TE OGH 1989/12/20 3Ob555/89

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Veröffentlicht am 20.12.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Günther S***, Rechtsanwalt, Salzburg, Giselakai 51, wider die beklagte Partei Dieter S***, Bürokaufmann ohne Beschäftigung, Wien 4., Weitlingeyrgasse 37/3/1a, vertreten durch Dr. Ronald Klimscha, Rechtsanwalt in Steyr, wegen restl. 197.132,40 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28.Februar 1989, GZ 4 R 8/89-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 17.Oktober 1988, GZ 4 Cg 234/87-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird teilweise bestätigt und teilweise abgeändert, sodaß es unter Einbeziehung der in Rechtskraft erwachsenen Teile der Urteile beider Vorinstanzen zu lauten hat:

"Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen 133.066,20 S samt 4 % Zinsen seit 15.8.1986 zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 66.670,70 S sA wird abgewiesen."

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen an Kosten des Verfahrens erster Instanz 10.295,29 zu bezahlen. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der in Salzburg ansässige klagende Rechtsanwalt verteidigte den Beklagten in einem beim Landesgericht Innsbruck anhängig gewesenen Strafverfahren wegen schweren Raubes. Er begehrte ein Honorar von 199.736,90 S.

Der Beklagte wendete ein, das begehrte Honorar sei weit überhöht, und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von 76.352,40 S statt und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte dieses nur vom Kläger bekämpfte Urteil dahin ab, daß dem Klagebegehren mit 197.132,40 S stattgegeben und nur ein Mehrbegehren von 2.604,50 S abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt der Beklagte Revision, soweit dem Kläger mehr als 76.352,40 S zugesprochen wurden. Über die in der Honorarnote des Klägers verzeichneten Leistungen herrscht im Revisionsverfahren kein Streit. Strittig ist nur die Auslegung des Rechtsanwaltstarifes.

Das Erstgericht vertrat die Auffassung, dem Kläger gebührten für die zwei Hauptverhandlungen, die Wartezeit dazu, die Rechtsmittelanmeldung, die Berufungsausführung und die Berufungsverhandlung jeweils die vom Kläger angesprochenen Beträge zuzüglich Einheitssatz; sechs Besprechungen mit dem Beklagten, die an sich nach Tarifpost 8 RAT zu entlohnen wären, fielen unter den Einheitssatz; lediglich für die erste Akteneinsicht und die Herstellung von Kopien stünden Gebühren nach Tarifpost 7 RAT zu. Das Berufungsgericht folgte hingegen der Ansicht des Klägers, daß alle Besprechungen nach Tarifpost 7 und nicht nach Tarifpost 8 zu entlohnen seien und daher nicht unter den Einheitssatz fielen. Der Unterschied der beiden Tarifposten liege nur darin, ob die Besprechungen in der Kanzlei des Rechtsanwaltes oder außerhalb derselben stattfänden. Die Gebühren nach Tarifpost 7 wurden dabei, der Honorarnote des Klägers folgend, nicht nur für die Vornahme der Besprechungen selbst, sondern auch für die mit der Hin- und Rückfahrt Salzburg-Innsbruck verbrachte Zeit zugesprochen. (Der auch vom Berufungsgericht abgewiesene Teilbetrag von 2.604,50 S bezieht sich auf Barauslagen.)

In der Revision vertritt der Beklagte die Meinung, daß dem Kläger wegen der Verzeichnung der Einzelleistungen kein Einheitssatz gebühre. Die Kommissionen seien nach Tarifpost 8 und nicht nach Tarifpost 7 zu entlohnen. Die Kosten könnten nur für die Dauer der Besprechung selbst zugesprochen werden, nicht für die Zeitversäumnis oder Fahrtzeiten, wofür nur die Ansätze nach Tarifpost 9 zustünden. Dem Kläger würden nach dieser Berechnung nur 69.039,60 S, also weniger als schon vom Erstgericht zugesprochen, gebühren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Die Entlohnung des Klägers für die Vertretung in einer offiziosen Strafsache hat mangels einer anderen Vereinbarung nach den von der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages im Sinne des § 37 Z 4 RAO beschlossenen Autonomen Honorar-Richtlinien (AHR) zu erfolgen (SZ 51/27). Für die Verrichtung der Haftprüfungsverhandlung, der Hauptverhandlung und der Berufungsverhandlung sowie für die Anmeldung und Ausführung der Berufung gebühren demnach die jeweils nicht strittigen Ansätze nach § 9 Abs 1 AHR.

