TE Vwgh Erkenntnis 2003/11/27 99/15/0083

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Veröffentlicht am 27.11.2003
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §21 Abs1;
BAO §22;
BAO §23;
EStG 1988 §27 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der H in M, vertreten durch Hausmanninger Herbst Wietrzyk, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IXA) vom 8. März 1999, Zl GA RV/141- 06/11/98, betreffend Einkommensteuer 1993 und 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist bei der S GmbH, deren Alleingesellschafter ihr Ehemann ist, als Dienstnehmerin beschäftigt. Sie erklärte in den Streitjahren neben Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung negative Einkünfte aus Kapitalvermögen (im Wesentlichen Zinsaufwand) in Höhe von rund S 2 Mio (1993) bzw. rund S 1,8 Mio (1994). Anlässlich einer 1997 bei der Beschwerdeführerin stattfindenden Betriebsprüfung stellte der Prüfer ua fest, dass diese Verluste aus Darlehen der Beschwerdeführerin an die S GmbH resultierten. Die Beschwerdeführerin habe selbst für die Aufbringung der erforderlichen Mittel Kredite aufnehmen und in ihrem Privatvermögen befindliche Liegenschaften zu deren Besicherung verwenden müssen. Bis 1992 habe sie die dabei angefallenen Zinsen in gleicher Höhe (dh ohne Aufschlag) an die S GmbH weiterverrechnet. Ab 1993 seien die Zinsen mit einem Aufschlag weiterverrechnet und bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden. Schriftliche Vereinbarungen über die Darlehensmodalitäten wie Rückzahlung, Verzinsung oder Besicherungen seien nicht getroffen worden. Auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Situation der S GmbH seien die in Rechnung gestellten Zinsen nur teilweise bezahlt worden. Eine Kapitaltilgung sei bisher nicht erfolgt. Es ergebe sich folgendes Bild:

 

Verlust

Gesamtverlust

 

 

 

1993
1994
1995
1996

-2.964,968,86
-2.068.692,65
-2.142.817,96
- 1.845.287,90

-2.964.968,86
- 5.033.661,51
-7.176.479,47
- 9.021.767,37.

Weiters seien von der Beschwerdeführerin in die Einnahmen

Zahlungen aufgenommen worden, die Vorjahre bzw. Barauslagen

beträfen und daher auszuscheiden seien:

 

1994

1995

1996

Einnahmen
darin enthalten:
Zinsen 1992
Barauslagen
(für die S GmbH
bezahlte Rechnungen)

1,461.991,00

426.084,88

-

2.430.753,34

-


733.007,54

3.054.712,10

1,368.000,00

-.

Der Prüfer vertrat die Ansicht, die Gründe für die Darlehenshingabe seien im Naheverhältnis der Darlehensnehmerin zum alleinigen Gesellschafter gelegen. Somit bestehe eine familienhafte Veranlassung. Obwohl der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der S GmbH bekannt gewesen seien und die S GmbH mit den Zahlungen aus einem Mietvertrag mit der Beschwerdeführerin bereits mehrere Monate im Rückstand gewesen sei, habe eine Besicherung des Darlehens nicht stattgefunden. Da 1993 bis 1996 kein Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten vorliege und auf Grund der wirtschaftlichen Lage der S GmbH damit auch in näherer Zukunft nicht zu rechnen sei, müsse von Liebhaberei ausgegangen werden.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 1993 Sachbescheide für 1993 und 1994.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und führte ua aus, sie selbst habe nahezu ausschließlich die kaufmännische Leitung bei der S GmbH inne, während ihr Ehemann sich vor allem um die technischen Belange kümmere. Durch die Hingabe finanzieller Mittel sichere sich die Beschwerdeführerin nicht nur weitere Einkünfte aus dieser Darlehensgewährung, sondern gleichzeitig auch die Erhaltung ihrer Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Darlehensvertrag sei zur Vermeidung von Gebühren nur mündlich abgeschlossen worden. Das Interesse anderer Unternehmen an der S GmbH sowie deren zukunftsträchtigen Produkte habe die Beschwerdeführerin zur Darlehensgewährung veranlasst. Da neben der Beschwerdeführerin auch andere Personen (Gesellschaften) der S GmbH Geldmittel zur Verfügung gestellt hätten, sei die Auffassung, die Darlehenshingabe beruhe auf einer familienhaften Veranlassung, nicht zutreffend. Aus den von der Beschwerdeführerin fakturierten Zinsen lasse sich eindeutig eine Gewinnerzielungsabsicht und damit das subjektive Ertragsstreben ableiten:

