TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/15 2001/12/0212

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Veröffentlicht am 15.10.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/06 Dienstrechtsverfahren;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

AVG §52;
AVG §60;
DVG 1984 §8 Abs1;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1998/I/123;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1998/I/123;
PG 1965 §62j Abs2 idF 2001/I/086;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des S in S, vertreten durch Dr. Elisabeth Pira-Stemberger und Dr. Brigitte Bierbaumer-Vergeiner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Fischer von Erlachstraße 47, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Post Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 29. August 2001, Zl. 133583-HC/00, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1947 geborene Beschwerdeführer steht seit seiner Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 28. Februar 1998 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Zur Darstellung des bisherigen Verfahrensganges wird in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das in dieser Sache ergangene hg. Erkenntnis vom 17. August 2000, Zl. 98/12/0489, verwiesen; mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 12. August 1998 betreffend Ruhegenussbemessung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil die belangte Behörde im Hinblick auf § 4 Abs. 4 Z. 2 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, die Frage der Gebührlichkeit einer Versehrtenrente auf Grund eines behaupteten Dienstunfalles im Jahre 1994 nicht geprüft und im Hinblick auf § 4 Abs. 4 Z. 3 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung des 1. Budgetbegleitgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 138, ihre Ermittlungspflicht zum Vorliegen einer dauernden Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers verletzt hatte.

Hierauf veranlasste das - nach § 17 Abs. 2 des Poststrukturgesetzes nunmehr zuständige - beim Vorstand der Österreichischen Post Aktiengesellschaft eingerichtete Personalamt (die belangte Behörde) eine Ergänzung des schon im ersten Verfahrensgang erstatteten Gutachtens des Amtssachverständigen Dr. Gr., der in seiner "ergänzenden Stellungnahme" vom 22. Februar 2001 ausführte:

"Nach wiederholten Urgenzen liegt nun der Operationsbericht der Landesklinik für Orthopädie, Vorstand Prim. Doz. Dr. D. vom 11.8.1994 vor. Es wird zur Aufgabe gestellt, zu prüfen, welcher Zusammenhang zwischen dem behaupteten Dienstunfall vom 7.6.1994 und der Bewegungseinschränkung im rechten Ellenbogenbereich infolge einer ärztlich mehrfach dokumentierten Arthritis im rechten Ellenbogengelenk besteht.

Am 30.3.1995 wurde vom Postamt 5020 Salzburg eine Unfallmeldung (nachträgliche Aufnahme) erstattet. Es wird angeführt, dass der Bedienstete am 7.6.1994 beim Ausscheiden von Briefbunden mit dem rechten Ellenbogen beim Umdrehen gegen den EKA geprallt sei. Dabei sei der rechte Ellenbogen verletzt worden und es zu einer Knochenabsplitterung im rechten Ellenbogen gekommen und eine Arbeitsunfähigkeit in der Dauer von 69 Arbeitstagen mit geringfügigen Unterbrechungen eingetreten.

Die Aufnahme dieser Unfallmeldung erfolgte mit der Verspätung von über 9 Monaten auf Wunsch des Beamten, da sein Arzt das Absplittern eines Knochenteiles auf Grund dieser Verletzungsweise nicht ausschloss. Eine Krankenstandsmeldung erfolgte am 23.6.1994, das sind über 2 Wochen nach dem behaupteten Unfallereignis. In diesen 2 Wochen wurde offenbar der Dienst vom Beamten regulär verrichtet.

In der Ambulanzkartei der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Oberndorf wurde am 19.7.1994 vermerkt, dass seit 4 Wochen eine spontan aufgetretene Bewegungsblockade rechter Ellenbogen vorliege und ein Zustand nach einer Arthritis rechtes Ellenbogengelenk vor ca 2 Jahren bestehe. Ein Unfalltrauma wird anamnestisch nicht eruiert. Es wird die Diagnose Monarthritis rezidivans articularis humero-antebrachii dext. gestellt und der Verdacht auf eine primär chronische Polyarthritis geäußert. Im Röntgen konnten keine knochentraumatischen Veränderungen nachgewiesen werden. Eine Vorstellung beim Orthopäden und physikalische Maßnahmen mit Ultraschall, Heilgymnastik und Elektrotherapie wurden empfohlen.