Für die im § 9 AHR nicht erwähnten Leistungeg, nämlich die Kommissionen, steht dem Rechtsanwalt gemäß § 10 Abs 1 AHR die Entlohnung nach den Honoraransätzen der Tarifposten 1 bis 3 und 5 bis 9 RAT zu, wobei im geschwornengerichtlichen Verfahren von einer Bemessungsgrundlage von 300.000 S auszugehen ist.

Besprechungen des Rechtsanwaltes mit dem von ihm verteidigten Mandanten sind nach Tarifpost 8 RAT zu entlohnen, gleichgültig, ob sie in der Kanzlei des Rechtsanwaltes oder außerhalb derselben stattfinden. Eine Entlohnung nach den ersten beiden Absätzen von Tarifpost 7 RAT scheidet schon deshalb aus, weil solche Besprechungen nicht "in der Regel von einem Rechtsanwaltsgehilfen besorgt werden" (Absatz 1) und nicht nur "im einzelnen Fall" (Absatz 2) die Verrichtung durch den Rechtsanwalt oder den Rechtsanwaltsanwärter erforderlich ist. Tarifpost 7 Abs 3 RAT bezieht sich demgegenüber auf außerhalb der Kanzlei verrichtete Geschäfte, die regelmäßig durch einen Rechtsanwalt oder Rechtsanwaltsanwärter vorgenommen werden; sie kommt aber nach ihrem klaren Wortlaut nur für die Entlohnung von Geschäften in Betracht, die unter keine andere Tarifpost fallen. Für Besprechungen "aller Art", also auch für Besprechungen, welche außerhalb der Kanzlei stattfinden, gibt es aber eine solche "andere Tarifpost", nämlich die Tarifpost 8. Ähnlich den Tarifposten 2 bis 4 RAT, die regelmäßig Geschäfte eines Rechtsanwaltes betreffen, die er außerhalb seiner Kanzlei verrichtet, ist auch Tarifpost 8 gegenüber Tarifpost 7 die spezielle Norm. Der erkennende Senat schließt sich daher der kürzlich vom ersten Senat vertretenen Auffassung (RZ 1989/56) an, daß auch Besprechungen außerhalb der Rechtsanwaltskanzlei nach Tarifpost 8 RAT zu entlohnen sind. Der Mehraufwand des Rechtsanwaltes an Zeitversäumnis wird hier nur durch die allerdings recht niedrigen, aber immerhin vorgesehenen Ansätze nach Tarifpost 9 Z 4 RAT abgegolten.

Die Entlohnung nach Tarifpost 8 betrug bis 31.3.1985 (BGBl.1985/102) 299 S (bis 25.000 S) und für je angefangene weitere 20.000,- S also 14 x 61 S = 854 S, zusammen 1.153 S pro halbe Stunde, seit 1.4.1985 344 S + 14 x 71 S = 994 S, zusammen 1338 S. Ein Teil der verrechneten Zeiten wurde hier aber nicht für Besprechungen mit dem Klienten aufgewendet, sondern für Interventionen bei Gericht, das Aktenstudium und die Anfertigung von Kopien; diese Tätigkeiten sind jeweils nach TP 7/3 RAT zu entlohnen (vgl dort zB: Kommissionen zum Referenten).

Die Entlohnung nach TP 7 Abs 2 und 3 (= das Vierfache von TP 5)

betrug bis 31.3.1985 240 S (bis 40.000 S) und für je angefangene

weitere 20.000,- S also 13 x 68 S = 884 S, zusammen 1.124 S pro

halbe Stunde, seit 1.4.1985 276 S plus 13 x 80 S = 1.040 S, zusammen

1.316 S.

Bei den nach Tarifpost 8 zu entlohnenden Besprechungen gebührt außer der Entlohnung für die Vornahme des Geschäftes eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach Tarifpost 9 Abs 4 RAT, wenn wie hier der Ort der Geschäftsvornahme vom Ort, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwalts befindet, mehr als 2 km entfernt ist. Die Entschädigung für Zeitversäumnis betrug bis 31.3.1985 101 S pro begonnene Stunde, seit 1.4.1985 117 S.