Jahr

Fakturierte Zinsen

Zinsaufwand

Überschuss

Gewinnspanne

1993
1994
1995

3.224.495,00
3.880.000,00
4,982.049,00

2.964.969,00
3.597.483,00
4.573.571,00

259.526,00
282.517,00
408.478,00

8,85%
7,85%
8,93%

In der Stellungnahme zur Berufung führte der Prüfer ua aus, die Gewinnspanne könne in Relation zum eingesetzten Kapital keinesfalls als gut bezeichnet werden, zumal Einnahmen bisher nicht angefallen seien. Es ergebe sich folgendes Bild:

 

Soll-
Überschuss

Saldo-Verr.Kto
S GmbH


Gewinnspanne

 

 

 

 

1993
1994

259.526,00
282.517,00

36.183.440,00
35.517.170.00

0,72%
0,80%

Ein marktgerechtes Verhalten setze auch marktgerechte Konditionen auf Grund der Darlehensbesicherung voraus. Kein fremder Dritter würde Darlehen in Höhe von S 20 Mio. ohne entsprechende Besicherung und schriftlichen Darlehensvertrag gewähren. Bereits in den Vorjahren seien Darlehen ohne Gewinnaufschlag gewährt und nur teilweise beglichen worden. Dass trotz dieser Umstände weitere Darlehen ohne die geringste Besicherung gewährt worden sein sollen, erscheine weder fremdüblich noch marktgerecht, sondern sei nur auf das Naheverhältnis zum 100%-igen Gesellschafter der S GmbH zurückzuführen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, die Liebhaberei-Verordnung könne zur Lösung der Frage der steuerlichen Beurteilung der strittigen Darlehensgewährung nicht herangezogen werden. Entscheidend seien im vorliegenden Fall vielmehr die Umstände, unter denen die Darlehensgewährung zu Stande gekommen sei.

Folgende Kriterien sprächen gegen die Fremdüblichkeit der mit der S GmbH abgeschlossenen Darlehensverträge:

     1.        Es seien keine schriftlichen Vereinbarungen über

die Darlehensmodalitäten wie Rückzahlung, Verzinsung und

Besicherungen getroffen worden.

     2.        Für die erforderlichen Mittel habe die

Beschwerdeführerin selbst Kredite aufnehmen müssen, die mit im

Privatvermögen befindlichen Liegenschaften besichert worden seien.

     3.        Der Beschwerdeführerin seien bereits zum Zeitpunkt

der Darlehenshingabe die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der

S GmbH bekannt gewesen.

4. Die Darlehenshingabe sei erfolgt, obwohl die S GmbH als Mieterin einer der Beschwerdeführerin gehörenden Liegenschaft die Miete für mehrere Monate nicht habe entrichten können.

5. Alleiniger Gesellschafter der S GmbH sei der Ehemann der Beschwerdeführerin.

Der Prüfer habe daher zu Recht die Ansicht vertreten, im Beschwerdefall sei eine familienhafte Veranlassung gegeben und diese sei ausschließlich auf das Naheverhältnis zum alleinigen Gesellschafter, dem Ehemann der Beschwerdeführerin, zurückzuführen.

