TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/18 2000/08/0112

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Veröffentlicht am 18.12.2003
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §308 Abs1;
ASVG §308 Abs2;
ASVG §308 Abs3;
ASVG §5 Abs1 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Mag. W in W, vertreten durch Freimüller, Noll, Obereder, Pilz, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Oktober 1997, Zl. MA 15-II-Sch 28/97, betreffend Überweisungsbetrag gemäß § 311 ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 17/16), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stand von 1980 bis November 1986 als Angestellte in einem Beschäftigungsverhältnis. Von Dezember 1986 bis Oktober 1994 war sie Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat. In diesem Zeitraum wurde nach den Bestimmungen des Bezügegesetzes sowohl vom laufenden Bezug als auch von der Sonderzahlung ein Pensionsbeitrag entrichtet. Von den Bezügen wurde Lohnsteuer einbehalten. Während der Tätigkeit als Abgeordnete zum Nationalrat ging die Beschwerdeführerin keiner anderen Beschäftigung nach. Beim Ausscheiden aus dem Nationalrat erhielt die Beschwerdeführerin keine Abfertigung im Sinne des § 311 Abs. 3 lit. b ASVG, sie wurde nicht für laufende Versorgungsansprüche gemäß § 311 Abs. 3 lit. c leg. cit. entfertigt und es wurde ihr auch kein außerordentlicher Ruhegenuss im Sinne des § 311 Abs. 4 ASVG gewährt.

Seit Dezember 1994 ist die Beschwerdeführerin wiederum als Angestellte in einem Beschäftigungsverhältnis tätig.

Sie stellte am 17. Februar 1997 bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei) den Antrag, diese möge den Bund bescheidmäßig verpflichten, für die nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Monate während der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Abgeordnete zum Nationalrat einen Überweisungsbetrag zu leisten. Ergänzend zum eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt führte sie zur Begründung ihres Antrages aus, nach dem System des ASVG und der österreichischen Sozialversicherung sei im Falle des Ausscheidens eines Dienstnehmers aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ein Überweisungsbetrag an den Pensionsversicherungsträger zu leisten. Ebenso sei im Falle des Übertritts in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, aus welchem Ruhegenussansprüche entstehen können, die Überweisung der bisherigen Versicherungsbeiträge an den öffentlichen Dienstgeber vorgesehen. Es seien auch wechselseitige Überweisungen zwischen einzelnen Pensionsversicherungsträgern gesetzlich geregelt. Daraus sei erkennbar, dass die Leistung von Pensionsversicherungsbeiträgen, die auf Grund des Ausscheidens aus einem bestimmten Beschäftigungsverhältnis zu keinem Ruhegenussbezug aus diesem Beschäftigungsverhältnis führten, nicht frustriert sein sollten, sondern dass im Wege der Überweisung an andere Pensionsversicherungsträger die Möglichkeit gegeben sei, weitere Versicherungszeiten zu erwerben und mit Erreichen des pensionsfähigen Alters alle Versicherungszeiten bei einem Pensionsversicherungsträger kumuliert zu haben. Eine frustrierte Einzahlung in eine gesetzliche Pensionsversicherung sei damit zu vermeiden. Lediglich für den Fall, dass Politiker aus ihrer politischen Tätigkeit ausscheiden, ohne dass daraus ein Ruhegenussanspruch nach dem Bezügegesetz entstehe, sei eine Überweisung von Pensionsversicherungsbeiträgen nicht vorgesehen. Dies führe dazu, dass die während der Zeit als Politiker gemäß dem Bezügegesetz geleisteten Pensionsversicherungsbeiträge verfallen. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Differenzierung bestehe nicht. Dem könne entgegengehalten werden, dass es sich bei der Ausübung eines politischen Mandates nicht um ein Dienstverhältnis im Sinne des Sozialversicherungsrechtes handle. Für die Beschwerdeführerin sei allerdings die Tätigkeit als Abgeordnete nicht nur Ausübung eines politischen Mandates, sondern auch Erwerbsarbeit gewesen, weil sie in dieser Zeit keiner anderen Beschäftigung nachgegangen sei. Zur Vermeidung der sachlichen Ungleichbehandlung sei daher die Tätigkeit des Abgeordneten in den Fällen, in denen gleichzeitig keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden sei, als Dienstverhältnis im Sinne des ASVG zu interpretieren. Ein Dienstverhältnis im Sinne des ASVG liege demnach auch dann vor, "wenn die Ausübung eines öffentlichen politischen Mandats alleinige Erwerbsarbeit des Mandatsträgers" sei und eine Sozialversicherungspflicht nicht bestehe.

