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91 Post-und FernmeldewesenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch völlige Außerachtlassung einer Übergangsbestimmung und daher Anwendung der neuen Rechtslage in einem Berufungsverfahren betreffend Erweiterung von Funkanlagen und Vorschreibung von Gebühren nach der TelekommunikationsgebührenverordnungSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 29.500,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beschwerdeführende Partei ist das Rote Kreuz, Landesverband Oberösterreich (im folgenden: bf. Partei). Mit erstinstanzlichem Bescheid des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg vom 10. August 1998 war über ihren Antrag vom 7. Juli 1997 die mit Bescheid aus 1966 erteilte Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb von Funkanlagen geändert (erweitert) worden (Zuteilung von Frequenzen für 8 Richtfunkstrecken). Der Spruch dieses Bescheides lautet:
"Auf Antrag wird gemäß §81 Abs1 des Telekommunikationsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/1997 die mit Bescheid vom 26.07.66, GZ ..., erteilte Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb von Funkanlagen in der nach der 139. Änderung, GZ ..., geltenden Fassung dahingehend geändert, wie dies aus dem mitfolgenden Verzeichnis der technischen Anlageblätter hervorgeht.
Für diese Bewilligung ist gemäß §§51 und 79 des Telekommunikationsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/1997, in Verbindung mit §1 und litB der Telekommunikationsgebührenverordnung, BGBl. II Nr. 29/1998, in der jeweils geltenden Fassung die einmalige Gebühr von S 21.600,- zu entrichten.
Dieser Bescheid ist dem zitierten Erstbescheid beizuschließen. Die technischen Anlageblätter sind gemäß den Angaben im Verzeichnis zu ordnen."
2. Gegen die Vorschreibung der Frequenzzuteilungsgebühr erhob die nunmehrige bf. Partei Berufung. Dieses Rechtsmittel wurde mit Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr vom 30. September 1998 gem. §66 Abs4 AVG
"in Verbindung mit §51 Abs2 des Telekommunikationsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/1997 (TKG) in Verbindung mit §1 und litB der Telekommunikationsgebührenverordnung, BGBl. II Nr. 29/1998 (TKGV) in der jeweils geltenden Fassung,"
abgewiesen.
3. Diesen Bescheid bekämpft die beschwerdeführende Partei mit der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides (sowie in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof) beantragt wird.
Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1.a) Das Telekommunikationsgesetz - TKG, BGBl. I Nr. 100/1997, ist mit 1. August 1997 in Kraft getreten (§128 Abs1 TKG). Damit trat das Fernmeldegesetz 1993, BGBl. Nr. 908, (zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 44/1997), außer Kraft (§124 TKG).
Hinsichtlich der aufgrund des TKG ergehenden Verordnungen normiert §128 Abs2 dieses Gesetzes, daß diese bereits ab dem auf die Gesetzeskundmachung folgenden Tag erlassen werden können, jedoch frühestens mit dem Inkrafttreten des Gesetzes in Kraft gesetzt werden dürfen.
Die Übergangsbestimmung des §125 TKG lautet auszugsweise:
"§125. (1) ...
(2) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verwaltungsverfahren, wie insbesondere das Verfahren zur Vergabe einer dritten Konzession zur Erbringung des reservierten Sprachtelefondienstes mittels Mobilfunk, sind nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen."
"(10) Sofern auf Grund dieses Bundesgesetzes Gebühren, Beiträge und dergleichen zu entrichten sind, die bisher noch nicht vorgeschrieben waren, so sind diese erstmals im Jänner 1998 für den Zeitraum ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bis 31. Dezember 1997 vorzuschreiben. Bereits geleistete ähnliche Zahlungen, wie Konzessionsabgaben sind bei der Vorschreibung zu berücksichtigen."
"(12) Bis zum 31. Dezember 1997 sind für Konzessionen, Bewilligungen und Zulassungen nach diesem Bundesgesetz die Gebühren nach den Bestimmungen des Fernmeldegebührengesetzes zu entrichten."
b) Nach §17 Abs1 TKG ist eine Konzessionsgebühr zu entrichten. Gemäß §68 Abs1 TKG ist die Errichtung und der Betrieb einer Funkanlage grundsätzlich nur mit einer Bewilligung zulässig.
