TE Vwgh Erkenntnis 2003/10/30 2000/15/0109

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E09301000;
E6J;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art25 Abs5;
61999CJ0326 Stichting Goed Wonen VORAB;
62000CJ0315 Maierhofer VORAB;
62001CJ0275 Sinclair Collis VORAB;
ABGB §1090;
EURallg;
UStG 1972 §22 Abs4;
UStG 1972 §22;
UStG 1994 §22 Abs4;
UStG 1994 §22;
UStG 1994 §6 Abs1 Z16;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2000/15/0112 E 30. Oktober 2003 2002/15/0072 E 16. Dezember 2003 2000/15/0110 E 30. Oktober 2003 2000/15/0111 E 30. Oktober 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karger und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft G in S, vertreten durch Simma Bechtold Gunz & Gasser, Rechtsanwälte-Partnerschaft (OEG) in 6850 Dornbirn, Marktplatz 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 31. März 2000, GZ. RV 850/1-V6/99, betreffend Umsatzsteuer 1994 bis 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Umsatzsteuer 1995 und 1996 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft (im Folgenden: Beschwerdeführerin) handelt es sich um eine Körperschaft öffentlichen Rechts im Sinne des Flurverfassungsrechtes (Personengemeinschaft in den Angelegenheiten der Bodenreform). Ihr Zweck ist die gemeinschaftliche Nutzung und Bewirtschaftung ihrer Liegenschaften samt der Besorgung aller hiezu nötigen Geschäfte. Neben den Einnahmen aus der Bewirtschaftung der Alpe (im Wesentlichen Wiesen - und Weidewirtschaft) erzielte die Beschwerdeführerin in den Streitjahren Einnahmen auf Grund eines Dienstbarkeitsvertrages aus dem Jahr 1971 (mit Nachtrag aus dem Jahr 1979). Der Betreibergesellschaft (im Folgenden: Gesellschaft) von Wintersport- und Freizeiteinrichtungen sind im Vertrag - nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid - folgende "Dienstbarkeiten" eingeräumt:

"a) Die Dienstbarkeit der Errichtung, Betreibung, Instandhaltung und Erneuerung von Seilbahnen, Sesselliften, Schleppliften, und Schiabfahrten. Für diese Nutzungsüberlassung erhält die Berufungswerberin 2 % (Übungslift G. 5 %) des auf sie entfallenden Bruttoumsatzes der Anlagen, die aliquot der Länge nach auf ihre Grundstücke entfallen. Ferner sind wertgesichert

S 2,-/m2 der durch Stützen bzw. Restaurantgebäude verbauten Flächen zu bezahlen, zuzüglich wertgesichert S 1.000,- pro Berg- und Talstation.

b) Die Dienstbarkeit der Errichtung und des Betriebes von Kiosken, Imbissstuben, Restaurationsbetrieben aller Art und Hotelbetrieben samt den erforderlichen Ver- und Entsorgungsleitungen zu diesen Gebäuden, sowie die Errichtung von Fassungen für Trink- und Gebrauchwasser und des Gebrauchs desselben. Für die Einräumung dieser Rechte ist jährlich ein Entgelt von 3 % des jeweiligen Brutto-Umsatzes der errichteten Betriebe zu bezahlen.

Daneben sind von der Gesellschaft zahlreiche Maßnahmen und Tätigkeiten nach Saisonende durchzuführen, die eine reibungslose landwirtschaftliche Bewirtschaftung während der Sommermonate ermöglichen."

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der auf Grund dieses Vertrages von der Beschwerdeführerin erzielten Einnahmen, die in den Streitjahren 1994 bis 1996 eine Höhe von insgesamt jeweils über 900.000 S (zuzüglich Umsatzsteuer) erreichten, strittig.

Nach den Berufungsausführungen lässt sich der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vertretene Standpunkt wie folgt zusammenfassen:

Für sie seien zweifellos die Voraussetzungen zur Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 22 UStG 1972 (für das Jahr 1994) bzw. UStG 1994 (für die Jahre 1995 und 1996) erfüllt, weil sie einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb führe. Die Grundstücksflächen seien nach dem Bewertungsgesetz auch als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet. Die Grundstücke würden als Alpe landwirtschaftlich genutzt und das Jagdrecht verpachtet. Die überwiegende Zweckbestimmung - die landwirtschaftliche Nutzung - werde durch die Nutzung der Grundstücksflächen während des Winters als Schiabfahrtsflächen nicht behindert. Die Umsätze aus den Dienstbarkeiten und dem Pachtentgelt seien im Rahmen der Bewirtschaftung der Alpe erzielt und ausgeführt worden. Es sei zu unterscheiden zwischen jenen Entgelten, die eine Entschädigung für die Pachtentgelte des Restaurants usw. beinhalteten und jenen Entgelten, die eine Entschädigung für die Überfahrungsrechte bzw. die Schipisten enthielten (eigentliche Dienstbarkeitsentgelte). Entgelte für Dienstbarkeiten seien bisher nach § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1972 nicht mit dem Steuersatz von 10 % begünstigt gewesen, sondern - außerhalb der Land- und Forstwirtschaft - dem Normalsteuersatz von 20 % unterlegen und auch nach der neuen Rechtslage nicht befreit. Anders sei der Sachverhalt hinsichtlich der Entgelte für die Überlassung von Grundstücksflächen zur Errichtung von Gebäuden für Berg- und Talstationen sowie der Restaurantgebäude zu beurteilen. Bei diesen Flächen, die dauerhaft der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen würden, handle es sich nicht mehr um landwirtschaftliche Nutzflächen (für diese Flächen müsste auch eine Art Fortschreibung hinsichtlich dieser Grundflächen als Grundvermögen erfolgen). Diese Entgelte seien demnach gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG (zu ergänzen: 1994) unecht befreit. Hinsichtlich dieser Einnahmen schlage die Umsatzsteuerbefreiung durch, die Umsatzsteuersatzpauschalierung nach § 22 UStG könne nicht angewendet werden. Im Gegensatz dazu würden durch die Einräumung der Dienstbarkeiten jene Flächen, die als Schiabfahrtsflächen dienten, nicht dauerhaft der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen, vielmehr würden diese in der Vegetationszeit weiterhin bewirtschaftet. Die Beschwerdeführerin habe vertraglich alle Maßnahmen gesetzt, dass eine landwirtschaftliche Nutzung für die Zukunft abgesichert sei. Die Forderung, dass neben den verpachteten Flächen weiterhin eine dem Hauptzweck eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes entsprechende, wirtschaftlich ins Gewicht fallende Tätigkeit entfaltet werde, sei hier nicht zu stellen.