Die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei wies mit Bescheid vom 22. Mai 1997 diesen Antrag ab. In der Begründung wurde ausgeführt, die angesprochene Bestimmung des § 311 ASVG könne nicht zur Anwendung gelangen, weil die Beschwerdeführerin als Mitglied des Nationalrates kein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis zum Bund gehabt habe.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch. Darin hielt sie ihre im Antrag ausgedrückte Auffassung aufrecht. In ihrem Schriftsatz vom 31. Juli 1997 führte sie ergänzend aus, mit dem Bezügebegrenzungsgesetz sei das Bezügegesetz novelliert worden und der Gesetzgeber habe mit dieser Novelle genau das angeordnet, was die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag begehre, nämlich die Überweisung der bisher geleisteten Pensionsbeiträge nach dem Bezügegesetz, sofern sich daraus kein Ruhebezugsanspruch ergebe, an die Pensionsversicherungsanstalt. Der Gesetzgeber habe es aber unterlassen, Übergangsbestimmungen für die bereits aus dem Nationalrat ausgeschiedenen (also am Stichtag 31. Juli 1997 nicht mehr als Abgeordnete tätigen) Personen zu erlassen. Dies sei als außerplanmäßige Lücke zu interpretieren, weil kein Grund gegeben sei, bereits ausgeschiedene Parlamentarier schlechter zu behandeln als am 31. Juli 1997 noch aktive. Die vorhandene Lücke sei durch Analogie zu schließen, sodass auch nach § 49h des Bezügegesetzes die Leistung des Überweisungsbetrages begehrt werden könne.