Bei der Entlohnung nach Tarifpost 7 besteht das bekannte Problem, ob die Ansätze dieser Tarifpost auch für die nicht mit der Ausführung der Geschäfte selbst verbrachte Zeit gebühren, oder ob hier eine Entschädigung für Zeitversäumnis wegen der in TP 9 Abs 4 enthaltenen Ausnahme überhaupt nicht gebührt. Die Rechtslage ist hier, wie widersprüchliche Aussagen in der Lehre und der zweitinstanzlichen Rechtsprechung zeigen, alles andere als klar (Hule, ÖJZ 1962, 85 Ä88 fÜ; Gebauer, Anw. 1985, 181; MietSlg 38.846, 39.840 im Ggs zu MietSlg 38.847 ua; zuletzt OLG Innsbruck EvBl 1989/174 mwN; aM Hopmeier, AnwBl.1987, 615).

Der seit der Verordnung BGBl.1954/33 geltende Wortlaut der Bestimmung spricht eher für die Auslegung, daß die Zeitversäumnis bei Geschäften nach Tarifpost 7 in gleicher Weise wie die Vornahme des Geschäftes selbst zu entlohnen ist. Die Entlohnung gebührt nämlich hier für die "Vornahme" der Geschäfte außerhalb der Rechtsanwaltskanzlei während der ganzen, mit der "Ausführung" der Geschäfte verbrachten Zeit. "Mit der Ausführung des Geschäftes" in einem weiteren Sinn sind auch die Wegzeiten verbracht. Das Wort "ganzen" aber wäre bedeutungslos, wenn im Sinne der Gegenmeinung die Reisezeiten nicht honoriert würden; eine Entlohnung nur für einen Teil der mit der Ausführung des Geschäftes selbst verbrachten Zeit wäre unverständlich. Auch der Hinweis des OLG Innsbruck (in der oben zitierten Entscheidung), wonach damit klargestellt sein könnte, daß die Entlohnung für jede Zeiteinheit in gleicher Höhe gebühre, ist nicht zielführend, weil sich letzteres aus den Folgeworten "für jede...halbe Stunde" ergibt, die im deutlichen Gegensatz zur Regelung etwa der TP 2 und 3 über verschieden hohe Ansätze für die erste und jede weitere Stunde stehen. Der Vergleich mit Tarifpost 9 Abs 4 RAT zeigt in die selbe Richtung: Dort gebührt - bei Vornahme von Geschäften in gerichtlichen Verfahren außerhalb des Ortes, an dem sich die Kanzlei des Rechtsanwaltes befindet, - außer der Entlohnung für die "Vornahme" des Geschäftes, aber ausdrücklich mit Ausnahme der Geschäfte, die unter Tarifpost 7 fallen, eine Entschädigung für Zeitversäumnis für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, die auf dem Wege zum oder vom Ort der Geschäftsvornahme oder an diesem Ort außer der für die Vornahme des Geschäftes selbst erforderlichen Zeit zugebracht wurde. Der Rechtsanwaltstarif unterscheidet also zwischen der für die Vornahme des Geschäftes "selbst" erforderlichen und der "ganzen" mit der Ausführung der Geschäfte verbrachten Zeit. Die beiden Vorschriften ergänzen einander, weil eine besondere Entlohnung für Zeitversäumnis nach der Tarifpost 9 Abs 4 entfällt, wenn ohnehin die ganze, mit der Ausführung des Geschäftes verbundene Zeit nach Tarifpost 7 zu entlohnen ist.

