TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/24 2001/13/0129

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Veröffentlicht am 24.09.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §212a Abs2 lita;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde der J GmbH in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Wirtschaftsprüfer in 1090 Wien, Berggasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. März 2001, Zl. RV/27-10/01, betreffend Aussetzung der Einhebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden Gesellschaft, welche das Gastgewerbe betreibt, wurde im zweiten Halbjahr 1999 gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG eine Buch- und Betriebsprüfung über die Jahre 1995 bis 1997 durchgeführt. Im Bericht darüber hielt der Prüfer u.a. fest, dass eine Auswertung von Kontrollmaterial betreffend die Warenlieferungen einer Brauerei an die Beschwerdeführerin ergeben habe, bestimmte Wareneinkäufe, nämlich die im Kontrollmaterial als sogenannte "Letztverbraucherlieferungen" angeführten Waren, seien in den Büchern der Beschwerdeführerin nicht erfasst worden, ihr jedoch tatsächlich zuzurechnen. Die Beschwerdeführerin sei im Prüfungszeitraum Kundin der Brauerei gewesen und habe von dieser neben Fass- und Flaschenbier auch verschiedene alkoholfreie Getränke bezogen. Im Gerichtsauftrag bei der Brauerei durchgeführte Hausdurchsuchungen hätten zur Beschlagnahme von EDV-Datenbeständen und Unterlagen geführt, welche eindeutig beweisen würden, dass die Beschwerdeführerin nicht nur offizielle Lieferungen erhalten, sondern auch über Scheinkunden ("Dummykunden") Waren bezogen habe. Bei der Abwicklung der Wareneinkäufe sei derart vorgegangen worden, dass die Beschwerdeführerin ihre offizielle Bestellung in der telefonischen Bestellannahmestelle der Brauerei deponiert habe. Diese Bestellung sei sofort in die EDV der Brauerei zur offiziellen Kundennummer eingegeben worden. Zusätzlich habe die Kundin die inoffiziellen Warenmengen bestellt, welche von den Mitarbeitern der Bestellannahme der Brauerei ebenfalls in die EDV eingegeben, jedoch einer fingierten Kundennummer und einem fingierten Kundennamen zugeordnet worden seien. Die Beschwerdeführerin habe neben den offiziellen Wareneinkäufen unter ihrer Kundennummer auch Bier und alkoholfreie Getränke unter den "Dummynummern" X, lautend auf "P", sowie Y unter der Bezeichnung "C" bezogen. Nach Bestellschluss sei automatisch die Erstellung der Ladelisten und der "Kundenanfahrtslisten" sowie auf Grund dieser Unterlagen die Beladung der LKW erfolgt. Am nächsten Morgen habe der Fahrer durch seine jahrelange Erfahrung bzw. auch infolge der meist aufsteigenden Lieferschein- und Rechnungsnummern die bestellte Ware ausliefern können. Die Prüfungsabteilung habe des weiteren Zeugeneinvernahmen mit in verschiedenen Bereichen der Brauerei tätigen Mitarbeitern durchgeführt. Mit Hilfe dieser Niederschriften, welche dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin im Zuge der Betriebsprüfung in Ablichtung ausgehändigt worden seien, habe das von der Prüfungsabteilung aufgezeigte Schema von der Anlage der Dummynummer über die Bestellung, die Auslieferung bis hin zur Verbuchung bestätigt werden können. Bei der Ermittlung der Kalkulationsdifferenzen, welche ausschließlich die bis dato noch nicht erklärten Wareneinkäufe zum Inhalt gehabt hätten, sei wie folgt vorgegangen worden: Als erster Schritt sei der laut Buchhaltung erklärte Wareneinsatz ermittelt worden. Die kalkulatorischen Abgrenzungsposten (Eigenverbrauch sowie verbilligte Warenabgabe an verschiedene Musiker und deren Gäste) seien sowohl mengen- als auch wertmäßig an Hand der vorgelegten Hilfsaufzeichnungen der Beschwerdeführerin ermittelt worden. Die Nettogesamterlöse laut Erklärung seien an Hand der Gewinn- und Verlustrechnungen 1995 bis 1997 sowie mit Hilfe der Hilfsaufzeichnungen betreffend die Konsumation der Musiker und deren Gäste erfasst worden. Die erklärten Rohaufschlagskoeffizienten für die geprüften Jahre seien somit durch eine Gegenüberstellung des offiziellen Wareneinsatzes (u.a. unter Berücksichtigung der kalkulatorischen Abgrenzungsposten) und der erklärten Erlöse laut Gewinn- und Verlustrechnungen (Erlöse "Kunden" sowie Erlöse "Musiker und deren Gäste") errechnet worden. Die nicht erfassten inoffiziellen Wareneinkäufe seien nach Berücksichtigung eines 3 %igen Schwundes und nach Abzug der Getränkesteuer mit diesen ermittelten Rohaufschlagskoeffizienten hochgerechnet und auf diese Weise seien die Umsatzerhöhungen errechnet worden. Diese Umsatzerhöhungen gliederte der Prüfer nach Warenbezeichnungen (Fassbier-Spezial, Fassbier-Pils, verschiedene Biermarken, Mineralwasser (Liter), Mineralwasser (0,25 l), sowie weitere Getränke) auf. Auf Grund dieser Umsatzhinzurechnungen gelangte der Prüfer zu Gewinnerhöhungen, welche er als verdeckte Ausschüttungen wertete.