Am 11.8.1994 wird an der Landesklinik Salzburg für Orthopädie eine diagnostische Arthroskopie rechter Ellenbogen und Entfernung eines freien Gelenkskörpers, eine partielle Synovektomie (Entfernung der Gelenksinnenhaut) sowie eine Arthrotomie und Inspektion des Gelenkes durchgeführt. Es werden gefunden eine mäßige Synovitis, ein Knorpelschaden Grad 2 am Radiusköpfchen und der Trochlea sowie osteophytäre Ausziehungen am Radiusköpfchen und am processus coronoideus. An der ventralen Gelenkskapsel hängend befindet sich ein etwa 5mm großer freier knorpeliger Gelenkskörper, der mit einer Zange entfernt wird. Ein knöcherner freie Gelenkskörper, wie es bei einer traumatischen Knochenabsplitterung zu erwarten wäre, konnte bei dieser genauen Inspektion des Gelenkes nicht festgestellt werden. Die Veränderungen im rechten Ellenbogengelenk sind entzündlichdegenerativer Natur, eine Unfallursache konnte durch die direkte Betrachtung des Gelenksbinnenraumes im Rahmen der Operation mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die im KH Oberndorf am 19.7.1994 gestellte Diagnose Gelenksentzündung im rechten Ellenbogengelenk ohne Unfallursache wurde arthroskopisch und arthrotomisch bestätigt. Der gefundene freie Gelenkskörper war keine Knochenabsplitterung, sondern knorpeliger Natur und Ausdruck einer Gelenksentzündung, in deren Rahmen Knorpelschäden mit Freisetzung von Knorpelstücken auftreten können.

In detaillierter Rekonstruktion der Krankengeschichte lässt sich daher feststellen, dass die Formulierung in der Unfallmeldung vom 30.3.1995 Knochenabsplitterung im rechten Ellenbogen durch einen Anprall nicht den Tatsachen entspricht und durch den Operationsbericht widerlegt wird.

Ein ursächlicher Zusammenhang der Bewegungseinschränkungen im rechten Ellenbogengelenk mit dem behaupteten Dienstunfall am 7.6.1994 ist in keiner Weise gegeben und durch überzeugende objektive Befunde mit Sicherheit auszuschließen.

Die Beurteilung des Schweregrades und graduellen Ausmaßes der Funktionsbehinderung im Bereich des rechten Ellenbogens sollte in einem orthopädischen Fachgutachten vorgenommen werden."

Weiters ersuchte die belangte Behörde Dr. Me., Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, um Erstattung eines ausführlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand und zur Frage der Ausübung einer Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung außerhalb des Postdienstes. Dieser Sachverständige führte nach eingehender Wiedergabe seiner Befundunterlagen in seinem Gutachten aus:

"Zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers im Range eines Oberoffizials und als Packmeister bei der österreichischen Post tätig, am 28. Februar 1998 bestanden folgende körperliche bzw. psychische Beeinträchtigungen:

1. Chronisch rezidivierende (immer wieder auftretende) vorwiegend funktionelle Kreuzschmerzen bei radiologisch weitgehend unauffälligen Befund.

2. Arthrose (Abnützung) des rechten Ellbogengelenkes mit einer Streckhemmung von 40 Grad unklarer Ursache (Unfall?/entzündliche Ursache?).

3. Chronifizierte Depression (monopolare affektive Störung). Hirnleistungsschwäche, insbesondere im Bereich der Konzentration und Aufmerksamkeit.

Beantwortung der einzelnen Fragen

Alle Feststellungen werden ... auf den 28. Februar 1998, also die Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers bezogen.