Aus dem Bericht des Prüfers ergebe sich, dass die in Rechnung gestellten Zinsen nur zum Teil bezahlt worden seien und eine Kapitaltilgung überhaupt nicht erfolgt sei. Der Beschwerdeführerin könne nicht gefolgt werden, wenn sie allein aus dem Umstand, dass Zinsen fakturiert worden seien, auf das Vorliegen eines subjektiven Ertragsstrebens schließe. Die Vereinbarung von Darlehenszinsen spräche noch nicht für das Vorliegen einer Einkunftsquelle, weil bis 1992 die angefallenen Zinsen in gleicher Höhe ohne Aufschlag weiterverrechnet worden seien. Ab 1993 sei die Weiterverrechnung der Zinsen mit einem Aufschlag offensichtlich nur deshalb erfolgt, um die erwirtschafteten Verluste in Form einer Steuerverminderung bei der Beschwerdeführerin auf die Allgemeinheit abwälzen zu können.

Die Verluste hätten 1993 und 1994 insgesamt S 5,033.661,-- betragen, wobei sie sich bis 1996 auf rund S 9 Mio. erhöhen dürften. Statt der beabsichtigten Gewinne in Höhe von S 260.000,-- bzw. S 280.000,-- seien Verluste von S 3 Mio bzw. S 2 Mio erzielt worden. Es sei nicht fremdüblich, Darlehen in Höhe von S 20 Mio. ohne Besicherung und ohne schriftlichen Darlehensvertrag zu gewähren. Obwohl bereits in den Vorjahren solche Darlehen ohne Gewinnaufschlag gewährt worden und ebenfalls nur zum Teil beglichen worden seien, habe die Beschwerdeführerin der S GmbH weitere Darlehen gewährt.

Hinsichtlich des in eventu gestellten Antrages der Beschwerdeführerin die Aufwendungen allenfalls als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zum Abzug zuzulassen, sei auszuführen, dass es auch hier schon an der Anerkennung der Darlehenshingabe in Folge von familienhafter Veranlassung mangle. Auch bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit würde sich jeweils ein Verlust ergeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 27 Abs 1 Z 4 EStG 1988 sind Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, zum Beispiel aus Darlehen, Anleihen, Einlagen, Guthaben bei Banken (Kreditinstituten) und aus Ergänzungskapital im Sinne des Kreditwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes, Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 gehören.

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin der S GmbH, deren Alleingesellschafter ihr Ehemann ist und zu der sie in einem Dienstverhältnis steht, Geldbeträge überlassen hat. Die Beschwerdeführerin behauptet, die Überlassung sei als verzinsliches Darlehen zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes erfolgt. Die belangte Behörde ist zur Überzeugung gelangt, dass der Zahlung eine andere (familienhafte) Veranlassung zu Grunde liegt.

Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Die dazu von der belangten Behörde vorzunehmende Beweiswürdigung muss den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2002, 98/14/0213). Hievon ausgehend, hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.

Es hält unter dem Blickwinkel eines entgeltlichen Darlehens keinem Fremdvergleich stand, wenn Beträge in Millionenhöhe ohne schriftliche Rückzahlungsvereinbarung an eine zu diesem Zeitpunkt bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindliche Schuldnerin hingegeben werden, ohne die Forderungen durch schriftliche Verträge oder nach außen tretende Sicherstellungen (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 2000, 95/15/0127, und vom 4. Oktober 1983, 83/14/0034) abzusichern. Hinsichtlich der erstmals in der Beschwerde angesprochenen Verpfändung von Markenrechten wird auf das Neuerungsverbot hingewiesen.

Somit kann auch die Rüge, die belangte Behörde habe sich nicht in ausreichendem Maße mit dem Eventualantrag auf Berücksichtigung der Verluste als Werbungskosten zur Sicherung des Arbeitsplatzes auseinander gesetzt, der Beschwerde nicht zu einem Erfolg verhelfen. Auf Grund der von der belangten Behörde festgestellten familienhaften Veranlassung der Darlehenshingabe konnten die Verluste auch bei den nichtselbstständigen Einkünften keine Berücksichtigung finden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. November 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999150083.X00

Im RIS seit

22.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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