TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/15 2000/10/0121

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Veröffentlicht am 15.09.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
25/01 Strafprozess;
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

AHR;
RAO 1868 §16 Abs4;
RAO 1868 §28 Abs1 litf;
RAO 1868 §45;
RAT;
StPO 1975 §41;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Ausschusses der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 15. Juni 2000, betreffend Festsetzung der Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 4. April 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 45 RAO zum Verteidiger des Beschuldigten G. im Strafverfahren vor dem Landesgericht Feldkirch unter anderem wegen des Verdachtes des Mordes und des schweren Raubes nach den §§ 75, 142, 143, 229, 146 und 147 StGB bestellt.

2. Nach Abschluss des Strafverfahrens begehrte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 9. Februar 2000 unter Vorlage eines detaillierten Kostenverzeichnisses die Zuerkennung einer angemessenen Vergütung in der Höhe von brutto S 2.061.470,40 gemäß § 16 Abs. 4 RAO in eventu einen Ausgleich für überdurchschnittliche Belastung gemäß § 19 GO der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer.

Aus dem Kostenverzeichnis sei ersichtlich, dass die Verteidigung des Beschuldigten einen weit überdurchschnittlichen Aufwand an Zeit und Mühe im Sinne der RAO mit sich gebracht habe und daher mit einer überdurchschnittlichen Belastung verbunden gewesen sei. Zur Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten habe der Beschwerdeführer vom 24. Oktober 1998 bis einschließlich 1. November 1998 als Mitglied einer österreichischen "Gerichtsdelegation" nach Thailand reisen müssen, um dort an Lokalaugenscheinen und Zeugeneinvernahmen teilzunehmen.

Aus dem Akt des strafgerichtlichen Verfahrens beziehungsweise dem vorgelegten Kostenverzeichnis ergäben sich - neben dem üblichen Schriftsatzaufwand für Beweisanträge, Beschwerden und Rechtsmittel - die wesentlichen Komponenten der überdurchschnittlichen Belastung des Beschwerdeführers.

Der Strafakt habe 5.000 Seiten umfasst, es hätten elf Haftprüfungsverhandlungen stattgefunden, es seien 31 Besprechungen mit dem Beschuldigten/Angeklagten in der Justizanstalt in der Dauer von insgesamt 129/2 Stunden sowie 2 kontradiktorische Beweistagsatzungen in der Dauer von 20/2 durchgeführt worden. Die an 3 Tagen anberaumte Hauptverhandlung habe 46/2 Stunden gedauert und der Beschwerdeführer habe an einer kontradiktorischen und kommissionellen Tätigkeit in Thailand in der Dauer von 392/2 Stunden teilgenommen.

Es könne dahinstehen, ob die Beweisaufnahme in Thailand der "Hauptverhandlung" zuzuordnen oder lediglich nach TP 7 Abs. 2 RATG zu bewerten sei. Sie sei jedenfalls nach ihrer Wertigkeit in dem gegenständlichen Strafverfahren sowie nach ihrer Art und ihrem Umfang einer Tätigkeit während der Hauptverhandlung gleichzusetzen.

In jedem Fall habe die Verteidigung des Angeklagten mehr als 10 Verhandlungstage beziehungsweise 50 Verhandlungsstunden in Anspruch genommen.

3. Über Ersuchen der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer legte der Beschwerdeführer eine Kopie des 19. Nachtragsberichtes der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg vom 5. November 1998 über die Tätigkeit der "Gerichtsdelegation" in Thailand vor.

4. Mit Bescheid vom 27. April 2000 setzte der Ausschuss 1 der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer die Höhe der dem Beschwerdeführer als bestelltem Verfahrenshelfer in der gegenständlichen Strafsache gebührenden Sonderpauschalvergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO mit

S 295.978,02 fest und wies das Mehrbegehren ab. Die Auszahlung der Sonderpauschale erfolge nach Maßgabe des § 47 Abs. 5 RAO.

Die vom Beschwerdeführer verzeichneten Kommissionen gemäß TP 7 Abs. 2 RATG seien, wie seinem Antrag zu entnehmen sei, Besprechungen mit den Beschuldigten in der Justizanstalt gewesen. Diese seien nach TP 8 RATG zu entlohnen und fielen gemäß § 23 Abs. 1 RATG unter den Einheitssatz für Nebenleistungen. Diese Kommissionen seien daher zur Gänze aus dem Kostenverzeichnis zu streichen gewesen.