1. Welche Gesundheitsstörungen lagen vor:

Orthopädischerseits bestand eine Arthrose des rechten Ellbogengelenkes mit einer wahrscheinlichen Bewegungseinschränkung im Sinne der Streckung (etwa 40 Grad ). Die Beugung und Pro- und Supination im Ellbogengelenk dürfte etwa ident dem jetzigen Befund gewesen sein, also fast im Normbereich. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass zu gewissen Zeiten durch entzündliche Schübe eine stärkere Bewegungseinschränkung bestanden hat. Momentan ist das Gelenk weitgehend unauffällig bis auf die Streckhemmung von 40 Grad , es finden sich keine akuten oder chronischen Entzündungszeichen. Im Röntgen findet sich eine mittelgradige Arthrose. Weiters berichtet der Beschwerdeführer und ist grundsätzlich nachvollziehbar und glaubhaft, dass er immer wieder Kreuzschmerzen gehabt hätte die zu Behandlung und Krankenständen geführt hätten. Letzteres müsste im Zweifelsfalle auf Grund von Aufzeichnungen des Arbeitsgebers bzw. der Krankenversicherung nachvollzogen werden können. Von neurologisch/psychiatrischer Seite bestanden zum damaligen Zeitpunkt eine chronifizierte Depression, eine Hirnleistungsschwäche mit Störung der Konzentration und Aufmerksamkeit. (siehe Gutachten Dr. B.M.)

2. Der Beschwerdeführer war auf Grund der damals schon bestandenen Arthrose des rechten Ellbogengelenkes nicht mehr in der Lage regelmäßig schwerere Gegenstände (Obergrenze 10 kg) anzuheben, zu heben oder zu tragen. Er war auch nicht mehr in der Lage z.B. schwer gängige Paketwägen anzuschieben, zu schieben oder zu ziehen. Ebenfalls war er nicht mehr in der Lage Werkzeuge die mit Prellbelastung des Armes oder mit Verwindungsbelastung des rechten Ellbogens einhergehen zu bedienen. Von Seiten der Wirbelsäule ist anzunehmen, dass nur gelegentlich wie eben vom Kläger angegeben stärkere Beschwerden bestanden. Im Intervall war die Wirbelsäule voll belastbar (siehe jetziger klinischer und radiologischer Befund). Von Seiten der neurologisch/psychiatrischen Erkrankung war im Vordergrund eine chronifizierte Depression, sowie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung als Zeichen einer Hirnleistungsschwäche. Zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung war die Schlafstörung dauernd vorhanden, dasselbe galt für die Angstzustände und Konzentrationsprobleme, sowie der daraus folgenden lebhaften vegetativen Symptomatik (siehe psychiatrisches Gutachten ...).

3. Die Beschwerden wie beschrieben im Bereich des Ellbogengelenkes traten dauernd auf, ebenso die dadurch bedingte Beeinträchtigung, die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule fallweise. Die neurologisch/psychiatrischen Defizite waren ebenfalls dauernd vorhanden (siehe Fachgutachten).

4. Orthopädischerseits waren die Beeinträchtigungen im Bereich des Ellbogengelenkes als mittelstark, im Bereich der Lendenwirbelsäule als leicht bis mittelstark vorhanden. Die Depression war mittelstark ausgeprägt, die Konzentrationsstörung schwach bis mittelstark, die vegetative Symptomatik ebenfalls mittelstark ausgeprägt.

5. Die körperliche Mobilität war zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung nicht wesentlich eingeschränkt. Die geistige Mobilität (Konzentrationsfähigkeit) war auf Grund der Hirnleistungsschwäche leicht eingeschränkt.

