TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/15 2003/03/0149

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Veröffentlicht am 15.12.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E07204010;
E3L E13301800;
E3L E15102050;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/03 Sonstiges Verkehrsrecht;
99/03 Kraftfahrrecht;

Norm

31994L0055 Gefahrguttransport-RL AnlB Rn10500;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL idF 31999L0047;
31999L0047 Nov-31994L0055;
ADR 1973 Rn10500;
ADR 1973;
EURallg;
GGBG 1998 §11;
GGBG 1998 §2 Abs1 lita idF 1999/I/108;
GGBG 1998 §27 Abs1 Z1;
GGBG 1998 §7 Abs2 Z3;
GGBG 1998 §7 Abs2 Z7;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §44a;
VStG §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Egon Duschek, Rechtsanwalt in 8720 Knittelfeld, Schulgasse 22, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 4. April 2003, Zl. UVS 30.8-5/2002-8, betreffend Übertretung nach dem GGBG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung der Übertretung des § 7 Abs. 2 Z. 3 GGBG (Spruchpunkt 2.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 27. Dezember 2001 wurde dem Beschwerdeführer "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Fa. P... Spedition- und Transport GesmbH mit Sitz in Maria Buch-Feistritz" zur Last gelegt, er sei dafür verantwortlich, dass die genannte Firma als Beförderer von "Gefahrengut" nicht dafür gesorgt habe, dass die Vorschriften des Gefahrgutbeförderungsgesetzes eingehalten worden seien. Der näher bestimmte LKW-Zug sei am 2. Februar 2001 auf der A 1, auf Höhe Strkm. 171,000, Gemeindegebiet Ansfelden, Bezirk Linz-Land, Fahrtrichtung Salzburg, von J.F. gelenkt und es sei damit das näher angeführte "Gefahrengut" befördert worden (u.a. "25 kg (Brutto) Desinfektionsmittel, flüssig, giftig, n.a.g. - Gefahrgut der Klasse 6.1. Zi. 25c ADR"). Es sei festgestellt worden, dass

"1. Übertretung

keine schriftliche Weisung gemäß Rn 10381/2 lit. c bzw. Rn 10385 ADR mitgeführt wurde, obwohl gefährliche Güter nur befördert werden dürfen, wenn dem zuständigen bei der Beförderung tätigen Personal, die in gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände übergeben worden sind.

...

2. Übertretung

keine Gefahrzettel gemäß Rn 10500 und 61 500 ADR auf dem Wechselaufbau (LKW) außen für die jeweilige Klasse angebracht waren."

Der Beschwerdeführer habe dadurch zu Pkt. 1. gegen § 7 Abs. 2 Z. 7 GGBG und zu Pkt. 2. gegen § 7 Abs. 2 Z. 3 GGBG verstoßen. Es wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung mit der Maßgabe abgewiesen,

"als im Punkt 1.) keine schriftliche Weisung gemäß RN 10381 Abs 2 lit c iVm RN 10385 ADR für 25 kg Gefahrgut der Klasse 6.1 Z 25 c ADR, Desinfektionsmittel, flüssig, giftig, n.a.g., UN 3142 mitgeführt wurde und im Punkt 2.) für das angeführte Gefahrgut keine Gefahrzettel gemäß RN 10500 und RN 61500 ADR auf dem Wechselaufbau des LKW außen für die jeweilige Klassen angebracht waren."

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Gefahrgutbeförderungsgesetz - GGBG, BGBl. I Nr. 145/1998, ist dieses Bundesgesetz auf die Beförderung gefährlicher Güter anzuwenden:

"1. ganz oder teilweise auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs. 1 StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960), wenn die Beförderung nicht ausschließlich innerhalb eines geschlossenen Betriebsgeländes stattfindet".

Gemäß § 2 Z. 1 lit. a GGBG in der Fassung BGBl. I Nr. 108/1999 gelten für die Beförderung gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 u. a. innerhalb Österreichs die Anlagen A und B der Richtlinie 94/55/EG des Rates vom 21. November 1994 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für den Gefahrguttransport auf der Straße i.d.F. der Richtlinie 1999/47/EG der Kommission vom 21. Mai 1999.