Hinsichtlich der für den Zeitraum vom 24. Oktober 1998 bis 1. November 1998 verzeichneten Kommissionen in Thailand in einer Gesamtdauer von 392/2 Stunden ergebe sich aus dem

19. Nachtragsbericht der Kriminalabteilung vom 5. November 1998, dass die Tätigkeit der Gerichtsdelegation vor Ort erst am 27. Oktober 1998 begonnen habe und erst am 29. Oktober 1998 abgeschlossen gewesen sei. Am 27. Oktober 1998 sei die Zeugeneinvernahme des K. und des W. in einer Gesamtdauer von 13/2 Stunden erfolgt. Am 28. Oktober 1998 hätten diverse Erhebungen und Besichtigungen in einer Gesamtdauer von 6/2 Stunden sowie die Zeugeneinvernahme des N. in der Dauer von 3/2 Stunden stattgefunden. Am 29. Oktober 1998 sei der Zeuge B. einvernommen worden (Dauer: 10/2 Stunden). Dieser Aufschlüsselung entsprechend sei dem Beschwerdeführer eine Kommission gemäß TP 7 Abs. 2 RATG nur für die Erhebungen und Besichtigungen vom 28. Oktober 1998 und nicht für die restliche Zeit zuzusprechen gewesen; hingegen gebührten dem Beschwerdeführer für die Dauer der Zeugeneinvernahmen Kosten für eine kontradiktorische Beweistagsatzung gemäß TP 3 A RATG.

Nach diesen Prämissen ergäben sich für den Beschwerdeführer verrechenbare Kosten in der Höhe von S 615.897,60. Nach Beendigung der Haftprüfungsverhandlung vom 19. Mai 1998 seien 10 Verhandlungstage erreicht gewesen, sodass der Beschwerdeführer gemäß § 16 Abs. 4 RAO ab diesem Zeitpunkt für die darüber hinausgehenden Leistungen Anspruch auf eine angemessene Vergütung in der Höhe von S 379.459,00 zuzüglich 20 % USt in der Höhe von S 75.891,80, daher insgesamt in der Höhe von S 455.350,80 habe. Für seine Tätigkeit in Thailand billigte die erstinstanzliche Behörde dabei dem Beschwerdeführer einen Betrag von (ungekürzt) brutto S 101.010,-- zu.

Von der vom Bund dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag gemäß § 47 Abs. 1 RAO bezahlten Pauschalvergütung habe die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer im Jahre 1999 bei verzeichneten Kosten in der Höhe von S 12.102.477,99 einen anteiligen Betrag gemäß § 48 RAO von S 7.864.714,64, sohin rund 65 % erhalten. Eben dieser Prozentsatz sei auch im Lichte der bisherigen von der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer erlassenen Bescheide angemessen. 65 % der 10 Verhandlungstage beziehungsweise 50 Verhandlungsstunden übersteigenden Kosten ergäben einen Betrag in der Höhe von S 295.978,02, der sohin dem Beschwerdeführer zuzusprechen gewesen sei. Das Mehrbegehren sei hingegen abzuweisen gewesen.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. Mai 2000 Vorstellung und focht den Bescheid insoferne an, als die Behörde seine Leistungen in Thailand für die Zeit vom 24. Oktober 1998 bis zum 1. November 1998 in der Gesamtdauer von 392/2 nur mit insgesamt netto S 101.190,-- und nicht mit dem verzeichneten Betrag von S 966.672,-- berücksichtigt habe. Bei der sich ergebenden Differenz von S 865.482,-- entspreche dies beim angewendeten Prozentsatz von 65 % (gegen dessen Höhe kein Einwand erhoben werde) einem Betrag von netto

S 562.563,30 zuzüglich 20 % USt in der Höhe von S 112.512,66, sohin insgesamt S 675.075,96.