6. Retrospektiv ist anzunehmen, dass zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung nicht mit einer wesentlichen Verbesserung des orthopädischen Leidens gerechnet werden konnte, insbesondere unter Annahme einer gleichbleibenden körperlichen Belastung in seinem Beruf. Neurologisch/psychiatrischerseits wurde festgestellt, dass eine Besserung der Hirnleistungsschwäche wohl nicht anzunehmen ist, allerdings eine medikamentös antidepressive Therapie, die depressive Verstimmung bessern könnte, insbesondere als die Therapie noch nicht ausgeschöpft wurde.

7. Aus orthopädischer Sicht war der Beamte zum Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung in der Lage leichte und halbzeitig mittelschwere körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig durchzuführen, allerdings mit der oben angegebenen Einschränkung bzgl. des rechten Armes/Ellbogengelenkes. Im neurologisch psychiatrischen Gutachten wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer in der Lage war einfache Erwerbstätigkeiten durchzuführen und daraus keine erhebliche Verschlechterung seines psychischen Zustandes zu erwarten gewesen wäre. Durch seine Schlafstörungen sei er damals zeitweise minder einsatzfähig gewesen. Arbeiten die unter Zeitdruck durchzuführen sind, regelmäßige Arbeitszeiten im Sinne eines Turnus- und Schichtdienstes wären nicht mehr zumutbar gewesen. Weiters sollte aus neurologisch/psychiatrischer Sicht alle zwei Stunden eine Ruhepause von 15-20 Minuten gewährt werden. Unter der Annahme, dass es sich dabei um geistig leichte Arbeiten handle ist aus dem neurologisch/psychiatrischen Gutachten abzuleiten, dass Kanzlei-Schreib- und Archivarbeiten, Arbeiten wie Torwart, Kinobilletteur und Parkwächter möglich gewesen wären, allerdings mit der schon erwähnten Einschränkung bzgl. Arbeitszeit und Pausen.

8. Unter Berücksichtigung des oben angegebenen Leistungskalküles und der angegebenen Einschränkungen sind orthopädischerseits keine außergewöhnlichen Pausen während der Arbeitszeit notwendig bzw. Arbeitsunfähigkeitszeiträume länger als üblich zu erwarten. Im neurologisch/psychiatrischen Gutachten wurde festgehalten, dass auf Grund der damals bestandenen Schlafstörungen es zeitweise zu einer Mindereinsatzfähigkeit kommen könne und werde. Der Dienstgeber müsse dann möglicherweise Nachsicht üben.

9.

Dieser Punkt wurde schon unter Punkt 2 beantwortet.

10.

Welche Tätigkeiten sind ausgeschlossen:

Orthopädischerseits sind das regelmäßige Anheben, Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 10 kg, das Schieben, Ziehen und Rücken von schwereren Gegenständen (Postwagen etc.), das Handhaben von prellenden (z.B. Hammer) und vibrierenden Werkzeugen, sowie die Einnahme von dauernden Zwangshaltungen der Lendenwirbelsäule zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung nicht mehr zumutbar gewesen. Neurologisch/psychiatrischerseits waren Tätigkeiten mit erhöhter Konzentrationsanforderung, Tätigkeiten unter Zeitdruck, Arbeiten mit unregelmäßiger Arbeitszeit im Sinne eines Turnus- oder Schichtdienstes nicht mehr zumutbar.

Tätigkeiten die die oben angegebenen körperlichen und geistigen Anforderungen bedingen waren in jedem Fall ausgeschlossen.

              11.              Eine tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden war orthopädischerseits zumutbar, allerdings aus neurologisch/psychiatrischer Sicht mit Pausen von 15-20 Minuten alle zwei Stunden."

Hierauf fragte die belangte Behörde wiederum beim Sachverständigen Dr. Gr. an, mit welcher jährlich gerechtfertigten "Krankenstandsdauer" des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand zu rechnen gewesen sei; hiezu führte Dr. Gr. in seiner "ergänzenden Stellungnahme" vom 7. August 2001 aus:

"Diese Krankenstandsdauer steht in Bezug zur Ausübung jener Tätigkeiten, welche im Leistungskalkül des ASV-Gutachtens vom 29.1.1998 dargelegt sind. Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Erkrankungen und des erstellten Leistungskalküls ist eine jährliche Krankenstandsdauer von ca. vier bis sechs Wochen zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung anzunehmen."