Das Finanzamt erließ Bescheide, welche in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten sind, von deren Bestand die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde jedoch unstrittig ausgehen, weshalb auch der Verwaltungsgerichtshof keinen Zweifel an deren Rechtswirksamkeit hegt, und welche offensichtlich auf die Prüferfeststellungen verwiesen. Demnach setzte das Finanzamt fest:

Die Umsatzsteuer 1995 bis 1997 und die Körperschaftsteuer 1995 mit Bescheiden vom 29. Februar 2000, die Körperschaftsteuer 1996 mit Bescheid vom 6. Februar 2000, die Körperschaftsteuer 1997 mit Bescheid vom 31. März 2000, die Kapitalertragssteuer 1995 bis 1997 mit Bescheiden vom 20. März 2000 und Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 1995 bis 1997 und Jänner bis Juni 1998 sowie zur Kapitalertragsteuer 1997 mit Bescheiden vom 10. März 2000.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin und beantragte jeweils die Aussetzung der Einhebung: Mit Schriftsatz vom 6. März 2000 gegen die Bescheide über die Umsatzsteuer 1995 bis 1997 und die Kapitalertragsteuer 1995, mit Berufung vom 9. März 2000 gegen den Bescheid über die Körperschaftsteuer 1996, mit Berufung vom 14. März 2000 gegen die Bescheide über die Säumniszuschläge betreffend Umsatzsteuer 1995 bis 1997 und Jänner bis Juni 1998 sowie Kapitalertragsteuer 1997, mit Berufung vom 27. März 2000 gegen die Bescheide über die Kapitalertragsteuer 1995 bis 1997 und mit Berufung vom 5. April 2000 gegen den Bescheid über die Körperschaftsteuer 1997.

Die Berufungen vom 6. März, 9. März und 14. März 2000 sind damit begründet, dass der Beschwerdeführerin weder eine Begründung der bekämpften Bescheide noch der Betriebsprüfungsbericht zugegangen seien. Die Berufung vom 27. März 2000 ist in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten, doch gehen sowohl Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde von deren Bestand aus, weshalb der Verwaltungsgerichtshof an der Existenz der Berufung nicht zweifelt.

In der Berufung vom 5. April 2000, welche die Beschwerdeführerin auch als Ergänzung der früheren, einzeln angeführten Berufungen bezeichnet, brachte sie vor, dass sie im gesamten Prüfungszeitraum niemals Fassbier in der Qualitätsstufe Pils bezogen und solches Bier niemals verkauft habe. Dasselbe gelte für das Mineralwasser in Flaschen zu 0,25 l sowie für eine bestimmte Biermarke. Bier dieser Marke sei bei der Beschwerdeführerin überhaupt nicht verkauft worden, das Mineralwasser werde aus der Literflasche in Gläser ausgeschenkt. Ein weiteres alkoholfreies Getränk werde in einer Postmixanlage hergestellt und nicht in Flaschen zu 0,2 l bezogen. Die beiden genannten alkoholfreien Getränke würden in Flaschen überhaupt nicht angeboten, weil die entsprechende Lagerkapazität nicht zur Verfügung stehe. Es müsse nämlich bedacht werden, dass die von der Betriebsprüfung besichtigten Lagerräume des Lokals räumlich so beschränkt seien, dass nur bestimmte Warengruppen geführt werden könnten. Dies gelte auch für das Fassbier der Sorte Pils bzw. für das Bier der angeführten Marke, von welchem die Beschwerdeführerin annehme, dass dieses in Flaschen geliefert werde (es sei ja nicht einmal bekannt, in welcher Form diese Biersorte an gastronomische Betriebe geliefert werde).

