TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/15 2003/10/0153

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Veröffentlicht am 15.09.2003
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Index

L92103 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Niederösterreich;

Norm

PGG NÖ 1993 §23 Abs5;
PGG NÖ 1993 §3 Abs1 Z1;
PGG NÖ 1993 §3 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der M in Wiener Neudorf, vertreten durch Dr. Georg Uitz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 7, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 6. Mai 2003, Zl. 13S-430-93, Evnr. 23647, betreffend Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Abs. 4 NÖ Pflegegeldgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurden mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 6. Mai 2003 die Anträge der beschwerdeführenden Partei auf rückwirkende Erteilung der Nachsicht von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Abs. 4 NÖ Pflegegeldgesetz abgewiesen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, der beschwerdeführenden Partei sei, nachdem ihr diesbezüglich erster Antrag (vom 11. Mai 1999) von der NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 6. Oktober 1999 abgewiesen worden war, mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 4. Jänner 2001 Nachsicht von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Abs. 4 NÖ Pflegegeldgesetz erteilt worden. Die beschwerdeführende Partei habe in der Folge beantragt, den gesetzlichen Zustand im Sinne des § 23 Abs. 5 NÖ Pflegegeldgesetz nachträglich herzustellen, indem ihr die Nachsicht rückwirkend, d.h. ab 1. Juli 1993, zumindest jedoch ab 1. Mai 1999 gewährt werde, weil die ursprüngliche Verweigerung der Nachsicht auf Grund eines wesentlichen Irrtums bzw. eines offenkundigen Versehens erfolgt sei. Die beschwerdeführende Partei sei der Auffassung, alle Voraussetzungen für eine Nachsichtserteilung bereits seinerzeit erfüllt zu haben, die damals erkennende Behörde habe jedoch die Möglichkeiten der beschwerdeführenden Partei, in ihren Heimatstaat zurückzukehren, falsch beurteilt. Diese Auffassung der beschwerdeführenden Partei sei jedoch unzutreffend, zumal sie im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der NÖ Landesregierung vom 6. Oktober 1999 nur über ein befristetes Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt habe, sodass ein Verbleib auf Dauer nicht anzunehmen gewesen sei. Auch habe der festgestellte notwendige Pflegebedarf (Stufe 2) kein Ausmaß erreicht, das eine soziale Härte begründet hätte, weil die erforderliche Betreuung im Rahmen des Familienverbandes ohne erheblichen Zusatzaufwand habe mitgeleistet werden können. Die Abweisung des ursprünglichen Antrages der beschwerdeführenden Partei sei daher zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 NÖ Pflegegeldgesetz 1993 (NÖ PGG), LGBl. 9220-5, ist Voraussetzung für die Leistung eines Pflegegeldes, dass der Antragsteller die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

Diese Voraussetzung kann gemäß § 3 Abs. 4 NÖ PGG nachgesehen werden, wenn das auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten ist.

Gemäß § 23 Abs. 5 NÖ PGG ist, wenn sich nachträglich ergibt, dass eine Geldleistung bescheidmäßig infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt oder eines offenkundigen Versehens zu Unrecht abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, mit Wirkung vom Tage der Auswirkung des Irrtums oder des Versehens der gesetzliche Zustand herzustellen.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 23 Abs. 5 NÖ PGG durch rückwirkende Nachsichtserteilung verletzt. Eine Rückkehr in ihre Heimat sei ihr von Anfang an nicht möglich und zumutbar gewesen, weil ihre Mutter und ihre Schwester sich ebenfalls in Österreich befunden hätten und diese die einzigen Menschen seien, die bereit wären, die beschwerdeführende Partei, die seit ihrer Geburt schwer behindert und betreuungsbedürftig sei, zu pflegen. Diesen Umstand habe die NÖ Landesregierung bei ihrem, den ursprünglichen Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Nachsicht von der Staatsbürgerschaft abweisenden Bescheid infolge eines wesentlichen Irrtums über den Sachverhalt und/oder eines offenkundigen Versehens nicht erkannt. Der Umstand eine bloß befristeten Aufenthaltsrechtes der beschwerdeführenden Partei sei nämlich nicht entscheidend; dieser Umstand sei auch im Zeitpunkt der Erteilung der Nachsicht noch vorgelegen. Ob der notwendige Pflegebedarf für sich alleine ausreichen würde, eine soziale Härte zu begründen, könne dahingestellt bleiben, weil eine Gesamtbeurteilung geboten sei. Schließlich hätten zur Frage, ob ein dauernder Verbleib der beschwerdeführenden Partei in Österreich anzunehmen gewesen wäre, auch die von der beschwerdeführenden Partei angebotenen Beweise eingeholt werden müssen.