Im angefochtenen Bescheid wird unter dem Titel "Entgelte für Seilbahnen und Schiabfahrt" ausgeführt, Körperschaften öffentlichen Rechts seien nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 KStG 1988) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe unternehmerisch tätig. Nach § 2 Abs. 2 Z 3 KStG 1988 in der Fassung BGBl. Nr. 818/1993 gelte mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1994 auch die entgeltliche Überlassung von Grundstücken zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken durch Personengemeinschaften in Angelegenheiten der Bodenreform als Betrieb gewerblicher Art. Der Beschwerdeführerin sei zwar darin Recht zu geben, dass nach § 22 Abs. 7 UStG (1972 bzw. 1994) die Durchschnittssatzbesteuerung auch für land- und forstwirtschaftliche Betriebe einer Körperschaft öffentlichen Rechts anzuwenden sei, doch liege in Bezug auf die Schiabfahrtsdienstbarkeit kein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, sondern im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 3 KStG 1988, der durch den Verweis des § 2 Abs. 3 UStG auch auf das Umsatzsteuerrecht durchschlage, ein Betrieb gewerblicher Art vor, auf den die Bestimmungen des § 22 UStG nicht anzuwenden seien. Nach Ansicht der belangten Behörde liege auch kein Nebenerwerb vor, zumal schon nach den Einnahmen in den Streitjahren (1994: 726.731,62 S, 1995: 719.989,27 S und 1996: 790.651,78 S; jeweils ohne Berücksichtigung der Entgelte für die Gastronomiebetriebe) keinesfalls von einer untergeordneten wirtschaftlichen Bedeutung gesprochen werden könne. Auch ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Einräumung der Dienstbarkeit und der Benützung der Grundflächen als Weidefläche sei nicht erkennbar. Nach Ansicht der belangten Behörde lägen zwei voneinander unabhängige Tätigkeiten vor. Die bloße Tatsache, dass dieselben Grundflächen als Schiabfahrten und Weideflächen benützt und u.U. das mit den Dienstbarkeiten erzielte Geld in den Landwirtschaftsbetrieb einfließe, könne einen engen wirtschaftlichen Zusammenhang nicht begründen. Eine ergänzende und dienende Funktion der Dienstbarkeit sei nicht zu erkennen. Die Grundstücke würden im Gegenteil durch die Benützung als Schiabfahrten und die Errichtung von Aufstiegshilfen in ihrer landwirtschaftlichen Nutzbarkeit und Ertragsfähigkeit gemindert. Die Einstufung eines Grundstückes als Teil des landwirtschaftlichen Vermögens nach § 30 Abs. 1 Bewertungsgesetz bedeute für sich allein noch nicht, dass auch die Umsätze aus der Einräumung einer Schiabfahrtsdienstbarkeit unter die Pauschalierung des § 22 UStG fielen (im Übrigen nehme auch das Bewertungsgesetz seit der Novelle BGBl. 201/1996 die Ansprüche auf Entgelte aus nichtlandwirtschaftlichen Nutzungsüberlassungen von Grund und Boden aus dem landwirtschaftlichen Betrieb heraus). Die Einnahmen für die Schiabfahrten seien somit im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art der Beschwerdeführerin erzielt worden, sodass die Besteuerung nach den allgemeinen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes vorzunehmen sei. Dienstbarkeiten an Grundstücken begründeten keine Miete. Die mit der Einräumung der Dienstbarkeit der Schiabfahrt erzielten Umsätze seien daher weder nach § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1972 begünstigt noch gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 unecht von der Steuer befreit. Sie unterlägen somit dem Normalsteuersatz. Da insoweit auch das Recht auf Abzug der damit im Zusammenhang stehenden Vorsteuern zustehe, werde auf Grund eines im Berufungsverfahren gestellten Antrages auf Zuerkennung der pauschalen Vorsteuer nach § 14 UStG diese in Höhe von 1,8 % der Umsätze berücksichtigt. Zum "Recht auf Errichtung von Kiosken, Imbissstuben und Gastbetrieben" wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, im Gegensatz zur Dienstbarkeit der Schiabfahrt würden im Fall der Einräumung des "Rechts auf Errichtung und zum Betrieb von Kiosken, Restaurant- und Hotelbetrieben aller Art" die davon betroffenen Grundstücke zur Gänze und dauernd dem Landwirtschaftsbetrieb entzogen, sodass von Umsätzen im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes schon aus diesem Grund nicht gesprochen werden könne. Dies werde von der Beschwerdeführerin auch eingeräumt. Die belangte Behörde könne aber der Einschätzung der Beschwerdeführerin, dass es sich bei diesem Recht um einen Bestandvertrag handle, nicht zustimmen. Der Begriff "Vermietung und Verpachtung" in § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1972 und § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 sei nach Lehre und Rechtsprechung im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen. Nach § 1090 ABGB sei ein Bestandvertrag ein Vertrag, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhalte. Für einen Bestandvertrag sei erforderlich, dass der Vertragsgegenstand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestimmt sei. Eine erst nach Vertragsabschluss erfolgende Bestimmung des Bestandobjektes sei nicht ausreichend. Im Beschwerdefall sei der Umfang des für die Errichtung der Gebäude erforderlichen Flächenausmaßes bzw. die "genaue Situierung" im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht festgestanden. Der Gesellschaft sei lt. Vertrag ganz allgemein das Recht eingeräumt worden, auf dem Gebiet der Alpe der Beschwerdeführerin Gebäude für den Betrieb von Kiosken, Imbissstuben, Restaurationsbetrieben aller Art bzw. Hotels zu errichten und zu betreiben. Dass nach dem Vorbringen im Zuge der Berufungsverhandlung von Fall zu Fall jeweils einvernehmlich festgelegt worden sei, wo gebaut werde und dazu auch die entsprechenden Genehmigungen durch die Agrarbezirksbehörde erforderlich gewesen seien, könne an der fehlenden Konkretisierung im Dienstbarkeitsvertrag nichts ändern. Die Beschwerdeführerin habe auf ihren Grundflächen die Errichtung und den Betrieb von Restaurants etc. geduldet. Nach Ansicht der belangten Behörde handle es sich bei diesem Recht um eine (unregelmäßige) Dienstbarkeit im Sinne des § 472 ABGB. Dass dieses Recht nicht in das Grundbuch eingetragen worden sei, ändere nichts an dessen Beurteilung als Dienstbarkeit, weil solche Rechte an Grundstücken auch bloß obligatorisch eingeräumt werden könnten. Umsätze aus Dienstbarkeiten unterlägen dem Normalsteuersatz. Dem Antrag auf Zuerkennung pauschaler Vorsteuern in der Höhe von 1,8 % sei auch diesbezüglich stattzugeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Streitzeitraum in den Anwendungsbereich zweier Umsatzsteuergesetze, nämlich des UStG 1972 für das Jahr 1994 und des UStG 1994 für die Jahre 1995 und 1996 fällt. Für die Jahre 1995 und 1996 sind zudem die Vorschriften der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie, 77/388/EWG (im Folgenden: 6. Richtlinie) maßgebend.