Es sei zutreffend, dass die Tätigkeit der Kommission in Thailand vor Ort erst am 27. Oktober 1998 begonnen habe. Die im Antrag verzeichnete Dauer berücksichtige auch die Hinreise nach Thailand, die dort mit der Ausführung der Geschäfte verbrachte Zeit und die Rückreise nach Feldkirch. Diese Art der Kostenverzeichnung entspreche dem Wortlaut der TP 7 Abs. 1 und Abs. 2 RATG und hätten seine Leistungen daher auch mit dem verzeichneten Betrag berücksichtigt werden müssen. Die im erstinstanzlichen Bescheid vorgenommene Aufschlüsselung in Leistungen nach TP 3 A RATG für die kontradiktorischen Beweistagsatzungen und solche nach TP 7 Abs. 2 RATG sei verfehlt. TP 7 Abs. 1 RATG sehe ausdrücklich vor, dass bei der Honorierung derartiger Geschäfte außerhalb der Rechtsanwaltskanzlei die ganze, mit der Ausführung der Geschäfte verbrachte Zeit zu berücksichtigen sei. Sowohl der Zeitpunkt der Abreise der Gerichtsdelegation nach Thailand, als auch der Zeitpunkt der Rückkehr nach Feldkirch seien außerhalb des Einflussbereiches des Beschwerdeführers gelegen. Der im erstinstanzlichen Bescheid vertretenen Rechtsansicht, dass die verzeichneten Kommissionen in der Justizanstalt Feldkirch im Einheitssatz Deckung fänden, werde nicht entgegengetreten.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer zuzubilligen sei, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Kosten nach TP 7 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 RATG nicht nur für die für die Vornahme des Geschäftes "selbst" erforderliche, sondern auch für die "ganze" mit der Ausführung der Geschäfte verbrachte Zeit gebühre. Dies könne jedoch im Beschwerdefall nicht zu dem vom Beschwerdeführer gewünschten Ergebnis führen.

In der grundlegenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20. Dezember 1989, 3 Ob 555/89, werde auch festgehalten, dass TP 7 RATG für Kommissionen nach dem klaren Wortlaut des Abs. 3 nur für die Entlohnung von Geschäften in Betracht komme, die unter keine andere Tarifpost fielen. Wie dem 19. Nachtragsbericht der Kriminalabteilung vom 5. November 1998 und daran anschließend dem erstinstanzlichen Bescheid zu entnehmen sei, sei Aufgabe der Gerichtsdelegation vornehmlich die Einvernahme der Zeugen K., W., N. und B. am 27., 28. und 29. Oktober 1998 in einer Dauer von insgesamt 26/2 Stunden gewesen, die - wie vom Beschwerdeführer richtig verzeichnet - als kontradiktorische Beweistagssatzung unter TP 3 A RATG fielen und demgemäß unter Berücksichtigung des doppelten Einheitssatzes auch so zu entlohnen gewesen seien. Dadurch sei eine Honorierung dieser Leistungen nach TP 7 RATG ausgeschlossen. Durch diesen doppelten Einheitssatz seien die Kosten für die Zureise- und Aufenthaltszeit abgegolten. Daneben seien die Kosten für die tatsächliche Kommission am 28. Oktober 1998 für die nachgewiesenen Erhebungen und Besichtigungen zuzusprechen gewesen.

In analoger Anwendung des § 41 Abs. 1 ZPO seien dem Beschwerdeführer - sollte der obigen Rechtsauffassung nicht gefolgt werden - überdies nur die durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass die Gerichtsdelegation nach ihrer Anreise am Samstag, den 24. Oktober 1998, am folgenden Sonntag und Montag , den 25. Oktober 1998 und 26. Oktober 1998, untätig gewesen sei und ihre Arbeit nur und ausschließlich am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, vom 27. Oktober 1998 bis zum 29. Oktober 1998, verrichtet habe. An den folgenden beiden Tagen, Freitag und Samstag, den 30. Oktober 1998 und 31. Oktober 1998, sei die Gerichtsdelegation neuerlich untätig gewesen; die Rückreise sei am Sonntag, den 1. November 1999, erfolgt. Die Gerichte hätten sich in den jüngsten Entscheidungen ausschließlich mit der Frage der Honorierung für die mit der Hin- und Rückfahrt zu einer Kommission verbrachten Zeit, nicht jedoch mit der hier vorliegenden Frage eines reinen Aufenthaltes ohne jedwede geschäftliche Tätigkeit einschließlich der Übernachtung beschäftigt. Derartige Kosten seien weder unter den Begriff der "ganzen", mit der Ausführung der Geschäfte verbrachten Zeit gemäß TP 7 Abs. 1 RATG, noch unter den Begriff der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten gemäß § 41 Abs. 1 ZPO zu subsumieren, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass im Beschwerdefall diese Kosten durch den Einheitssatz der kontradiktorischen Beweistagssatzung gemäß TP 3 A RATG abgedeckt seien.