Des Weiteren hielt die Beschwerdeführerin fest, dass in den von der Betriebsprüfung übergebenen Auflistungen der Kontrollmitteilungen alle angeblichen Schwarzlieferungen an sie enthalten sein sollten. Jene Positionen, welche sich auf den Lieferungszeitraum 1. August 1996 bezögen, seien jedenfalls vollkommen tatsachenwidrig, weil die Beschwerdeführerin - wie sich aus dem in Ablichtung beigelegten Programmzettel 1996 ergebe - ihren Betrieb im Jahr 1996 vom 14. Juli bis 15. August geschlossen gehalten habe.

Die Beschwerdeführerin führte weiters aus, sie habe von der Brauerei im Prüfungszeitraum aus nachstehenden Gründen Privateinkäufe getätigt. Da im Lokal der Beschwerdeführerin sehr viele Amateurmusiker verkehrten, welche ohne Gagenforderungen aufträten, und ihre Räumlichkeiten auch von verschiedenen Amateurbands für Proben benützt würden, versorge sie die Musiker und deren Begleitung wenigstens mit Getränken ohne Zahlung. Da damit auch keine Umsatzerzielung verbunden gewesen sei, seien diese für den nichtbetrieblichen Gebrauch bestimmten Getränke eingekauft worden. Zum Beweis dafür beantragte die Beschwerdeführerin die Einvernahme der in einer Beilage angeführten Zeugen. Die von der Betriebsprüfung verwendeten Rohaufschlagssätze seien unrichtig, weil der Prüfer ja bei der Kalkulation von jenen der verbuchten Einkäufe ausgegangen und entsprechend andere Preise verwendet habe.

Mit Bescheid vom 30. November 2000 wies das Finanzamt den "Antrag vom 6. März 2000, 14. März 2000, 31. März 2000 und 5. April 2000 betreffend Aussetzung der Einhebung von Abgaben" ab. Die Ausführungen der Berufung würden das eingebrachte Rechtsmittel als wenig Erfolg versprechend erscheinen lassen. Auf Grund des Kontrollmaterials seien sehr wohl Schwarzlieferungen festgestellt worden. Auf die ausführliche Begründung im Betriebsprüfungsbericht werde verwiesen.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin. Auf die Darlegungen in ihrer Berufung vom 7. April 2000 (gemeint wohl: 5. April 2000) sei das Finanzamt in keiner Weise eingegangen.

Mit Vorhalt vom 23. Jänner 2001 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Stellungnahme des Prüfers zur Berufung und räumte für eine Gegenäußerung eine Frist bis zum 22. Februar 2001 ein.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2001 die Erstreckung der Frist um einen Monat ab "Zurverfügungstellung" gleichzeitig erbetener Unterlagen, nämlich der Seiten des Arbeitsbogens des Prüfers, auf welche er in seiner Stellungnahme hingewiesen habe.