Nach § 2 Abs. 3 UStG 1972 sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 KStG 1988) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betrieb gewerblicher Art gilt jedoch nach dieser Bestimmung u.a. stets die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften.

Nach § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 KStG 1988), ausgenommen solche, die gemäß § 5 Z 12 KStG 1988 von der Körperschaftsteuer befreit sind, und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Als Betrieb gewerblicher Art im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt u. a. stets die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken durch öffentlich-rechtliche Körperschaften.

Gemäß § 2 Abs. 2 KStG 1988 gilt seit 1. Jänner 1994 (BGBl. 818/1993) auch die entgeltliche Überlassung von Grundstücken zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken durch Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform als Betrieb gewerblicher Art. Nach § 22 Abs. 1 UStG 1972 wird bei nicht buchführungspflichtigen Unternehmern, die Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführen, die Steuer für diese Umsätze mit 10 v.H. der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge werden in gleicher Höhe festgesetzt. Die Bestimmungen des § 6 Z 7 bis 16 und des § 11 sind anzuwenden.

Nach § 22 Abs. 1 UStG 1994 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Stammfassung wird bei nicht buchführungspflichtigen Unternehmern, die Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführen, die Steuer für diese Umsätze mit 10 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge werden in gleicher Höhe festgesetzt. Die Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Z 8 bis 26, des § 11 und des § 12 Abs. 10 und 11 sind anzuwenden.

Nach § 22 Abs. 3 der insoweit gleich lautenden UStG 1972 und 1994 ist als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb ein Betrieb anzusehen, dessen Hauptzweck auf die Land- und Forstwirtschaft gerichtet ist. Als Landwirtschaft gelten insbesondere der Acker-, Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich der Wanderschäferei, die Fischzucht einschließlich der Teichwirtschaft und die Binnenfischerei, die Imkerei sowie Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe im Sinne des § 30 BewG. Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören nach § 22 Abs. 4 UStG 1972 bzw. 1994 auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb zu dienen bestimmt sind. Führt der Unternehmer neben den im Abs. 1 angeführten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als gesondert geführter Betrieb im Sinne des § 12 Abs. 7 zu behandeln (§ 22 Abs. 5 leg.cit.). Nach § 22 Abs. 7 leg.cit. sind die Bestimmungen der Absätze 1 bis 6 auch auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anzuwenden, wenn die Umsätze der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe bestimmte - im Gesetz näher festgelegte Umsatzgrenzen - nicht überstiegen haben.

In Art. 25 der 6. Richtlinie wird zur Erleichterung der Umsatzbesteuerung für landwirtschaftliche Erzeuger den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, Pauschalregelungen anzuwenden. Pauschal zu regeln sind nach der Richtlinie grundsätzlich die Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und Dienstleistungen (Art. 25 Abs. 5 Buchstabe a und c der 6. Richtlinie).