In allen übrigen Fällen ist gemäß § 2 Z. 1 lit. b GGBG das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR, BGBl. Nr. 522/1973, i.d.F. der Änderung der Anlagen A und B, BGBl. III Nr. 211/1998) anzuwenden.

§ 4 Z. 4 GGBG sieht Folgendes vor:

"Verpackungen einschließlich Großpackmittel (IBC) dürfen als Versandstücke sowie Container und Tanks dürfen für Beförderungen im Sinne dieses Bundesgesetzes nur verwendet werden, wenn

1.

...

4.

an ihnen die auf Grund der gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Aufschriften, Gefahrzettel und sonstigen Informationen über die gefährlichen Güter, die Verpackung, den Container oder den Tank diesen Vorschriften entsprechend angebracht sind."

Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. dürfen gefährliche Güter nur befördert werden, wenn die Verwendung der Verpackung einschließlich Großpackmittel (IBC) als Versandstück oder die Verwendung des Containers oder Tanks gemäß § 4 zulässig ist.

Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 7 GGBG dürfen gefährliche Güter nur befördert werden, wenn dem zuständigen bei der Beförderung tätigen Personal die in den gemäß § 2 in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Begleitpapiere und Ausstattungsgegenstände sowie gegebenenfalls der Bescheid über die Ausnahmebewilligung gemäß § 9 übergeben worden sind, soweit dieses nicht bereits im Besitz dieser Gegenstände oder Papiere ist.

Gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 GGBG in der im Zeitpunkt der Tat geltenden Stammfassung begeht, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- bis S 600.000,-- zu bestrafen, wer als Beförderer gefährliche Güter entgegen § 7 Abs. 2 befördert.

Gemäß Rn. 10381 Abs. 2 lit. c der Anlage B der Richtlinie 94/55/EG i.d.F. der Richtlinie 1999/47/EG - im Folgenden:

Richtlinie/ADR - (übereinstimmend mit Rn. 10381 Abs. 2 lit. c Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, BGBl. Nr. 522/1973 - ADR) müssen, falls es die Vorschriften dieser Anlage vorsehen,

              "c)              die in Rn. 10385 vorgesehenen schriftlichen Weisungen für alle beförderten gefährlichen Stoffe"

in der Beförderungseinheit mitgeführt werden.

Rn. 10385 Abs. 1 der Anlage B der Richtlinie/ADR

(übereinstimmend mit Rn. 10385 Abs. 1 ADR i.d.F. BGBl. III Nr. 22/1997) lautet (im Auszug):

"(1) Für das Verhalten bei Unfällen oder Zwischenfällen, die sich während der Beförderung ereignen können, sind dem Fahrzeuglenker schriftliche Weisungen mitzugeben, die Angaben über jedes beförderte gefährliche Gut oder jede Gruppe gefährlicher Güter mit denselben Gefahren, zu der (denen) das beförderte gefährliche Gut (die beförderten gefährlichen Güter) gehört (gehören), in knapper Form enthalten:'

a) ... ."

Gemäß Rn. 10500 Abs. 1 erster Satz der Anlage B der Richtlinie/ADR (übereinstimmend mit Rn. 10500 Abs. 1 erster Satz ADR in der Fassung BGBl. III Nr. 22/1997) müssen Beförderungseinheiten, in denen gefährliche Güter befördert werden, mit zwei rechteckigen rückstrahlenden, senkrecht angebrachten orangefarbenen Tafeln, deren Grundlinie 40 cm und deren Höhe mindestens 30 cm beträgt, versehen sein (diese Regelung enthält weitere Anforderungen für diese anzubringenden Tafeln).

Rn. 10500 enthält in zwölf weiteren Absätzen Kennzeichnungs- bzw. Bezettelungsvorschriften.

