TE Vfgh Erkenntnis 2008/2/25 B1926/06

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Veröffentlicht am 25.02.2008
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art133 Z4
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
Tir GVG 1996 §2 Abs1, §6 Abs1 lita, §28

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchdie Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung einesRechtserwerbs; keine denkunmögliche oder willkürliche Annahme einerfehlenden Betriebsbasis mangels ausreichenden Eigengrundes desBeschwerdeführers bzw agrarstruktureller Nachteile in Folge vonKleinstbesitz; keine Bedenken gegen den Ausschluss der Anrufung desVerwaltungsgerichtshofes im Tiroler Grundverkehrsgesetz

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 21. Oktober 2004 erwarb der

Erstbeschwerdeführer eine aus mehreren Grundstücken bestehende Liegenschaft in Mühlau im Gesamtausmaß von 3.306 m² vom Zweitbeschwerdeführer.

2. Die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz versagte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 30. März 2005 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.

Die gegen den Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission erhobene Berufung wies die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Weiteren: LGVK) mit Bescheid vom 25. September 2006 als unbegründet ab. Sie führte hiezu im Wesentlichen aus, dass der Erwerber bisher nicht Eigentümer eines Betriebes oder weiterer landwirtschaftlicher Grundflächen sei. Die in Rede stehenden landwirtschaftlichen Grundstücke, die als Auslauf für die Pferde des Erwerbers, eines Fiaker-Unternehmers, genutzt würden, seien für sich alleine nicht geeignet, eine ausreichende Betriebsbasis sicherzustellen. Wenngleich in unmittelbarer Nähe ein neues Stallgebäude errichtet wurde, könne nicht von einem wirtschaftlich gesunden mittleren oder kleineren landwirtschaftlichen Grundbesitz, der für die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes ausreichen würde, gesprochen werden. Der Rechtserwerb stelle daher einen agrarstrukturell nachteiligen Kleinstbesitz in der Hand des Käufers dar und widerspreche dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes.

3. Gegen diesen Bescheid der LGVK richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (im Weiteren: TGVG 1996), LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005, lauten:

"§2

Begriffsbestimmungen

...

(2) Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb) ist jede selbständige wirtschaftliche Einheit, die vom Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird und die geeignet ist, zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters bzw. seiner Familie beizutragen.

..."

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder
forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

..."

"§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich - der Sache nach - ausschließlich auf die Genehmigungsvoraussetzung des §6 Abs1 lita TGVG 1996. Gegen diese Rechtsvorschrift sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keine Bedenken entstanden.

1.2. In der Beschwerde wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer "gesetzwidrigen Flächenwidmung" behauptet, weil die Widmung der in Rede stehenden Grundstücke als landwirtschaftliche Nutzfläche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche.

Soweit die Beschwerdeführer damit die Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Mühlau darzutun beabsichtigen, erübrigt sich ein Eingehen auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen, weil zur Beantwortung der Frage, ob es sich bei einem Grundstück um ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück iSd §2 Abs1 TGVG 1996 handelt, allein aus der Widmung einer Grundfläche unter raumplanerischen und baurechtlichen Gesichtspunkten iSd ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nichts zu gewinnen ist (vgl. etwa VfSlg. 16.067/2001 mwN; idS auch VfSlg. 13.518/1993).

1.3. Die Beschwerdeführer bringen darüber hinaus vor, dass die Bestimmungen des TGVG 1996 eine "Ungleichbehandlung in der Beschwerdemöglichkeit an den VwGH" bewirkten, weil - sofern ihr diesbezügliches Vorbringen dahin zu verstehen ist - gegen Entscheidungen der LGVK als Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG (vgl. §28 Abs7 TGVG 1996), wenn diese Rechtserwerbe an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken betreffen, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich für zulässig erklärt wurde und insofern - im Hinblick auf Grundverkehrsgesetze anderer Länder, die eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ermöglichen - nicht alle Staatsbürger dieselbe Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit und denselben Rechtsschutz erhielten.

Wie der Verfassungsgerichtshof jedoch schon mehrfach ausgesprochen hat, begründet der Umstand, dass gegen Entscheidungen einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG nicht der Verwaltungsgerichtshof angerufen werden kann, keine Verfassungswidrigkeit (s. etwa VfSlg. 15.538/1999). Insbesondere ist mit dem Hinweis auf andere österreichische Grundverkehrsgesetze unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes nichts zu gewinnen, weil das bundesstaatliche Prinzip die Anwendung des Gleichheitssatzes auf das Verhältnis der Regelungen verschiedener Landesgesetzgeber zueinander ausschließt (s. etwa VfSlg. 14.783/1997 mwN).