In der Beschwerde wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe im Streitzeitraum die Bestimmungen des § 22 UStG bei der Besteuerung der Entgelte angewandt. Es stelle sich nunmehr die Frage, ob die entgeltliche Überlassung von Grundstücken durch eine Agrargemeinschaft noch im Rahmen ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erfolge oder ob eine von der Landwirtschaft unabhängige Tätigkeit vorliege. Vertrete man die Auffassung, dass die Einräumung von Dienstbarkeiten oder sonstigen Rechten außerhalb der Land- und Forstwirtschaft erfolge, dann sei zu prüfen, ob dadurch eine so genannte land- und forstwirtschaftliche Nebentätigkeit begründet werde. Auch Nebentätigkeiten zählten nach § 22 Abs. 3 UStG zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Nebentätigkeiten seien an sich gewerbliche Tätigkeiten, die sich aber als Ausfluss der land- und forstwirtschaftlichen Haupttätigkeit darstellten. Für die Bereitstellung der land- und forstwirtschaftlichen Flächen an die Schiliftbetreiber sei weder eine über die Land- und Forstwirtschaft hinausgehende eigene Organisation notwendig, noch seien hiezu besondere weitere Betriebsmittel erforderlich. Der belangten Behörde sei auch nicht zuzustimmen, dass zwischen der Haupttätigkeit und der Nebentätigkeit ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben sein müsse. In der Zurverfügungstellung der Alpweiden in den Wintermonaten liege auch noch kein eigener Tätigkeitszweck, sondern nur eine (zusätzliche) Verwertung der in den Wintermonaten nicht anders zu bewirtschaftenden Grundflächen. Die landwirtschaftliche Nutzung der Alpflächen werde durch die Inanspruchnahme während der Wintermonate in keiner Weise beeinträchtigt. Die Nutzung der durch den Liftbetrieb betroffenen Flächen erfolge im gleichen Ausmaß wie die Nutzung jener Flächen, welche durch den Liftbetrieb nicht betroffen seien (Ausnahmen: Parkplätze, Stützen, Gebäude, Wege, etc.). Die Einräumung der Nutzungsrechte "bei der Alpe" stelle eine Nebentätigkeit dar, deren Entgelt der Pauschalregelung des § 22 UStG zu unterwerfen sei. Die belangte Behörde habe zudem die Bestimmung des § 22 Abs. 4 UStG, wonach der land- und forstwirtschaftliche Betrieb auch Nebenbetriebe umfasse, nicht ausreichend geprüft.

Mit der Pauschalierungsbestimmung des § 22 UStG 1972 (1994) soll für die nichtbuchführungspflichtigen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe eine Erleichterung bei der Erfüllung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen erreicht, eine materielle Entlastung aber nicht herbeigeführt werden (vgl. Ruppe, UStG 19942, § 22 Tz 3). Nach dieser Regelung werden die mit den land- und forstwirtschaftlichen Umsätzen zusammenhängenden Vorsteuern nicht exakt erfasst, sondern in gleicher Höhe festgesetzt. Schon um diese notwendige Äquivalenz von Steuerschuld und Vorsteuern zu gewährleisten, kann die Pauschalierungsregelung - unabhängig von der ertragsteuerrechtlichen Betrachtung als Überlassung von land- und forstwirtschaftlichem Betriebsvermögen - nur auf "den Rahmen" eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bezogen werden, wobei sich dieser Rahmen auf die Einbeziehung von Hilfs- und Nebenumsätzen (Nebentätigkeiten) zu beschränken hat, die in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem eigentlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (§ 22 Abs. 3 UStG) stehen und dem Betrieb dienen bzw. ihn ergänzen (in ihm "gleichsam aufgehen", vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1992, 92/14/0019). Der in der Beschwerde u.a. vertretenen Meinung, es müsse kein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der ausgeübten Haupttätigkeit und der Nebentätigkeit bestehen, kann daher nicht gefolgt werden (vgl. in diesem Zusammenhang beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1990, 89/15/0074, und vom 16. September 1991, 91/15/0058). In den eben zitierten Erkenntnissen hat der Gerichtshof u.a. auch ausgesprochen hat, dass die Verpachtung landwirtschaftlicher Nutzflächen nicht den eigentlichen Gegenstand eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bildet. Schon von der eingangs dargestellten Größenordnung der auf Grund der Dienstbarkeitsverträge erzielten Einnahmen her ist nicht erkennbar, dass die in Rede stehende Überlassung von Grundstücken der Beschwerdeführerin zu - unbestritten - anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken eine Qualifikation als bloße land- und forstwirtschaftliche Hilfs- und Nebentätigkeit zuließe (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1990, 89/14/0067). Ein im Sinne eines untergeordneten Dienens gelegener "Ausfluss" der eigentlichen land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit (als landwirtschaftlicher Erzeuger oder Dienstleistender) kann auch dann nicht gesehen werden, wenn die von den Dienstbarkeitsverträgen betroffenen Alpflächen außerhalb der Wintermonate zum Teil auch landwirtschaftlich (Wiesen- und Weidewirtschaft) genutzt werden. Soweit in der Beschwerde der Vorwurf erhoben wird, die belangte Behörde habe auch die Bestimmung des § 22 Abs. 4 UStG, wonach der land- und forstwirtschaftliche Betrieb auch Nebenbetriebe umfasse, nicht ausreichend geprüft, genügt es, darauf hinzuweisen, dass in der gegenständlichen Überlassung der Grundstücke nur eine vermögensverwaltende, nicht jedoch eine betriebliche oder gewerbliche Tätigkeit zu sehen ist. Im Übrigen würde auch die Eigenschaft als Nebenbetrieb eine wirtschaftliche Unterordnung gegenüber dem land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb sowohl hinsichtlich der Zweckbestimmung als auch des wirtschaftlichen Umfanges erfordern (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1993, 92/15/0009, und vom 16. September 2003, 99/14/0228).