Rn. 61500 der Anlage B der Richtlinie/ADR (übereinstimmend mit Rn. 61500 ADR in der Fassung BGBl. Nr. 357/1995) sieht Folgendes vor:

"Kennzeichnung und Bezettelung

Kennzeichnung

(1) Bei der Beförderung von Stoffen der Ziffer 31 a) muss das Fahrzeug an jeder Seite den Hinweis tragen, dass beim Auslaufen der Flüssigkeit größte Vorsicht geboten ist und sich niemand dem Fahrzeug ohne Gasmaske, Handschuhe und Stiefel aus Gummi oder geeignetem Kunststoff nähern darf.

Bezettelung

(2) Fahrzeuge mit festverbundenen Tanks oder Aufsetztanks und Tankcontainer sowie Fahrzeuge und Container für Güter in loser Schüttung, die Stoffe dieser Klasse enthalten oder enthalten haben (ungereinigte leere Tanks, Container oder Fahrzeuge für Güter in loser Schüttung), müssen mit Zetteln nach Muster 6.1 versehen sein.

Solche, die unter Rn. 2612 (3) bis (10) aufgeführte Stoffe enthalten oder enthalten haben, müssen außerdem mit Zetteln entsprechend dieser Randnummer versehen sein."

Mit der angeführten Richtlinie/ADR wurden die Regelungen des ADR in das Gemeinschaftsrecht umgesetzt (siehe dazu Abs. 2 und Abs. 12 der Einleitung der Richtlinie 94/55/EG). Da der Inhalt der Richtlinie/ADR mit dem ADR übereinstimmt, wird die Beschwerdeführerin in keinen Rechten verletzt, wenn die belangte Behörde im Spruch die inhaltsgleichen Regelungen des ADR angeführt hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. November  2003, Zl. 2001/03/0342).

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass als Tatort, da Unterlassungsdelikte vorlägen, der Sitz des vom Beschwerdeführer zu vertretenden Unternehmens im Spruch anzuführen gewesen wäre. Als Tatort sei jedoch innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist nur Ansfelden, der Ort der Kontrolle, genannt worden. Auch die im Spruch angeführte Tatzeit, nämlich die Zeit der Kontrolle des verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagens am 2. Februar 2001 um 15 Uhr, sei nicht zutreffend. Es sei daher keine taugliche Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist im Hinblick auf den Tatort- bzw. Tatzeitvorwurf gegenüber dem Beschwerdeführer gesetzt worden.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß der hg. Rechtsprechung zu § 44a VStG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 94/10/0017, und die in diesem dazu zitierte Vorjudikatur) muss die Tat so eindeutig umschrieben sein, dass kein Zweifel besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Diesen Anforderungen ist dann entsprochen, wenn die Tat dem Beschuldigten in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu wiederlegen, und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Slg. 11.894/A). Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt. Eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG setzt somit unter anderem grundsätzlich die Nennung des Tatortes voraus. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen unter den oben dargelegten Rechtsschutzgesichtspunkten etwa dann in Betracht, wenn im Zweifel der Sitz des Unternehmens als Tatort anzusehen ist und mit Rücksicht auf die sonst angeführten Sachverhaltselemente kein Zweifel übrig bleibt, auf welchen konkreten Tatvorwurf abgestellt wird.

In diesem Sinne tut es der ausreichenden Konkretisierung der Tat in der Verfolgungshandlung bzw. im Spruch des Erkenntnisses im vorliegenden Fall keinen Abbruch, wenn der Sitz des Unternehmens nicht ausdrücklich als Tatort im Spruch angeführt wurde, sondern der Ort der Kontrolle. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wurde die vom Beschwerdeführer zu vertretende Gesellschaft m.b.H. und ihr Unternehmenssitz angeführt. Auf Grund der konkreten Umschreibung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen war der Beschwerdeführer im dargelegten Sinne in die Lage versetzt, seine Verteidigungsrechte wahrzunehmen, ebenso war er vor einer Doppelbestrafung geschützt. Dies gilt auch in Ansehung der Tatzeit.

Weiters meint der Beschwerdeführer, er sei zu Unrecht als handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortlicher bestraft worden. Wie den Behörden bekannt sei, sei der Beschwerdeführer von der zu vertretenden Gesellschaft mit seiner Zustimmung am 23. Dezember 1999 zum Gefahrgutbeauftragten bestellt worden und sei seine Verantwortlichkeit daher ausschließlich in dieser Funktion gegeben.