Mit Erledigung vom 7. August 2001 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass den eingeholten ergänzenden Gutachten zufolge zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand beim Beschwerdeführer keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorgelegen habe. Die Kürzung seiner Ruhebezüge sei daher zu Recht erfolgt.

Nachdem der Beschwerdeführer hiezu keine Stellungnahme abgegeben hatte, wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Ersatzbescheid die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit "§ 4 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340" ab. Begründend führte sie nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges und auszugsweiser Zitierung des § 4 PG 1965 aus, der Amtssachverständige Dr. Gr. habe anhand aller vorliegenden Unterlagen dezidiert ausgeschlossen, dass aus medizinischer Sicht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Vorfall vom 7. Juni 1994 und der Arthritis im rechten Ellbogen des Beschwerdeführers bestehen könnte. Der Diagnose im Operationsbericht des Krankenhauses Oberndorf vom 19. Juli 1994 zufolge sei der im Ellbogenbereich gefundene freie Gelenkskörper keine Knochenabsplitterung gewesen, sondern knorpeliger Natur und Ausdruck einer Gelenksentzündung. Die Formulierung "Knochenabsplitterung am rechten Ellbogen" in der Unfallmeldung vom 30. März 1995 - mehr als neun Monate nach dem Unfallgeschehen auf Wunsch des Beschwerdeführers ausgefertigt - habe durch den Operationsbericht in keiner Weise bestätigt werden können. Zur einwandfreien Beurteilung des Schweregrades der Funktionsbehinderung des Ellbogengelenkes sei ein orthopädisches Gutachten eingeholt worden. Bezogen auf den Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung würde aus orthopädischer Sicht eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden für realistisch gehalten. Ausgeschlossen wären Tätigkeiten, die mit Anheben, Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 10 kg, mit Ziehen und Rücken von schweren Gegenständen sowie mit der Handhabung von prellenden und vibrierenden Werkzeugen als auch mit bestimmten Zwangshaltungen verbunden wären. Dr. Gr. habe in seiner weiteren ergänzenden Stellungnahme erklärt, dass unter Berücksichtigung aller vorliegenden Krankheiten eine jährliche gerechtfertigte Krankenstandsdauer von vier bis sechs Wochen - bezogen auf den Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung - anzunehmen gewesen wäre, wenn eine Berufsausübung im Rahmen des eingeschränkten Leistungskalküls erfolgte. Sowohl das orthopädische Sachverständigengutachten als auch die Stellungnahme des Amtssachverständigen seien dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. August 2001 zur Kenntnis gebracht worden. Er habe von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass er unter Zugrundelegung aller medizinischen Aussagen nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 sei. Weiters habe ausgeschlossen werden können, dass seine Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall zurückzuführen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Darstellung der im Beschwerdefall maßgeblichen Rechtslage sei zunächst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das in dieser Sache ergangene hg. Erkenntnis vom 17. August 2000, Zl. 98/12/0489, verwiesen.

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides stand § 62j Abs. 2 PG 1965, eingefügt durch das Pensionsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 86, in Kraft; dieser lautete auszugsweise:

"§ 62j. ...

(2) Auf Personen, die vor dem 1. Oktober 2000 Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach diesem Bundesgesetz haben, sind die §§ 4, ... in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. ..."

Da der Beschwerdeführer mit Ablauf des 28. Februar 1998 in den Ruhestand versetzt worden war, hatte er mit 1. März 1998 einen Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Leistung nach dem Pensionsgesetz 1965 erworben, weshalb nach § 62j Abs. 2 leg. cit. die Frage der Ruhegenussbemessung des Beschwerdeführers nach der am 30. September 2000 geltenden Fassung des § 4 leg. cit. durch die 1. Dienstrechtsnovelle 1998, BGBl. I Nr. 123, zu beurteilen ist; diese Bestimmung lautete auszugsweise:

"Ruhegenussermittlungsgrundlagen und Ruhegenussbemessungsgrundlage

§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.