§81 TKG enthält Regelungen für deren nachträgliche Änderung und bestimmt unter anderem, daß jede technische Änderung der Anlage - soweit davon Bestimmungen der Bewilligung betroffen sind - der vorherigen Bewilligung durch das zuständige Fernmeldebüro bedarf.
c) Nach §51 TKG sind für die Zuteilung und Nutzung von Frequenzen und für sonstige behördliche Handlungen im Zusammenhang mit der Frequenzzuteilung und Frequenzverwaltung vom Nutzer Gebühren zu entrichten. Diese bestehen aus einer einmaligen Zuteilungsgebühr sowie einer jährlichen Nutzungsgebühr. Weiters normiert §79 Abs1 TKG, daß für Bewilligungen und Zulassungen nach diesem Bundesgestz Gebühren zu entrichten sind.
2.a) Auf Grundlage der §§17 Abs1, 51 Abs2 und 79 Abs1 und 2 TKG erließ der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr (im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen) die Telekommunikationsgebührenverordnung - TKGV, BGBl. II Nr. 29/1998. Die Kundmachung erfolgte am 30. Jänner 1998.
b) §1 des 1. Abschnitts dieser Verordnung lautet:
"§1. Die Parteien haben für jede in ihrem Interesse liegende auf Grund des Telekommunikationsgesetzes verliehene Berechtigung oder vorgenommene Amtshandlung die im 2. Abschnitt festgesetzten Gebühren zu entrichten."
Nach §2 Abs1 TKGV tritt die Pflicht zur Entrichtung der Gebühren in dem Zeitpunkt ein, in dem die Berechtigung rechtskräftig verliehen ist oder die Amtshandlung vorgenommen wird. Gemäß §3 Abs1 TKGV können dann, wenn im Zusammenhang mit der Amtshandlung ein Bescheid ergeht, die Gebühren in dessen Spruch festgesetzt werden.
c) In der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden litB des 2. Abschnitts der TKGV ist die Höhe der einmaligen Frequenzzuteilungsgebühren (§51 TKG) festgelegt.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei wurde am 7. Juli 1997 beim Fernmeldebüro für Oberösterreich und Salzburg gestellt. Da das Telekommunikationsgesetz (TKG) erst am 1. August 1997 in Kraft getreten ist, ist davon auszugehen, daß es sich aufgrund der Einbringung des Antrages am 7. Juli 1997 um ein "zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängiges Verwaltungsverfahren" im Sinne des §125 Abs2 TKG handelte.
2. Die Beschwerde ist daher im Ergebnis berechtigt.
a) Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde u.a. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (z.B. VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987). Das Heranziehen der von der belangten Behörde angewendeten Normen (s. die folgende litb) führt im vorliegenden Fall nicht nur zu einem bloß formalen Vergreifen in einer Zitierung; es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß die Behörde bei der (gemäß §125 Abs2 TKG gebotenen) Fortführung des Verfahrens nach der bis zum Inkrafttreten des TKG geltenden Rechtslage zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen wäre. Der vorliegende Bescheid steht deshalb durch ein gröbliches Verkennen der anzuwendenden Rechtslage im besonderen Maß mit den Rechtsvorschriften im Widerspruch; er ist daher gesetzlos und willkürlich ergangen (vgl. VfSlg. 14.449/1996 sowie die dort zitierte Judikatur).
b) Die belangte Behörde hat, wie auch Punkt 6 der Begründung des angefochtenen Bescheids eindeutig belegt
("Dem Vorbringen in der Berufungsschrift ist entgegenzuhalten, daß die Behörde das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende Recht anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise wäre lediglich dann geboten, wenn in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck gebracht wird, daß auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist. Da die TKGV jedoch keine derartige Übergangsbestimmung normiert, war spruchgemäß zu entscheiden."),
unter völliger Außerachtlassung der Übergangsbestimmung des §125 Abs2 TKG auf das anhängige Verfahren bereits die neue (durch das TKG geschaffene) Rechtslage angewendet. Dem maßgeblichen Umstand, daß es sich im vorliegenden Berufungsfall um ein "anhängiges Verwaltungsverfahren" im Sinne des §125 Abs2 TKG handelte, sowie den aus dieser Erkenntnis erfließenden rechtlichen Konsequenzen wurde keine Beachtung geschenkt.
Schon allein daraus ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden ist.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den Kosten sind S 4.500,-- Umsatzsteuer sowie die entrichtete Eingabengebühr in Höhe von S 2.500,-- enthalten.
V. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Fernmelderecht, ÜbergangsbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B2160.1998Dokumentnummer
JFT_09999374_98B02160_00