Mit dem angefochtenen, am 14. März 2001 zugestellten Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 30. November 2000 betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO ab. Mit Schreiben vom 6., 9., 14. und 31. März 2000 bzw. 5. April 2000 habe die Beschwerdeführerin die Aussetzung der Einhebung hinsichtlich der mit Berufung bekämpften Nachforderungen betreffend die Umsatz- und Körperschaftsteuer 1995 bis 1997, die Kapitalertragsteuer 1995 bis 1997 samt Säumniszuschlägen, jeweils in im Einzelnen angeführter Höhe, beantragt. Das Finanzamt habe mit Bescheid vom 30. November 2000 die Anträge auf Aussetzung der Einhebung abgewiesen, weil die Berufung als wenig Erfolg versprechend erscheine. Die im Kontrollmaterial der Prüfungsabteilung für Strafsachen Wien als sogenannte "Letztverbraucherlieferungen" angeführten Waren seien in der Buchhaltung der Beschwerdeführerin nicht enthalten. Dass diese nicht erfassten Wareneinkäufe der Beschwerdeführerin tatsächlich zuzurechnen seien, ergebe sich nach Ansicht des Prüfers daraus, dass die Beschwerdeführerin im Prüfungszeitraum Kundin der Brauerei gewesen und von dieser neben Fass- und Flaschenbier auch verschiedene alkoholfreie Getränke bezogen habe. Auf Grund der beschlagnahmten EDV-Datenbestände und von Unterlagen sei bewiesen, dass die Beschwerdeführerin nicht nur offizielle Lieferungen erhalten habe, sondern auch über Scheinkunden ("Dummykunden") Ware bezogen habe. In der Berufung habe die Beschwerdeführerin dazu lediglich ausgeführt, dass sie im gesamten Prüfungszeitraum und auch bis heute niemals Fassbier in der Qualitätsstufe Pils bezogen und auch solches Bier niemals verkauft habe. Dasselbe gelte für Mineralwasser und auch für eine bestimmte Biermarke, ohne dass dies an Hand geeigneter Unterlagen bewiesen worden sei. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass nicht genug Platz für die festgestellten Letztverbraucherlieferungen vorhanden gewesen sei, erscheine deshalb als nicht glaubwürdig, weil der nicht erklärte Wareneinkauf der strittigen Warengruppe lediglich 2,3 % vom erklärten Einkauf ausmache und es sich dabei um vier Fass Pils je 50 l, 2 Kisten eines alkoholfreien Getränkes und 10 Kisten Mineralwasser, beide je 24 Flaschen, sowie 15 Kisten je 15 Flaschen einer bestimmten Biermarke handle.

Dem Einwand der Beschwerdeführerin, am 1. August 1996 sei auf Grund der Urlaubssperre zwischen 14. Juli und 15. August 1996 keine Ware eingekauft worden, halte die belangte Behörde entgegen, dass eine Warenannahme auch in der Urlaubszeit möglich gewesen wäre. Auch habe der Prüfer festgestellt, dass an Hand der Eingangsrechnung und Buchhaltung festgestellt worden sei, dass die Beschwerdeführerin am 31. Juli 1996 (auch an diesem Tag sei das Lokal der Beschwerdeführerin geschlossen gewesen) Waren übernommen habe.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass Amateurmusiker und deren Begleitung Getränke gratis erhalten hätten und aus diesem Grund Privateinkäufe von der Brauerei getätigt worden seien, hielt die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin in diesem Punkt der Berufung erstmals zugebe, neben offiziellen Wareneinkäufen auch sogenannte Letztverbraucherlieferungen bezogen zu haben. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, diese Privateinkäufe lediglich dazu verwendet zu haben, um Amateurmusiker ohne Gagenforderung zu belohnen, lasse den berechtigten Schluss zu, es handle sich um eine reine Schutzbehauptung. Gratisrunden an Stammgäste bzw. Musiker seien zwar durchaus branchenüblich, kein Lokal könne es sich jedoch leisten, derart umfangreich "Geschenke" zu machen, welche nach der zur Verfügung gestellten Kontrollmitteilung der Prüfungsabteilung Strafsachen Wien höher gewesen wären als die offiziellen Wareneingänge. Die kostenlose Getränkeabgabe an Amateurmusiker habe laut Stellungnahme des Prüfers nicht berücksichtigt werden können, weil im Prüfungsverfahren einerseits durch den steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin argumentiert worden sei, die Beschwerdeführerin habe keine Letzverbraucherlieferungen erhalten, andererseits seien weder während der Betriebsprüfung noch im Zuge der Betriebsbesichtigung seitens der Beschwerdeführerin Auskünfte erteilt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem im Verwaltungsverfahren bekämpften Bescheid vom 30. November 2000 wies das Finanzamt den "Antrag vom 6. März 2000, 14. März 2000, 31. März 2000 und 5. April 2000 betreffend Aussetzung der Einhebung von Abgaben" ab. Angesichts dieses klaren und keinen Zweifel aufkommen lassenden Spruches ergibt sich, dass einerseits der Antrag der Beschwerdeführerin vom 9. März 2000, beim Finanzamt eingelangt am 10. März 2000, womit sie um Aussetzung der Einhebung hinsichtlich Körperschaftsteuer 1996 ersuchte, damit nicht erledigt wurde, andererseits ein Antrag vom 31. März 2000 abgewiesen wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 30. November 2000 betreffend Aussetzung der Einhebung ab. Mit der Abweisung der Berufung hat die belangte Behörde den Spruch des bekämpften Bescheides übernommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 2003, 2001/15/0097). Damit hat die belangte Behörde aber im Instanzenzug einen Antrag vom 31. März 2000 abgewiesen, welcher der Aktenlage nach gar nicht gestellt wurde. Dass es sich um den - somit noch unerledigten - Antrag vom 9. März 2000 betreffend Körperschaftsteuer 1996 gehandelt hätte und nur ein berichtigungsfähiger Schreibfehler vorläge, ist deshalb nicht anzunehmen, weil die belangte Behörde im Einleitungssatz ihrer Begründung anführt, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 6., 9., 14. und 31. März 2000 bzw. 5. April 2000 die Aussetzung der Einhebung beantragt habe, und somit zwischen zwei Anträgen vom