Für eine gegenteilige Auslegung könnte allerdings sprechen, daß nach Tarifpost 7 zwar die ganze, aber nur die mit der "Ausführung" der Geschäfte verbrachte Zeit zu honorieren ist, wenn dieses Wort eng nur für die Vornahme des Geschäftes selbst verstanden wird. Dann würde aber nach Tarifpost 9 Z 4 für Leistungen nach Tarifpost 7 eine Entschädigung für Zeitversäumnis überhaupt nicht gebühren, was dem Willen des Gesetzgebers kaum entsprechen kann. Ein Argument gegen die Honorierung der Zeitversäumnis für Wegzeiten nach der Tarifpost 7 ist schließlich noch der Umstand, daß die Reisezeit bei einer solchen Honorierung und höherem Streitwert unverhältnismäßig höher wiegt als bei sonstigen, an sich höherwertigen Verrichtung wie nach Tarifpost 3; sie beträgt nämlich bis zu 8.232 S pro Stunde

(= Höchstbetrag von 2.744 S nach TP 7/2 pro halbe

Stunde x 2 = 5.488 S plus 50 % Einheitssatz) statt der nach

Tarifpost 9 zustehenden streitwertunabhängigen 117 S. Dieser arge Widerspruch wird aber dadurch entschärft, daß die Vornahme des Geschäftes "selbst" nach TP 3 bis zu 137.117 S pro Stunde entlohnt werden kann, nach TP 7 aber auch sie nur bis 8.232 S. Das Fehlen einer Bestimmung über die Entlohnung von Wartezeiten ist hingegen kein Argument für eine einschränkende Auslegung, zumal auch sie zur "ganzen" mit der Ausführung der Geschäfte verbrachten Zeit gezählt werden können.

Die Vorgängerbestimmungen der heutigen TP 7 wiesen allerdings noch einen eindeutigen Text in der Richtung auf, daß die Entlohnung auch für die Zeitversäumnis zustand. In der Verordnung RGBl.1890/129 und folgenden Tarifen hieß es in der, der jetzigen TP 7 entsprechenden Tarifpost 13: "...für die Vornahme von Geschäften...einschließlich der Zeitversäumnis.... während der ganzen Zeit der durch das Geschäft veranlaßten Abwesenheit", und in der der jetzigen Tarifpost 9 Z 4 entsprechenden Tarifpost 14 d:

"....sofern das Geschäft einschließlich der Zeitversäumnis nicht nach Tarifpost 13 zu entlohnen ist". In der Verordnung StGBl.1924/121 entfielen zwar in der der jetzigen TP 7 entsprechenden Tarifpost 9 die Worte "einschließlich der Zeitversäumnis" und es wurde der zweite Satzteil in die Worte:

"während der ganzen mit der Ausführung des Geschäftes (hier noch Einzahl) verbrachten Zeit" verändert; die der jetzigen TP 9 Z 4 entsprechende Tarifpost 10 IV behielt aber die alte Fassung bei:

"sofern das Geschäft einschließlich der Zeitversäumnis nicht nach Tarifpost 9 zu entlohnen ist".

Gründe, die im Jahr 1954 zur Einführung des Plurals "Geschäfte" in der jetzigen Tarifpost 7 und zur Eliminierung des Zusatzes "einschließlich der Zeitversäumnis" in Tarifpost 9 führten, sind nicht bekannt. Der Höhe nach blieb aber damals die Entlohnung der vorher nach Maßgabe der Verordnungen BGBl 1951/125 und 1951/222 geltenden nahezu gleich.

Da im gewissen Maß beide Auslegungsmöglichkeiten unbillig sind und der Gesetzgeber trotz Kenntnis der widersprechenden Judikatur der Gerichte zweiter Instanz bisher untätig blieb, muß der Versuch einer sinnvollen Auslegung gemacht werden. In Abwägung aller Umstände gelangt der erkennende Senat zum Ergebnis, daß es dem Willen des Gesetzgebers vermutlich eher entspricht und systemgerechter ist, bei Geschäften nach TP 7 auch die Zeitversäumnis nach den dortigen Kostensätzen zu entlohnen. Neben der Wortauslegung spricht dafür einerseits die historische Entwicklung; denn es ist nicht anzunehmen, daß im Jahr 1954 oder im Jahre 1969 eine radikale Kürzung der bis dahin auch für die Wegzeiten nach TP 7 zustehenden Anwaltsgebühren beabsichtigt war; und andererseits auch die Überlegung, daß eine gänzliche Nichtentlohnung solcher Wegzeiten (die wie hier ein bedeutendes Ausmaß annehmen können) der Interessenabwägung weniger gerecht werden kann als eine nicht ganz ins sonstige System passende Höherentlohnung der Zeitversäumnis bei Geschäften nach Tarifpost 7. Auch der erste Senat hat kürzlich in der schon angeführten Entscheidung RZ 1989/56, allerdings ohne nähere Ausführungen, denselben Standpunkt vertreten.