(2) 80 vH des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.

(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80% um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.

(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt

1.

im Fall des im Dienststand eingetretenen Todes des Beamten,

2.

wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund eine Versehrtenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung gebührt oder

              3.              wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.

...

(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außer Stande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.

..."

Die Beschwerde erblickt vorerst eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften darin, dass das von der belangten Behörde eingeholte orthopädische Gutachten keine abschließende Beantwortung der Frage zulasse, ob ein Dienstunfall vorgelegen sei oder nicht. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid unrichtig festgehalten, der Beschwerdeführer sei am 19. Juli 1994 im Krankenhaus Oberndorf operiert worden. Die verspätete Unfallmeldung durch den Beschwerdeführer habe damit zu tun, dass er erst später, nachdem der Knochensplitter offensichtlich in das Gelenk gewandert sei, massive Schmerzen bekommen habe. Mit dem vorliegenden Gutachten alleine sei der Sachverhalt wiederum nicht restlos aufgeklärt worden. Dass ein Dienstunfall stattgefunden habe, könne auf Grund dieses Gutachtens jedenfalls nicht als zutreffend erkannt werden und hätte der Gutachter entweder hiezu ergänzend befragt oder aber ein weiteres Gutachten eingeholt werden müssen. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die Frage der Kausalität des Unfalles für die Beeinträchtigung des rechten Ellenbogengelenkes soweit abzuklären, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder bejaht oder verneint werden könne. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liege darüber hinaus insofern vor, als der ergänzend befragte Amtssachverständige Dr. Gr. zwar festgestellt habe, dass zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung eine jährliche Krankenstandsdauer von etwa vier bis sechs Wochen anzunehmen wäre, jedoch keine Prognose über das Ausmaß der zukünftigen pro Jahr zu erwartenden Krankenstände abgegeben habe.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen:

Soweit der Beschwerdeführer die Frage einer Kausalität eines Dienstunfalles für seine Beschwerden des rechten Armes durch das orthopädische Gutachten als nur unzulänglich geklärt erachtet, übergeht er die eingangs wiedergegebene "ergänzende Stellungnahme" des Amtssachverständigen Dr. Gr. vom 22. Februar 2001, der nachvollziehbar anhand des Operationsberichtes vom 11. August 1994 darlegte, die in der Unfallmeldung vom 30. März 1995 - als "nicht ausgeschlossen" bezeichnete - Knochenabsplitterung sei durch den Operationsbericht widerlegt. Der Beschwerdeführer vermag daher gegen die Feststellungen des angefochtenen Bescheides über die mangelnde Kausalität zwischen einem (allfälligen) Dienstunfall vom 7. Juni 1994 und der Arthritis des rechten Ellbogengelenkes keine Bedenken zu erwecken. Die eindeutige, von der belangten Behörde herangezogene Aussage des Sachverständigen Dr. Gr. vom 22. Februar 2001 bedurfte auch keiner Weiterführung oder Bestätigung durch den orthopädischen Sachverständigen Dr. Me. Auch tut die allfällige Unrichtigkeit der bloß illustrativen Feststellung im angefochtene Bescheid, wonach der Beschwerdeführer am 19. Juli 1994 im Krankenhaus Oberndorf operiert worden sei, der Stichhältigkeit der Schlussfolgerungen des Amtssachverständigen keinen Abbruch.