9. und vom 31. März unterscheidet.

Eine Bekämpfung dieses die Beschwerdeführerin nicht beschwerenden Abspruches des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerde aber weder zu entnehmen noch zu unterstellen.

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Die Aussetzung der Einhebung ist nach § 212a Abs. 2 lit. a leg. cit. nicht zu bewilligen, insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig Erfolg versprechend erscheint.

Aus der Bestimmung des § 212a Abs. 2 lit. a BAO, wonach die Aussetzung nicht zu bewilligen ist, insoweit die Berufung wenig erfolgversprechend ist, ergibt sich, dass insbesondere bei Berufungen, deren Begründung sich - wie im Beschwerdefall - auf mehrere, den bekämpften Bescheid jeweils unterschiedlich (mit unterschiedlicher betragsmäßiger Auswirkung) berührende Punkte stützt und unterschiedlich erfolgversprechend sein kann, einem Antrag auf Aussetzung allenfalls auch nicht in vollem Umfang der strittigen Abgabenhöhe, sondern nur teilweise stattgegeben werden kann.

Soweit die Beschwerdeführerin in Ausführung des Beschwerdepunktes ausführt, die Art und Weise der Ermessensübung der belangten Behörde bezüglich der Anwendung des § 212a BAO verletze ihr Recht auf gesetzmäßige Ermessensübung bei der Anwendung dieser Gesetzesbestimmung, übersieht sie, dass die angezogene Bestimmung der belangten Behörde ein Ermessen gar nicht einräumt.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufungen nach Lage des Falles wenig Erfolg versprechend erschienen oder nicht.

Aufgabe eines Aussetzungsverfahrens ist es nicht, die Berufungsentscheidung vorwegzunehmen; die Abgabenbehörden haben bei Prüfung der Vorraussetzungen für die Aussetzung der Einhebung die Erfolgsaussichten an Hand des Berufungsvorbringens zu beurteilen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 1997, 96/15/0186, vom 25. November 1997, 97/14/0138, und vom 16. Mai 2002, 2000/13/0100, jeweils mwN).

Im Beschwerdefall ist als Berufungsvorbringen auch hinsichtlich der Anträge auf Aussetzung vom 6. und 14. März 2000 auf das Vorbringen in der Berufung vom 5. April 2000 einzugehen, welches auch als Ergänzung der Berufungen vom 6. und 14. März 2000 bezeichnet wurde, zumal die belangte Behörde nicht in Abrede stellt, dass die Beschwerdeführerin den Betriebsprüfungsbericht, auf den das Finanzamt in den Begründungen der bekämpften Bescheide offenbar verwiesen hat, erst am 22. März 2000 erhalten hat.

In dem in Rede stehenden Schriftsatz vom 5. April 2000 brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, niemals Fassbier der Qualitätsstufe Pils, Mineralwasser einer bestimmten Marke in Flaschen zu 0,25 l, ein weiteres alkoholisches Getränk in Flaschen zu 0,2 l sowie Bier einer bestimmten Marke und Sorte bezogen und verkauft zu haben. Mineralwasser werde aus der Literflasche in Gläser ausgeschenkt, das andere alkoholfreie Getränk in einer Postmixanlage hergestellt. Die Beschwerdeführerin verweist in ihrer Beschwerde auf ihr Berufungsvorbringen, dass die genannten Getränke in Flaschen bzw. das Fassbier der Sorte Pils überhaupt nicht habe angeboten werden können, weil die entsprechende Lagerkapazität nicht zur Verfügung gestanden habe.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgehalten, dass sie dieses Vorbringen im Verwaltungsverfahren für unglaubwürdig halte, weil es sich bei dem in Rede stehenden nicht erklärten Wareneinkauf dieser Warengruppe um lediglich 2,3 % vom erklärten Einkauf mit näher angeführten Mengen und Gebindegrößen beispielsweise für das Jahr 1995 handle.