Angesichts der vom Beschwerdeführer verzeichneten Kosten von täglich brutto S 145.822,61 müsse daher auch das von ihm vorgebrachte Argument unberücksichtigt bleiben, dass der Zeitpunkt der An- und Abreise der Gerichtsdelegation nach beziehungsweise aus Thailand außerhalb des Einflussbereiches des Beschwerdeführers gelegen wären. Bei derart exorbitanten Kosten wäre es allemal billiger gewesen, wenn der Beschwerdeführer am 26. Oktober 1998 mit einer Linienmaschine nach Thailand geflogen und am 30. Oktober 1998 nach Feldkirch zurückgekehrt wäre, was - folgte man der Argumentation des Beschwerdeführers - für die vier Tage des Untätigseins eine Kostenersparnis von knapp S 585.000,-- bedeutet hätte. Zählte man zu diesem Betrag noch die vom Beschwerdeführer verzeichneten Kosten für die Nachstunden der drei Arbeitstage (3 x 12 oder 72/2 Stunden) von ca. S 217.000,-- hinzu, so erreiche man fast jenen Betrag, den der Beschwerdeführer (ungekürzt) zusätzlich forderte.

Der Beschwerdeführer übersehe, dass ihm eine Sonderpauschalvergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO nur in angemessener Höhe zustehe. Es seien aber nur jene Ansätze und Kosten im Sinne dieser Bestimmung angemessen, die die erstinstanzliche Behörde festgesetzt habe.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

8. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bekämpft die Bemessung der von ihm gemäß § 16 Abs. 4 RAO beantragten angemessenen Vergütung durch die belangte Behörde hinsichtlich der von ihm anlässlich seiner Teilnahme an der Gerichtsdelegation in Thailand vom 24. Oktober 1998 bis zum 1. November 1998 erbrachten Leistungen als gemäß § 41 Abs. 2 StPO bestellter Verfahrenshilfeverteidiger.

Diese Leistungen seien nach Ansicht des Beschwerdeführers nach TP 7 Abs. 2 RATG zu entlohnen und nicht - wie dies von der belangten Behörde vertreten werde - nach TP 3 A RATG zu bemessen.

2. § 16 Abs. 4 RAO, RGBl. Nr. 96/1868, in der im Beschwerdefall anwendbaren Fassung BGBl. Nr. 474/1990 (vor der Novelle BGBl. I Nr. 71/1999, vgl. deren Art. V Z 3 betreffend den zeitlichen Anwendungsbereich der geänderten Fassung des § 16 Abs. 4 RAO) lautete:

"In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs. 3 für alle darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtsanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuß."

§ 47 RAO idF BGBl. I Nr. 71/1999, lautet:

" (1) Der Bund hat dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag für die Leistungen der nach § 45 bestellten Rechtsanwälte, für die diese zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, jährlich spätestens zum 30. September für das laufende Kalenderjahr eine angemessene Pauschalvergütung zu zahlen. Auf die für das laufende Kalenderjahr zu zahlende Pauschalvergütung sind Vorauszahlungen in angemessenen Raten zu leisten.

(...)

(5) Für nach § 16 Abs. 4 erster Satz erbrachte Leistungen ist eine angemessene Pauschalvergütung gesondert festzusetzen. Diese Leistungen bleiben bei der Neufestsetzung der Pauschalvergütung nach Abs. 3 außer Betracht. Abs. 3 erster Halbsatz ist anzuwenden. Auf die mit Verordnung gesondert festzusetzende Pauschalvergütung kann der Bundesminister für Justiz dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag auf dessen Antrag für bereits erbrachte Verfahrenshilfeleistungen im Rahmen der jeweils im Bundesfinanzgesetz für diese Zwecke verfügbaren Mittel einen angemessenen Vorschuß gewähren; ist die tatsächlich festgesetzte Pauschalvergütung geringer als der gewährte Vorschuß, so hat der Österreichische Rechtsanwaltskammertag dem Bundesminister für Justiz den betreffenden Betrag zurückzuerstatten.