Ebenso erweist sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Gr. vom 7. August 2001, wonach "eine jährliche Krankenstandsdauer von ca. vier bis sechs Wochen zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung anzunehmen" sei, als nicht ergänzungsbedürftig, weil der Sachverständige damit, ausgehend vom Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Ruhestandsversetzung, eine Prognose über die zukünftig alljährlich zu erwartenden Krankenstandsdauer abgab.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer vor, auf Grund der von den Sachverständigen vorgenommenen Einschränkung, wonach eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden nur mit Pausen von (richtig:) 15 bis 20 Minuten alle zwei Stunden möglich sei, hätte davon ausgegangen werden müssen, dass eine Einsatzfähigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt nicht mehr gegeben sei. Damit sei eine Einhaltung der Arbeitszeit nicht möglich, die Restarbeitsfähigkeit reiche für die Einsatzfähigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht aus. Damit sei aber Erwerbsunfähigkeit gegeben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem genannten Erkenntnis vom 17. August 2000 ausführte, komme es bei der Beurteilung der Frage der Erwerbs(un)fähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorlägen. Hiebei sei zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Erwerbsfähigkeit jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 99/12/0245, mwN).

Die belangte Behörde stützte ihre Annahme, der Beschwerdeführer sei nicht dauernd erwerbsunfähig im Sinn des § 4 Abs. 7 PG 1965, erkennbar auf das Leistungskalkül des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. Clemens Me., der illustrativ auch auf einzelne Berufsbilder hinwies; sie überging allerdings die in dessen Gutachten (Punkte 7. und 11.) getroffenen Einschränkungen, wonach Arbeiten unter Zeitdruck sowie Turnus- und Schichtdienste nicht mehr zumutbar seien und aus neurologischpsychiatrischer Sicht alle zwei Stunden eine Ruhepause von 15 bis 20 Minuten gewährt werden solle. Eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden wäre orthopädischerseits zumutbar, allerdings aus neurologisch-psychiatrischer Sicht mit Pausen von 15 bis 20 Minuten alle zwei Stunden.

Die belangte Behörde maß dem offenbar nur illustrativen Hinweis des Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie auf einzelne Berufsbilder nicht den Charakter eines (berufskundlichen) Gutachtens bei.

Mag auch der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren zu den Ermittlungsergebnissen keine Stellungnahme abgegeben haben, so entband dies die belangte Behörde nicht von ihrer Verpflichtung nach § 8 Abs. 1 DVG, gerade auch diese Einschränkung des Leistungskalküls des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Unter umfassender Verwertung der Ermittlungsergebnisse wäre die belangte Behörde sodann verpflichtet gewesen, in einer der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglichen Weise - im Hinblick auf das differenzierte Leistungskalkül des Beschwerdeführers nach Beiziehung eines berufskundlichen Sachverständigen - zu begründen, für welche Tätigkeiten (Berufsbilder) die von den Sachverständigen bislang konstatierte Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers ausreiche.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren auch ein berufskundliches Gutachten einzuholen haben, in dem insbesondere auf die Eingliederungsmöglichkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt und auf zu erwartende "Krankenstände" Bedacht zu nehmen sein wird. Im Hinblick auf die vom Sachverständigen Dr. Me. für notwendig erachteten Pausen wird der berufskundliche Sachverständige auch Ausführungen darüber zu treffen haben, ob und bejahendenfalls in welchen Tätigkeiten dem Beschwerdeführer unter diesen Einschränkungen eine Teilnahme am Erwerbsleben möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2003, Zlen. 2000/12/0043, 0044, sowie zur Klärung der Frage der Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 der (Wiener) Pensionsordnung 1995 unter Beiziehung auch eines berufskundlichen Sachverständigen das hg. Erkenntnis vom 25. September 2002, Zl. 2001/12/0150; zur Ermittlung der Erwerbsunfähigkeit nach § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle unter Beiziehung eines (arbeits-)medizinischen sowie berufskundlichen Sachverständigen vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2003, Zl. 2001/12/0196).

Nach dem Gesagten belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 15. Oktober 2003

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001120212.X00

Im RIS seit

12.11.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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