1.4. Es ist daher ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

2.1. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Dazu führen sie im Wesentlichen aus, dass es mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar sei, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung nur deshalb zu versagen, weil der Erwerber nicht über land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke in seinem Eigentum (sondern nur als Pächter) verfüge; dies habe eine unsachliche Ungleichbehandlung von Eigentümern und Pächtern zur Folge. Überdies wäre der Betrieb des Erwerbers als land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (iSd §2 Abs2 TGVG 1996) anzusehen gewesen und ein gesunder land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz liege zudem aufgrund der bestehenden Zersplitterung bereits derzeit nicht vor.

2.2. Unter teilweiser Wiederholung dieses Vorbringens sowie unter Hinweis darauf, dass der vorliegende Rechtserwerb entgegen der Auffassung der Behörde der Zielsetzung der Erhaltung bzw. Stärkung des Bauernstandes diene, wirft die Beschwerde der belangten Behörde auch eine "denkunmögliche Auslegung bzw. Anwendung" des TGVG 1996 vor, ohne dabei jedoch auf die Verletzung eines bestimmten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes Bezug zu nehmen.

2.3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) - angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften - nur vorliegen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

2.4. Ein solch schwerer Fehler ist der belangten Behörde allerdings nicht vorzuwerfen:

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung dargetan hat, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass auch die Größe des Eigengrundes im Hinblick auf den Gesetzeszweck der Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Besitzes wesentlich sein könne (vgl. zB VfSlg. 16.699/2002). Der Behörde kann daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei der Frage der - gesamthaft zu betrachtenden - Leistungsfähigkeit des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes insofern auch auf die Eigentumsverhältnisse abstellt, als es zutreffen mag, dass sich der Betrieb als Einheit - im Lichte der Zielsetzung des Gesetzes - nur dann wirtschaftlich führen lässt, wenn die landwirtschaftlichen Flächen im Hinblick auf ihre geringen Ausmaße (insbesondere der erworbenen und zu genehmigenden Liegenschaft im Ausmaß von 3.306 m²) gemeinsam bewirtschaftet werden (s. VfSlg. 17.878/2006; VfGH 27.2.2007, B889/05). Insofern ist der belangten Behörde kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen, wenn sie angesichts des Ausmaßes der in Rede stehenden Liegenschaft nicht als gesichert annimmt, dass die Kriterien des §6 Abs1 TGVG 1996 erfüllt werden (vgl. auch VfSlg. 15.324/1998).

Es ist daher weder denkunmöglich noch willkürlich, wenn die LGVK - auf Basis des in erster Instanz geführten Ermittlungsverfahrens, ergänzender Erhebungen auf Berufungsebene und nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - zum Schluss gelangt, dass der Erstbeschwerdeführer mangels ausreichenden Eigengrundes über keine entsprechende Betriebsbasis verfügt, sodass gesamthaft betrachtet das Rechtsgeschäft den öffentlichen Interessen iSd §6 Abs1 lita TGVG 1996 zuwiderlaufen würde. Selbst wenn der Rechtserwerb dem Beschwerdevorbringen folgend im Vergleich zu den gegenwärtigen Verhältnissen eine Verbesserung bewirken könnte, liegt in der Annahme agrarstruktureller Nachteile als Folge des Kleinstbesitzes in der Hand des Käufers keine Verfassungswidrigkeit.

3. Zum weiteren - in dieser Hinsicht unsubstantiierten - Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach über ihre Rechtssache kein Tribunal iSd Art6 Abs1 EMRK entschieden habe, weil die Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht gegeben sei, ist auf obige Ausführungen (Punkt III.1.3.) sowie auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Einrichtung der LGVK gemäß §28 TGVG 1996 (zuletzt etwa VfSlg. 17.858/2006) zu verweisen. Die gänzlich unbegründete, allgemeine Behauptung, dass nicht sämtliche Mitglieder der LGVK unabhängig und unparteiisch seien und sohin ein faires Verfahren nicht garantiert sei, geht angesichts dessen ebenso ins Leere wie das - ebenfalls unsubstantiierte - Vorbringen der Beschwerdeführer, es liege im Hinblick auf die dargelegten Behauptungen auch eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter vor.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden.

Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. §28 Abs7 TGVG 1996) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die - wie bereits dargelegt - beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 15.278/1998, 15.324/1998 mwN).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war aus den bereits genannten Gründen (s. Punkt III.1.3.) ebenfalls abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches,Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Behördenzusammensetzung, fairtrial, Rechtsschutz, Verwaltungsgerichtshof, Kollegialbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B1926.2006

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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