(...)"

Gemäß § 10 Abs. 1 der Autonomen Honorarrichtlinien der Rechtsanwaltskammern Österreichs (AHR), kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung am 23. März 1994, sind für Leistungen des Rechtsanwaltes in offiziosen Strafsachen vor den Gerichten, die nicht in § 9 erwähnt sind, die Honoraransätze der TP 1 bis 3 und TP 5 bis 9 RAT unter Zugrundelegung bestimmter Bemessungsgrundlagen für die verschiedenen Verfahren (im geschworenengerichtlichen Verfahren S 300.000,--) angemessen.

In der TP 3 A II des Rechtsanwaltstarifgesetzes (RATG), BGBl. Nr. 189/1969 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 71/1999, auf welche nach dem zitierten § 10 Abs. 1 AHR verwiesen wird, wurden für alle Tagsatzungen im Zivilprozess, soweit sie nicht unter Tarifpost 2 fielen, bestimmte Ansätze festgelegt.

TP 7 RATG lautete:

"(1) Für die Vornahme von Geschäften außerhalb der Rechtsanwaltskanzlei, die in der Regel von einem Rechtsanwaltsgehilfen besorgt werden, insbesondere für Erhebungen im Grundbuch oder sonst bei Gericht oder bei einer anderen Behörde, für die Anmeldung einer Exekution, für die Beteiligung beim Vollzug von Exekutions(Sicherungs)handlungen u. dgl. während der ganzen mit der Ausführung der Geschäfte verbrachten Zeit: für jede, wenn auch nur begonnene halbe Stunde die gleiche Entlohnung wie nach Tarifpost 6, jedoch nie mehr als 1 692 S für die halbe Stunde;

außerdem kann die Vergütung für die Benützung eines Massenbeförderungsmittels berechnet werden.

(2) Wurde ein Geschäft der in Abs. 1 bezeichneten Art durch einen Rechtsanwalt oder durch einen Rechtsanwaltsanwärter verrichtet, so gebührt das Doppelte der Entlohnung nach Abs. 1, höchstens jedoch ein Betrag von 3 382 S für die halbe Stunde, sofern die Vornahme des Geschäftes durch den Rechtsanwalt oder durch den Rechtsanwaltsanwärter im einzelnen Fall erforderlich war.

(3) Nach Abs. 2 sind auch solche außerhalb der Kanzlei verrichteten Geschäfte zu entlohnen, die unter keine andere Tarifpost fallen und regelmäßig durch einen Rechtsanwalt oder durch einen Rechtsanwaltsanwärter vorgenommen werden, z. B. Aktenstudium bei Behörden, Kommissionen zum Referenten, Vornahme eines außergerichtlichen Augenscheins zu Informationszwecken u. dgl."

3. Es ist unbestritten, dass dem Beschwerdeführer auf Grund der von ihm erbrachten Leistungen in dem gegenständlichen Strafverfahren im Rahmen von mehr als zehn Verhandlungstagen grundsätzlich Anspruch auf eine angemessene Vergütung seiner diesen Schwellenwert überschreitenden Leistungen zusteht (vgl. diesbezüglich das hg. Erkenntnis vom 4. November 2002, Zl. 2000/10/0050).

Strittig ist jedoch die Höhe der dem Beschwerdeführer gemäß § 16 Abs. 4 RAO gebührenden angemessenen Vergütung für die Leistungen anlässlich der in Thailand geführten Vernehmungen und Beweisaufnahmen.

4. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis vom 4. November 2002 ausgesprochen hat, ist im Sinne von § 16 Abs. 4 RAO jene Vergütung "angemessen", die sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme darauf, was in gleich gelagerten Fällen geschieht, ergibt. Bei der Bemessung ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Vergütung nicht zuletzt der Abwendung der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Februar 1991, VfSlg. 12.638/1991, dargelegten Auswirkungen der Belastung der Rechtsanwälte durch überlange Verfahren, die bis zur Existenzbedrohung gehen können, dient.

Bei der dem Beschwerdeführer nach § 16 Abs. 4 RAO von der Rechtsanwaltskammer zuzusprechenden "angemessenen Vergütung" handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. Dieser ist von der Behörde nach der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nach den im Gesetz auffindbaren Wertungsrichtlinien auszufüllen und in einer der Kontrolle durch die Gerichtshöfe zugänglichen - daher schlüssigen und objektiv nachvollziehbaren - Weise im Einzelfall zu konkretisieren.