Nun erfasst § 23 Abs. 5 NÖ PGG (nur) jene Fälle, in denen ein wesentlicher Irrtum betreffend den maßgeblichen Sachverhalt bzw. ein offenkundiges Versehen zur Erlassung eines Bescheides geführt haben, mit dem eine Geldleistung abgelehnt, entzogen, eingestellt, zu niedrig bemessen oder zum Ruhen gebracht wurde, wobei ein Unterbleiben des Irrtums bzw. des Versehens zu einem anderen Bescheid geführt hätte. Wäre der Behörde daher bei Beurteilung der Voraussetzungen für die Leistung von Pflegegeld an die beschwerdeführende Partei ein wesentlicher Irrtum oder ein offenkundiges Versehen unterlaufen, so käme eine Anwendung des § 23 Abs. 5 NÖ PGG in Betracht.

Die beschwerdeführende Partei behauptet allerdings nicht, dass der Behörde bei der Beurteilung einer dieser Voraussetzungen ein Irrtum oder ein Versehen unterlaufen wäre. Vielmehr meint sei, es sei ihr die Nachsicht vom Fehlen der österreichischen Staatsbürgerschaft zu Unrecht nicht erteilt worden; wäre der Behörde der geltend gemachte Irrtum nicht unterlaufen, hätte sie einen positiven Nachsichtsbescheid erlassen, der in der Folge die Tatbestandsvoraussetzung des § 3 Abs. 1 Z. 1 NÖ PGG, die österreichische Staatsbürgerschaft ersetzt hätte.

Die beschwerdeführende Partei übersieht bei ihrem Vorbringen, dass zwischen der Gewährung von Pflegegeld mit der Beurteilung der dafür erforderlichen Voraussetzungen und der Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft mit der Beurteilung der dafür erforderlichen Voraussetzungen zu unterscheiden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 2002, Zl. 2002/10/0104). Der Bescheid über den Anspruch auf Pflegegeld, der (nur) mit Klage beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpft werden kann, ist nämlich von dem in einem anderen Regelungszusammenhang stehenden Bescheid über die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft zu unterscheiden. Ist die Behörde der Auffassung, einem Fremden sei die Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht zu erteilen und es könne ihm wegen des Fehlens der Staatsbürgerschaft Pflegegeld nicht zuerkannt werden, so hat sie zwei Bescheide zu erlassen, und zwar den Bescheid über die Verweigerung der Nachsicht und den Bescheid betreffend die Abweisung des Pflegegeldantrages. Dies war auch die Vorgangsweise der Behörde im vorliegenden Fall. Es meint die beschwerdeführende Partei auch, der Behörde wäre bei Erlassung des Bescheides über die Verweigerung der Nachsicht ein Irrtum bzw. ein offenkundiges Versehen unterlaufen. Der von der beschwerdeführenden Partei behauptete Irrtum bzw. das behauptete offenkundige Versehen beziehen sich daher nicht auf Sachverhaltsumstände, die für den Bescheid über die Geldleistung wesentlich sind, sondern auf Sachverhaltsumstände, die für den Nachsichtsbescheid nach § 3 Abs. 4 NÖ PGG wesentlich sind. Ein Irrtum über die Erfüllung von die Erteilung der Nachsicht im Sinn des § 3 Abs. 4 NÖ PGG rechtfertigenden Tatbestandsmerkmalen, ist allerdings kein Irrtum über den maßgeblichen Sachverhalt im Sinne des § 23 Abs. 5 NÖ PGG; er vermag daher - selbst wenn er gegeben wäre - die hier normierte Rechtsfolge nicht nach sich zu ziehen.

Da das NÖ PGG für eine rückwirkende Erteilung der Nachsicht von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 3 Abs. 1 Z. 1 somit keine Rechtsgrundlage bietet, zeigt bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003100153.X00

Im RIS seit

20.10.2003

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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