Ab dem Geltungsbereich des UStG 1994 sind auch die Regelungen der 6. Richtlinie zu beachten. Im Anhang B der Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen ist unter diesen Dienstleistungen u.a. nur die "Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken" genannt. Eine richtlinienkonforme Interpretation ergibt damit ebenfalls, dass die vorliegenden Nutzungsüberlassungen nicht in den Anwendungsbereich der Pauschalierungsregelung nach § 22 UStG 1994 einzubeziehen sind.

In der Beschwerde wird weiters gerügt, die belangte Behörde habe trotz eines klargestellten Berufungsantrages betreffend Anerkennung der Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 mit der Festsetzung von 20 % Umsatzsteuer zwar materiell entschieden, sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch mit diesem Antrag nicht befasst. Im angefochtenen Bescheid werde lediglich die Meinung vertreten, dass es sich bei den getroffenen Vereinbarungen um einen Dienstbarkeitsvertrag handle. Diese Rechtsansicht sei unrichtig. Die Vereinbarungen könnten sowohl als Dienstbarkeitsverträge als auch als Bestandverträge oder sonstige Verträge im Rahmen von Gebrauchsüberlassungen beurteilt werden. Die von den Vertragsparteien gewählte Bezeichnung "Dienstbarkeiten" sei nicht entscheidend für die Beurteilung, wie die belangte Behörde im Übrigen selbst in der Begründung des angefochtenen Bescheides erkannt habe.

Mit diesem zur Rechtsverletzung betreffend § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 erstatteten Vorbringen wird der Prüfungsumfang (vgl. § 41 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) des angefochtenen Bescheides insoweit festgelegt, als dieser über die Jahre 1995 und 1996 (nur für diese Jahre sind die Bestimmungen des UStG 1994 anzuwenden) abspricht. Dem Vorbringen kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:

Die belangte Behörde stützt sich zur Beurteilung der Frage, ob der Tatbestand der "Vermietung und Verpachtung" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 durch die Nutzungsüberlassung im Rahmen der gegenständlichen Dienstbarkeitsverträge erfüllt sei, darauf, dass zur Auslegung des Begriffes "Vermietung und Verpachtung" die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 1090 ABGB) heranzuziehen sind. Dabei hat die belangte Behörde die Rechtslage insofern verkannt, als im Geltungsbereich des UStG 1994 (nach dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften) auch die Vorschriften der 6. Richtlinie samt der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH zu beachten sind. Nach dieser Rechtsprechung stellen die in Art. 13 der 6. Richtlinie vorgesehenen Befreiungen (u.a. für die Vermietung von Grundstücken) eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar, die eine gemeinschaftsrechtliche Definition erfordern. Die Auslegung des Begriffes Vermietung von Grundstücken im Sinne von Art. 13 Teil B Buchstabe b der 6. Richtlinie kann somit nicht von der Auslegung abhängen, die im Zivilrecht eines Mitgliedstaates gegeben wird (vgl. z.B. das Urteil des EuGH vom 16. Jänner 2003, Rs C-315/00, Maierhofer, Rn 26). Das grundliegende Merkmal der Vermietung von Grundstücken im Sinne der zitierten Richtlinienbestimmung besteht nach der Rechtsprechung des EuGH darin, dass dem Betreffenden auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (vgl. z.B. die Urteile des EuGH vom 4. 10. 2001, C-326/99, "Goed Wonen", Rn 55, und vom 12. Juni 2003, Rs C-275/01, Sinclair Collis Ltd., Rn 25). Die vorliegenden Nutzungsüberlassungen wären daher unter diesen Gesichtspunkten zu beurteilen und die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen gewesen, ob oder inwieweit diese die Voraussetzungen einer Vermietung von Grundstücken im Sinne der zitierten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erfüllen und damit insoweit auch die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 zum Tragen kommen kann.

Der angefochtene Bescheid war somit, soweit er die Umsatzsteuer der Jahre 1995 und 1996 betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die gesondert geltend gemachte, jedoch bereits im nach § 48 Abs. 1 Z 2 VwGG pauschal festgelegten Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer.

Wien, am 30. Oktober 2003

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Vermietung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000150109.X00

Im RIS seit

04.12.2003

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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