Dem kann nicht gefolgt werden:

Gemäß § 11 Abs. 1 GGBG haben Unternehmen, deren Tätigkeiten die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, auf der Schiene oder auf Wasserstraßen oder das mit dieser Beförderung zusammenhängende Be- oder Entladen umfassen, einen oder mehrere qualifizierte Personen mit deren Zustimmung als Sicherheitsberater für die Gefahrgutbeförderung (Gefahrgutbeauftragte) zu benennen.

Gemäß § 11 Abs. 2 leg. cit. hat der Gefahrgutbeauftragte unter der Verantwortung des Unternehmensleiters im Wesentlichen die Aufgabe, im Rahmen der betroffenen Tätigkeiten des Unternehmens nach Mitteln und Wegen zu suchen und Maßnahmen zu veranlassen, welche die Durchführung dieser Tätigkeiten unter Einhaltung der geltenden Bestimmungen und unter optimalen Sicherheitsbedingungen erleichtern. Der Unternehmensleiter ist verpflichtet, den Gefahrgutbeauftragten bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu unterstützen, ihm hiefür ausreichend Zeit während der Arbeitszeit zu gewähren und Hilfsmittel, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten udgl. zur Verfügung zu stellen. In der Folge sind die einzelnen Tätigkeiten des Gefahrgutbeauftragten angeführt (u.a. Abs. 2 Z. 1 Überwachung der Einhaltung der Vorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter, Abs. 2 Z. 2 Beratung des Unternehmens bei den Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beförderung gefährlicher Güter, Abs. 3 Z. 1 Verfahren, mit denen die Einhaltung der Vorschriften zur Identifizierung der beförderten gefährlichen Güter sichergestellt werden soll).

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt.

Gemäß dem wiedergegebenen § 11 Abs. 1 GGBG hat der Gefahrgutbeauftragte "unter der Verantwortung des Unternehmensleiters" im Wesentlichen die Aufgabe, im Rahmen der Betroffenen Tätigkeiten des Unternehmens nach Mitteln und Wegen zu suchen und Maßnahmen zu veranlassen, welche die Durchführung dieser Tätigkeiten unter Einhaltung der geltenden Bestimmungen und unter optimalen Sicherheitsbedingungen erleichtern. Weder aus dieser Anordnung des § 11 noch aus den weiteren Regelungen in dieser Bestimmung (insbesondere der Anführung der Aufgaben des Gefahrgutbeauftragten im Einzelnen in Abs. 2 und Abs. 3) kann abgeleitet werden, dass dem Gefahrgutbeauftragten im Sinne des GGBG die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens übertragen worden wäre. Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer daher zutreffend als handelsrechtlichen Geschäftsführer der in Frage stehenden Gesellschaft m.b.H. im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zur Verantwortung gezogen.

