrechten eintritt (vgl. zur alten Rechtslage das hg. Erkenntnis vom 6. März 1990, Zl. 89/07/0123). An dieser Rechtslage hat sich durch das TFLG 1996 ebenfalls nichts geändert; vielmehr wurde durch die ausdrückliche Beschränkung der Parteien in § 74 Abs. 5 leg. cit. der Grundsatz, dass einzelnen Mitgliedern der Agrargemeinschaft kein Recht auf Einhaltung der in § 38 TFLG 1996 festgeschriebenen materiellen Erfordernisse für die Erteilung einer Bewilligung eingeräumt ist, ausdrücklich verankert. Die Einhaltung der Bestimmung des § 38 Abs. 4 lit. b leg. cit. ist im TFLG 1996 allein der Behörde überantwortet, wogegen auch keine rechtlichen Bedenken bestehen, weil es grundsätzlich dem Ermessen des Gesetzgebers überlassen ist, ob er eine von ihm geschaffene Bestimmung des objektiven Rechts auch zu einem subjektiven Recht macht oder nicht (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 11. November 2001).

Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die belangte Behörde auf Basis des TFLG 1996 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 55/2001 zu Recht die Ansicht vertreten konnte, lediglich die Parteien des Kaufvertrages (somit im Unterschied zur Rechtslage vor der Novelle LGBl. Nr. 55/ 2001 auch der Käufe - vgl. zu dieser Rechtslage das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/07/0004) seien auch Parteien des vorliegenden Genehmigungsverfahrens; der AG kam im vorliegenden Fall lediglich ein (ihr auch gewährtes) Anhörungsrecht zu.

Auch aus § 37 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, BGBl. Nr. 103/1951, können die Beschwerdeführer nichts für sich gewinnen. Abgesehen davon, dass § 37 Abs. 1 Z. 3 leg. cit., den die Beschwerdeführer zitieren, die Regelung der Parteistellung bei - hier nicht vorliegenden - Spezialteilungs- bzw. Regulierungsverfahren trifft, und somit schon deshalb nicht anwendbar ist, irren die Beschwerdeführer auch, wenn sie meinen, sie seien Mitbesitzer oder Miteigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke. Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist die AG, nicht aber ihre einzelnen Mitglieder.

Ergänzend wird bemerkt, dass der von den Beschwerdeführern vorgebrachte Einwand, der Käufer erhalte nun auch ein Mitspracherecht in der Interessenschaft der "A-Bauern", für sich allein genommen kein Versagungsgrund für die Erteilung einer agrarbehördlichen Bewilligung wäre, weil der im vorliegenden Zusammenhang allein als Versagungsgrund in Frage kommende § 38 Abs. 4 lit. b TFLG 1996 nur auf die zu verhindernde Zersplitterung bzw. Anhäufung von Anteilsrechten, nicht aber auf andere Aspekte, abstellt.

Den Zweit- bis Siebentbeschwerdeführern fehlte - wie dargestellt - die Parteistellung im vorliegenden Verfahren, weshalb sie durch die Zurückweisung ihrer Berufung durch die belangte Behörde nicht in Rechten verletzt wurden.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von den Zweit- bis Siebentbeschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war ihre Beschwerde gemäß § 35 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Was den Erstbeschwerdeführer betrifft, so trat dieser oder sein Rechtsvorgänger während des gesamten Verwaltungsverfahrens nicht in Erscheinung. Insbesondere erhob der Erstbeschwerdeführer bzw. sein Rechtsvorgänger auch keine Berufung an die belangte Behörde; der angefochtene Bescheid wurde ihm bzw. seinem Rechtsvorgänger auch nicht zugestellt. Die Möglichkeit einer Verletzung von Rechten des Erstbeschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid ist nicht erkennbar.

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 11. September 2003

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Diverses Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003070067.X00

Im RIS seit

09.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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