Mit ihrem allgemeinen, auf die Behauptungsebene beschränkten Vorbringen führt die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde nicht zum Erfolg. So lässt die Beschwerdeführerin etwa genaue Angaben über die Lagerkapazität vermissen, welche eine Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung allenfalls aufzeigen könnten.

In der Berufung gegen die Sachbescheide bekämpfte die Beschwerdeführerin im Ergebnis die Menge der hinzugerechneten Schwarzlieferungen der Brauerei und damit die Höhe der Umatz- und Gewinnzurechnungen, weil ihr auch am 1. August 1996 gelieferte Waren zugerechnet worden seien, obwohl ihr Betrieb vom 14. Juli bis 15. August 1996 geschlossen gewesen sei.

Die belangte Behörde hielt dieses Vorbringen für wenig Erfolg versprechend, weil der Beschwerdeführerin eine Warenannahme auch in der Urlaubszeit möglich gewesen wäre und sie auch am 31. Juli 1996, wie sich aus einer in der Buchhaltung enthaltenen Eingangsrechnung zu ergeben scheint, Ware übernommen habe.

Die Beschwerdeführerin rügt, dass die belangte Behörde ihren Antrag auf Fristerstreckung vom 7. Februar 2001 für eine Gegenäußerung zu der mit Vorhalt vom 23. Jänner 2001 übermittelten Stellungnahme des Prüfers nicht beachtet und damit dem Gebot zur Gewährung von Parteiengehör nicht entsprochen habe. Die Beschwerdeführerin trägt weiters vor, dass sie den Ausführungen des Betriebsprüfers in dessen Stellungnahme zur Berufung, worauf sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid stützt, entgegnet hätte, dass eine Rechnung "per 31.07.1996" über die tatsächliche Lieferung nichts aussage. Die Brauerei habe stets mit dem Monatsletzten datierte Rechnungen ausgestellt, weil eine Monatsabrechnung auf der Grundlage der Lieferscheine dieses Monats erfolgt sei.

Daraus, dass die belangte Behörde zur Beurteilung der Erfolgsaussichten der Berufung auf neue Sachverhaltsfeststellungen und daraus ableitbare Schlüsse greift, welche eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und der Wahrung des Parteiengehörs bedurft hätten, welches die Beschwerdeführerin zu den in der Beschwerde vorgebrachten Gegenargumenten und weiteren (neuen) Sachverhaltsbehauptungen hätten veranlassen können, ergibt sich bereits, dass die Berufung insoweit nicht als wenig erfolgversprechend im Sinne des § 212a Abs. 2 BAO anzusehen ist.

Das sich auf die Höhe der Umsatz- und Gewinnzurechnung auswirkende Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung, die "Privateinkäufe" seien für die Abgabe an Musiker und deren Begleitung sowohl bei Auftritten wie auch bei Proben ohne Entgeltverrechnung bestimmt gewesen, bezeichnet die belangte Behörde als reine Schutzbehauptung. Der von der belangten Behörde herangezogene Umstand, dass die Beschwerdeführerin der Betriebsprüfung solche "Privateinkäufe" nicht zugestanden habe, rechtfertigt für sich allein diesen Schluss noch nicht. Mit ihren weiteren Ausführungen, Gratisrunden an Stammgäste bzw. Musiker wären zwar branchenüblich, derart umfangreiche "Geschenke", die nach den Kontrollmitteilungen höher als die offiziellen Wareneingänge gewesen wären, könne sich jedoch kein Lokal leisten, setzt die belangte Behörde ihre Beweiswürdigung auch dem Vorwurf der Unschlüssigkeit aus. Sind solche "Gratisrunden" branchenüblich, hätte die belangte Behörde zu begründen gehabt, weshalb sie der Beschwerdeführerin solche "Gratisrunden" nicht einmal im branchenüblichen Umfang zubilligt. Das mit einem konkreten Beweisanbot untermauerte Vorbringen der Beschwerdeführerin erscheint daher insoweit nicht als wenig erfolgversprechend, als demnach zumindest ein Teil der Waren aus diesen "Privateinkäufen" tatsächlich nicht weiter verkauft worden wäre.

Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Ersatz der Aufwendungen stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001130129.X00

Im RIS seit

05.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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