TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/25 2001/11/0326

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Veröffentlicht am 25.11.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §26 Abs1 Z3;
FSG 1997 §26 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z1;
FSG 1997 §7 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in E, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Oktober 2001, Zl. VerkR-394.379/1-2001-Vie/Hu, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Verhängung eines Lenkverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers entzogen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 17. Oktober 2001 entzog der Landeshauptmann von Oberösterreich dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen B, C, E, F und G wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab 1. September 2001, dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheins, und verbot dem Beschwerdeführer das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für den selben Zeitraum. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Oberösterreich nach Wiedergabe des Ganges des Verwaltungsverfahrens sowie der maßgeblichen Rechtslage aus, nach der Aktenlage habe der Beschwerdeführer am 1. September 2001 gegen 5.00 Uhr einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Pkw in E. auf einem näher bezeichneten öffentlichen Parkplatz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Betrieb genommen und habe die Beleuchtung (Abblendlicht) eingeschaltet. Bei Prüfung seiner Atemluft sei ein Alkoholgehalt von 0,70 mg/l festgestellt worden. Der Beschwerdeführer bestreite auch nicht, das in Rede stehende Kraftfahrzeug in Betrieb genommen zu haben. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG stelle auch die Inbetriebnahme des in Rede stehenden Kraftfahrzeugs im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer begangenen Alkoholdelikt eine bestimmte, die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende Tatsache dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht verletzt, dass ihm die Lenkberechtigung nicht entzogen werde, und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, und wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz-SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen

oder

...

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. ... .

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. (1) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt, die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Wochen zu entziehen. Wenn jedoch

...

3. der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, beträgt,

so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen.

...

Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen

§ 32. (1) Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, hat die Behörde unter Anwendung der §§ 24 Abs. 4, 25 Abs. 1, 26 und 29 Abs. 1 bis 3 entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges

1. ausdrücklich zu verbieten,

..."

1.2. § 99 StVO 1960 lautet (auszugsweise):

"§ 99. Strafbestimmungen

...

(1a) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist ... zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

..."

2.1. Wie sich aus § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG ergibt, genügt für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinn des Abs. 1 bereits, dass jemand ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen hat (zum Erfordernis diesbezüglicher Feststellungen vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Mai 2000, Zl. 2000/11/0065, und vom 11. Juli 2000, Zl. 2000/11/0011). Da der Beschwerdeführer die Feststellungen der belangten Behörde, er habe am 1. September 2001 zur oben angegebenen Zeit auf einem öffentlichen Parkplatz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,70 mg/l) ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen und die Beleuchtung (Abblendlicht) eingeschaltet, nicht bestreitet, kann die erkennbare, wenngleich nicht ausdrücklich in der Bescheidbegründung angeführte, Folgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe beim Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Der Beschwerdeführer räumt im Übrigen das Begehen dieser Verwaltungsübertretung ausdrücklich ein.

Wie bereits die Behörde erster Instanz hat auch die belangte Behörde, ohne dies näher zu begründen, die von ihr ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers nicht auf § 26 Abs. 1 Z. 3 FSG gestützt. Diese Vorgangsweise entsprach der Rechtslage, weil vor der FSG-Novelle BGBl. I Nr. 81/2002, die im Beschwerdefall noch nicht maßgeblich ist, eine zwingende Entziehung der Lenkberechtigung nach § 26 Abs. 1 zweiter Satz Z. 3 nur für Fälle des Lenkens eines Kraftfahrzeuges vorgesehen war.

Lag aber kein Sonderfall der Entziehung nach § 26 FSG vor, so durfte sich die belangte Behörde nicht mit dem von ihr zutreffend erkannten Vorliegen einer bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z. 1 FSG begnügen, sondern hatte im Rahmen der nach § 7 Abs. 5 zwingend vorgesehenen Wertung zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer verkehrsunzuverlässig im Sinne des § 7 Abs. 1 FSG war. Eine solche Wertung hat die belangte Behörde gänzlich unterlassen, offenbar in der Annahme, eine solche könne im Hinblick auf das Begehen eines Alkoholdelikts durch den Beschwerdeführer unterbleiben. In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde auch unterlassen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander zu setzen, der im Verwaltungsverfahren vorgebracht hatte, das Auto zwar zunächst in Betrieb genommen, hernach jedoch eingeschlafen und erst von den Beamten aufgeweckt worden zu sein. Jedenfalls dann, wenn die Angaben des Beschwerdeführers zuträfen, dürfte im Rahmen der nach § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer für eine Zeit von drei Monaten im Sinne des § 25 Abs. 3 FSG verkehrsunzuverlässig gewesen wäre. Eine Entziehung der Lenkberechtigung wäre folglich diesfalls ausgeschlossen gewesen.

Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. März 2003, G 203/02 ua.-8, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch angesichts der in der Beschwerde geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmungen über die Entziehung der Lenkberechtigung zu einer Antragstellung nach Art. 140 Abs. 1 B-VG nicht veranlasst.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit mit ihm die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers entzogen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2.2. Im Übrigen war die Beschwerde jedoch abzuweisen, weil der Beschwerdeführer durch das von der belangten Behörde ausgesprochene Lenkverbot in dem von ihm ausschließlich geltend gemachten Gesetz auf Nichtentziehung der Lenkberechtigung nicht verletzt worden ist.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50, VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. November 2003

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001110326.X00

Im RIS seit

08.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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