Als Orientierungsrichtlinie für die Bemessung der Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO kommen nach dem zitierten hg. Erkenntnis vom 4. November 2002 zweckmäßiger Weise die Bestimmungen des RATG und der AHR, welche nach ihrer Präambel von den Rechtsanwaltskammern Österreichs im Falle einer Begutachtung der Angemessenheit von Entlohnungen für rechtsanwaltliche Tätigkeiten nach § 28 Abs. 1 lit. f RAO zur Anwendung kommen sollen, in Betracht.

Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach § 16 Abs. 4 RAO die Kammer nicht etwa die angemessene Entlohnung eines Wahlverteidigers, der auf Grund vertraglicher Vereinbarung mit seinem Klienten tätig wurde, zu bemessen hat, sondern eine angemessene Vergütung für einen gemäß § 41 StPO vom Gericht beigegebenen und gemäß § 45 RAO von der Rechtsanwaltskammer bestellten Rechtsanwalt, der somit auf Grund eines öffentlichrechtlichen Pflichtenverhältnisses an der Rechtspflege tätig wird, festzusetzen hat.

Maßgeblich ist somit, in welcher Höhe die Vergütungen für gemäß § 45 RAO bestellte Rechtsanwälte in Fällen mit vergleichbarem Leistungsumfang bemessen werden.

5. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie sich bei der Bemessung der Vergütung für die in Rede stehende Tätigkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der "Gerichtsdelegation" (Intervention als Verteidiger bei Vernehmungen und sonstigen Untersuchungshandlungen), die hinsichtlich der durchgeführten Vernehmungen in inhaltlicher Hinsicht der Teilnahme an einer Gerichtstagsatzung entspricht, an TP 3 A RATG orientiert hat. Dabei ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass in rechtlicher Hinsicht die gegenständlichen Vernehmungen als polizeiliche Vernehmungen unter thailändischer Hoheitsgewalt zu qualifizieren waren (OGH 9. November 1999, 14 Os 77/99). Da die Bestimmungen des RATG und der AHR nach dem Vorgesagten nur eine Orientierungshilfe bei der Bemessung der angemessenen Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO darstellen, ist es nicht entscheidungserheblich, ob TP 3 A RATG bei der angemessenen Entlohnung eines Wahlverteidigers zur Anwendung kommen könnte oder ob, wie der Beschwerdeführer meint, für sämtliche Tätigkeiten TP 7 RATG anzuwenden wäre. Es stellt sich daher auch nicht die Frage, welche Bedeutung es in einem Fall wie dem vorliegenden hat, dass - wie die belangte Behörde unter Hinweis auf die Entscheidung des OGH vom 20. Dezember 1989, 3 Ob 555/89, zutreffend festgestellt hat - die Entlohnung nach TP 7 nur für Geschäfte zu erfolgen hat, die unter keine andere Tarifpost fallen (es ist nicht letztentscheidend, ob tatsächlich eine andere TP zum Tragen kommt).

6. Die belangte Behörde zog bei der Berechnung der "ungekürzten" Vergütung die Bestimmungen der AHR (vgl. § 10 AHR für die nicht in § 9 AHR erwähnten Leistungen in offiziosen Strafsachen) in Verbindung mit den in TP 3 A und TP 7 RATG vorgesehenen Ansätzen heran und billigte dem Beschwerdeführer für die von ihm in Thailand im Zusammenhang mit den dort durchgeführten Beweisaufnahmen an den Tagen vom 27. Oktober 1998 bis zum 29. Oktober 1998 erbrachten Leistungen eine Vergütung in der Höhe von ungekürzt brutto S 101.010,-- zu.

Dass die belangte Behörde damit nicht die Kostensätze der TP 7 RATG auch für die gesamte Zeitversäumnis (wie dies nach der Rechtsprechung des OGH bei der Entlohnung nach TP 7 RATG geboten ist) für die Teilnahme an der "Gerichtsdelegation" angewendet hat, begegnet im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage für die Bemessung der angemessenen Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO keinen Bedenken.

7. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. September 2003

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000100121.X00

Im RIS seit

23.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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