Weiters meint der Beschwerdeführer in Bezug auf Spruchpunkt 1., es sei eine unzulässige Richtigstellung dieses Spruchpunktes durch Anführung des Gefahrgutes der Klasse 6.1 Z.25c ADR erfolgt. Eine solche Richtigstellung sei nur zulässig, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht ausgewechselt, sondern nur präzisiert werde. Schon in der Aufforderung zur Rechtfertigung sei dem Beschwerdeführer vorgeworfen worden, für sämtliche beförderten Gefahrgüter (solche der Klasse 8 und einmal solche der Klasse 6) keine schriftliche Weisung gemäß Rn. 10381 Abs. 2 lit. c bzw. Rn. 10385 der Richtlinie/ADR mitgeführt zu haben. In der Anzeige sei dem Beschwerdeführer dieser Vorwurf nur in Bezug auf die beförderten Gefahrgüter der Klasse 6.1. Zi. 25c ADR (25 kg Desinfektionsmittel - UN-Nr. 3142 - flüssig, giftig, n.a.g.) gemacht worden. Der dem Beschwerdeführer gegenüber innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erhobene Vorwurf sei daher gemäß § 44a VStG nicht ausreichend konkretisiert und individualisiert und schütze den Beschwerdeführer insbesondere nicht vor einer Doppelbestrafung. Hinsichtlich des Vorwurfes, dass auch hinsichtlich der beförderten Gefahrgüter der Klasse 8 eine schriftliche Weisung nicht mitgeführt worden sei, sei das Verwaltungsverfahren nicht eingestellt worden.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die von der belangten Behörde vorgenommene Präzisierung des Spruchpunktes 1. zulässig. Es fand nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Auswechslung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat statt. Während die erstinstanzliche Behörde dem Beschwerdeführer zum Vorwurf machte, keine schriftliche Weisung gemäß Rn. 10381 Abs. 2 lit. c ADR sowohl in Bezug auf die beförderten Gefahrgüter der Klasse 8 als auch in Bezug auf die der Klasse 6 mitgeführt zu haben, schränkte die belangte Behörde diesen Vorwurf auf die beförderten Gefahrgüter der Klasse 6 ein. Dieser strafrechtliche Vorwurf war aber bereits von der erstinstanzlichen Entscheidung mitumfasst und fand somit keine Auswechslung der Tat statt. Es erging somit in dem vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren, das in Spruchpunkt 1. zunächst den umfassenden Vorwurf der nichtmitgeführten entsprechenden schriftlichen Weisung für sämtliche beförderte Gefahrgüter (also auch jene der Klasse 8) enthielt, die abschließende und rechtskräftige Entscheidung, dass ein solcher Verstoß allein in Bezug auf die beförderten Gefahrgüter der Klasse 6 erfolgt ist. Es kann keine Rede davon sein, dass das Verfahren betreffend den fallen gelassenen Vorwurf der nicht mitgeführten Weisung in Bezug auf die beförderten Güter der Klasse 8 noch offen wäre und dass darüber in Zukunft noch entschieden werden könnte.

Weiters wendet sich der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt 2. Der Vorwurf, es wären "keine Gefahrenzettel gemäß Rn. 10500 und 61500 ADR auf dem Wechselaufbau (LKW) außen für die jeweilige Klasse angebracht" gewesen, sei unrichtig. Rn. 61500 ADR, auf dessen Abs. 2 die belangte Behörde ihre Begründung im Besonderen stütze, sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Abs. 1 betreffe lediglich die Kennzeichnung bei Beförderung von Stoffen der Z. 31a der Klasse 6.1. ADR und sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da solche Stoffe vom verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagen überhaupt nicht befördert worden seien. Abs. 2 dieser Randnummer gelte ausschließlich für Fahrzeuge mit fest verbundenen Tanks oder Aufsetztanks und Tankcontainer sowie Fahrzeuge und Container für Güter in loser Schüttung. Keiner dieser Sonderfälle liege im vorliegenden Fall vor. Es könne diesem Vorwurf somit nicht entnommen werden, welcher Gefahrzettel (der Klasse 8 oder der Klasse 6 oder beide) gefehlt habe, wie ihm auch nicht zu entnehmen sei, gegen welche der zahlreichen Bestimmungen der Rn. 10500 ADR bzw. der Rn. 61500 er verstoßen habe.

Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers ist zuzustimmen. Es ist keine ausreichende Konkretisierung der Tat, wenn in Bezug auf das Fehlen der Gefahrzettel auf Rn. 10500 ADR verwiesen wird, ohne dies im Hinblick auf die 13 Absätze dieser Randnummer weiter zu konkretisieren. Weiters fehlt für die Anwendung der in diesem Spruchpunkt angeführten und offensichtlich für maßgeblich erachteten Rn. 61500 ADR jegliche Begründung und ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, warum diese Randnummer, insbesondere der von der belangten Behörde in der Begründung genannte Abs. 2 dieser Bestimmung, für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug überhaupt zur Anwendung kommen kann.

Der angefochtene Bescheid war daher im Hinblick auf Spruchpunkt 2. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben; im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr.  333/2003.

Wien, am 15. Dezember 2003

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2 Mängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift Spruch der Berufungsbehörde (siehe auch AVG §66 Abs4 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003030149.X00

Im RIS seit

30.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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