Ein zusätzlicher Unterschied zwischen der Entlohnung nach Tarifpost 7 und 8 ergibt sich daraus, daß gemäß dem hier nach § 11 AHR sinngemäß anzuwendenden § 23 Abs 1 RATG bei der Erbringung von Leistungen nach Tarifpost 7 ein Einheitssatz zusteht, und zwar auch für den Teil der Verdienstsumme, der sich wie hier auf eine mit der Hin- und Rückreise verbrachte Zeit bezieht (denn die in § 23 Abs 3 RATG genannte "Zeitversäumnis" meint zweifellos nur die nach Tarifpost 9 zu entlohnende Zeitversäumnis im engeren Sinn), daß aber bei der Erbringung von Leistungen nach Tarifpost 8 kein solcher Einheitssatz gebührt. Bei der Entlohnung nach Tarifpost 8 stehen somit für die Dauer der Besprechung die Ansätze nach Tarifpost 8 ohne Einheitssatz und für die Fahrzeit die Ansätze nach Tarifpost 9 zu. Bei der Entlohnung nach Tarifpost 7 gebühren die Ansätze nach Tarifpost 7 plus Einheitssatz sowohl für die eigentliche Verrichtung des Geschäftes als auch für die nur mit der Hin- und Rückfahrt verbrachte Zeit.

Zu beachten ist schließlich, daß die nach Tarifpost 8 zu entlohnenden Einzelleistungen gemäß § 23 Abs 1 RATG durch den Einheitssatz abgegolten werden, wenn der Rechtsanwalt nicht gemäß § 23 Abs 2 RATG gegenüber der von ihm vertretenen Partei statt des Einheitssatzes die einzelnen Nebenleistungen verrechnet. Macht der Rechtsanwalt sowohl den Einheitssatz als auch die einzelnen Leistungen geltend, dann tritt keine Präklusion der einen oder anderen Berechnungsart ein, sondern es sind die Gebühren nach dem für den Rechtsanwalt günstigeren höheren Ergebnis zu bestimmen (EvBl 1977/6).

Im vorliegenden Fall sind die Ansätze nach Tarifpost 8 insgesamt niedriger als der vom Kläger für die Hauptverhandlung und Berufungsverhandlung begehrte Einheitssatz, sodaß für jene Kommissionen, die nur eine Besprechung betrafen, statt TP 7 oder 8 nur die Entschädigung für die jeweils 4 Stunden betragende Zeitversäumnis nach Tarifpost 9 zuzuerkennen ist. Bei den Kommissionen, mit denen Geschäfte nach Tarifpost 7 und Tarifpost 8 verbunden waren, ist die Fahrzeit der Entlohnung nach Tarifpost 7 zuzuordnen, weil sie auch bei bloß dieser Verrichtung in gleicher Dauer angefallen wäre. Soweit nicht aufgeschlüsselt wurde, welche Zeiträume jeweils auf die Besprechung und auf sonstige Verrichtungen entfielen, ist jeweils die Hälfte der Zeit der einen und der anderen Tätigkeit zuzuordnen.

Daraus ergibt sich, daß das Honorar des Klägers wie folgt zu berechnen ist:

1)

Kommission 8.10.1984:

   a) 3/2 Std Besprechung (TP 8) = 3 mal

1.153,- S, ds 3.459,- S, finden im

Einheitssatz zu Punkt 6 b Deckung

   b) 11/2 Std sonstige Verrichtung und

Fahrzeit (TP 7) = 11 mal 1.124         12.364,-- S

   c) zuzüglich 50 % Einheitssatz aus b)      6.182,-- S

2) Kommission 22.10.1984:

   a) 4/2 Std Besprechung (TP 8) = 4 mal

  1.153 S, ds 4.612 S, finden im Ein-

  heitssatz zu Punkt 6 b Deckung

   b) 12/2 Std sonstige Verrichtung und

  Fahrzeit (TP 7) = 12 mal 1.124 S      13.488,-- S

   c) zuzüglich 50 % Einheitssatz aus b)     6.744,-- S

3) Haftprüfungsverhandlung 14.11.1984:

   a) laut Honorarnote                       1.380,-- S

   b) zuzüglich 100 % Einheitssatz           1.380,-- S

4) Kommission 22.4.1985:

   (vom Berufungsgericht durch ergänzende

   Feststellungen als erwiesen angenommen)

   a) 2/2 Std Besprechung (TP 8) = 2 mal

  1.338 S, ds 2.676 S, finden im Einheits-

  satz zu Punkt 6 b Deckung.

   b) 10/2 Std sonstige Verrichtung und

  Fahrzeit (TP 7) = 10 mal 1.316 S      13.160,-- S

   c) zuzüglich 50 % Einheitssatz aus b)     6.580,-- S

5) Kommission 24.4.1985:

   3/2 Std Besprechung (TP 8) = 3 mal

   1.338 S, ds 4.014 S, finden im Einheits-

   satz zu Punkt 6 b Deckung.

   (Zeitversäumnis nicht verzeichnet)

6) Hauptverhandlung 25.4.1985:

   a) laut Honorarnote                      17.145,-- S

   b) zuzüglich 100 % Einheitssatz aus a)   17.145,-- S

  (Die Summe aus den nach TP 8 zu ent-

  lohnenden Besprechungen zu Punkt 1 a

  2 a, 4 a und 5 beträgt nur 14.761 S)

   c) Wartezeit                                299,-- S

   d) Einheitssatz aus c)                      299,-- S

7) Rechtsmittelanmeldung 29.4.1985:

   a) laut Honorarnote                       2.080,-- S

   b) Einheitssatz aus a)                    1.040,-- S

8) Kommission 13.5.1985:

   a) 1/2 Std Besprechung (TP 8) = 1.338 S,

  findet im Einheitssatz zu Punkt 10 b

  Deckung.

   b) Zeitversäumnis für 4 Stunden Fahrt

  (TP 9) = 4 mal 117 S                     468,-- S

9) Verfassung der Berufung 20.5.1985:

   a) laut Honorarnote                       5.720,-- S

   b) Einheitssatz aus a)                    2.860,-- S

10) Berufungsverhandlung 10.7.1985:

   a) laut Honorarnote                       5.720,--

   b) Einheitssatz aus a)                    5.720,-- S

  (Die Summe aus den nach TP 8 zu ent-

  lohnenden Besprechungen zu Punkt 8 a

  und 11 a beträgt nur 4.014 S)

11) Kommission 15.7.1985:

   a) 2/2 Std Besprechung (TP 8) = 2 mal

  1.338 S, ds 2.676,- S, finden im

  Einheitssatz zu Punkt 10 b Deckung.

   b) Zeitversäumnis für 4 Stunden Fahrt       468,-- S

  (TP 9) = 4 mal 117 S

das sind zusammen:                         120.242,-- S

plus 10 % Umsatzsteuer hieraus              12.024,20 S

plus Barauslagen                               800,-- S

damit insgesamt:                           133.066,20 S

                                       ============

In erster Instanz ist damit der Kläger mit etwa zwei Dritteln

durchgedrungen und hat gemäß § 43 Abs 1 ZPO Anspruch auf Ersatz von

einem Drittel seiner Kosten ohne Pauschalgebühr und von zwei

Dritteln der von ihm allein entrichteten Pauschalgebühr. Die beiden

Schriftsätze sind nach Tarifpost 1 zu entlohnen. Dies ergibt eine

Verdienstsumme von 18.623,50 S plus 10 % Umsatzsteuer 1.862,35 S ist

20.485,85 S, davon ein Drittel ist 6.828,62 S plus zwei Drittel der

Pauschalgebühr von 5.200 S ist 3.466,67 S, zusammen 10.295,29 S.

Im Berufungs- und Revisionsverfahren ist der Kläger jeweils mit etwa der Hälfte durchgedrungen, sodaß es hier gemäß den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO zur gegenseitigen Kostenaufhebung kommt.

Anmerkung

E19230

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0030OB00555.89.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19891220_OGH0002_0030OB00555_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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