Der Landeshauptmann von Wien gab dem Einspruch keine Folge. In der Begründung des Bescheides wurde dazu ausgeführt, § 311 Abs. 1 ASVG sehe die Leistung eines Überweisungsbetrages lediglich dann vor, wenn ein Dienstnehmer aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ausscheide oder ausgeschieden sei. Unter einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis sei gemäß § 308 Abs. 2 ASVG jedes Dienstverhältnis anzusehen, in dem der Dienstnehmer entweder von der Vollversicherung nach § 5 Abs. 1 Z. 3, 4 oder 6 ASVG ausgenommen und auch nicht nach § 7 Z. 2 lit. a leg. cit. in die Pensionsversicherung einbezogen oder in dem er nach § 7 Z. 1 lit. a bis d nur in der Kranken- und Unfallversicherung teilversichert sei. § 4 Abs. 2 ASVG definiere, wer als Dienstnehmer im Sinne des ASVG anzusehen sei. Im Hinblick darauf, dass ein Mitglied des Nationalrates gewählt werde, hinsichtlich der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden sei und die Freiheit der Mandatsausübung die gesamte parlamentarische Tätigkeit des Abgeordneten erfasse, sei das Bestehen eines pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnisses für die Tätigkeit eines Mitgliedes des Nationalrates zu verneinen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 14. Juni 2000, B 3030/97). In der für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, ihr Bezug auf Grund der Tätigkeit als Abgeordnete zum Nationalrat sei der Lohnsteuerpflicht unterlegen. Nach § 4 Abs. 2 ASVG gelte als Dienstnehmer jedenfalls auch, wer gemäß § 47 Abs. 1 und 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 lohnsteuerpflichtig sei. Da sie während ihrer Tätigkeit als Abgeordnete zum Nationalrat lohnsteuerpflichtig im Sinne des § 47 EStG 1988 gewesen sei, treffe die Definition des § 4 Abs. 2 ASVG auf sie zu. Der Umstand, dass § 4 Abs. 2 ASVG erst seit der 54. ASVG-Novelle dahingehend lautet, spreche nicht gegen ihre Auffassung, weil es in den diesbezüglichen Erläuterungen ausdrücklich heiße, dass die Bestimmung lediglich einer Klarstellung diene. Im Übrigen sei im Zusammenhang mit der Neuregelung des Bezügegesetzes, insbesondere dessen § 49h, vom Vorliegen einer "systematischen Lücke" auszugehen, weil andernfalls keine anderen Personen als ehemalige Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat vom österreichischen System der Überweisung von Pensionsbeiträgen ausgenommen wären. Diese vom Gesetzgeber nicht gewollte Lücke sei durch systematische Interpretation zu schließen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 311 Abs. 1 ASVG hat der Dienstgeber, soweit in den Absätzen 3 und 4 nichts anderes bestimmt wird, dann, wenn ein Dienstnehmer aus einem nach diesem Bundesgesetz pensionsversicherungsfreien oder nach früherem Recht rentenversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden ist oder er aus einem solchen Dienstverhältnis ausscheidet, ohne dass aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe(Versorgungs)genuss erwachsen ist und ohne dass ein außerordentlicher Ruhe(Versorgungs)genuss in der Höhe des normalmäßigen Ruhe(Versorgungs)genusses unwiderruflich gewährt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten. Nach dem verwiesenen Abs. 3 entfällt - soweit im Beschwerdefall von Bedeutung - die Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung eines Überweisungsbetrages dann, wenn der Dienstnehmer beim Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis nach den Dienst- und Besoldungsvorschriften für seine laufenden Versorgungsansprüche entfertigt wurde. Der verwiesene Abs. 4 sieht vor, dass dann, wenn beim Ausscheiden eines Dienstnehmers aus dem pensions(renten)versicherungsfreien Dienstverhältnis ein widerruflicher oder befristeter außerordentlicher Ruhe(Versorgungs)genuss in der Höhe eines normalmäßigen Ruhe(Versorgungs)genusses gewährt wurde, die Verpflichtung des Dienstgebers zur Leistung des Überweisungsbetrages nach Abs. 1 erst nach Wegfall dieses außerordentlichen Ruhe(Versorgungs)genusses besteht. Der Begriff pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis ist im § 308 Abs. 2 ASVG definiert. Demnach ist als pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis jedes Dienstverhältnis anzusehen, in dem der Dienstnehmer entweder von der Vollversicherung nach § 5 Abs. 1 Z. 3, 4 oder 6 ausgenommen und auch nicht nach § 7 Z. 2 lit. a in die Pensionsversicherung einbezogen ist oder in dem er nach § 7 Z. 1 lit. a bis d nur in der Kranken- und Unfallversicherung teilversichert ist.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist - zu Recht - nicht strittig, dass § 308 Abs. 2 ASVG abschließend definiert, was als pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis (sowohl im Sinne des § 308 Abs. 1 ASVG als auch) im Sinne des § 311 Abs. 1 ASVG zu verstehen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Juni 1994, 93/08/0009, und vom 12. Jänner 1972, Slg. Nr. 8139/A). Ebenso ist unstrittig, dass dem jeweiligen Versicherten Parteistellung in diesem Verfahren zukommt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1993, 93/08/0008, und vom 21. November 2001, 2001/08/0150).

Die Beschwerdeführerin lässt die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach ein pensionsversicherungsfreies Dienstverhältnis während ihrer Tätigkeit als Abgeordnete zum Nationalrat nicht vorliegt, unbekämpft. Ausgehend davon liegen die Voraussetzungen des § 311 ASVG nicht vor; der Antrag der Beschwerdeführerin wurde daher zu Recht abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, sie sei während ihrer Tätigkeit als Abgeordnete zum Nationalrat Dienstnehmerin im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gewesen, weil nach dieser Bestimmung jedenfalls auch derjenige als Dienstnehmer gelte, der gemäß § 47 Abs. 1 und Abs. 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 lohnsteuerpflichtig sei. Da sie während ihrer Tätigkeit als Abgeordnete zum Nationalrat der Lohnsteuerpflicht im Sinne des § 47 EStG 1988 unterlegen sei, sei sie zweifellos Dienstnehmerin im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gewesen.

Auf dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin ist schon deswegen nicht einzugehen, weil die angesprochene Verweisung im § 4 Abs. 2 ASVG auf § 47 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG 1988 erst am 1. Jänner 1999 in Kraft trat und daher von der belangten Behörde keinesfalls zu berücksichtigen war.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auch auf § 49h Bezügegesetz beruft, ist ihr zu entgegnen, dass darüber nicht in diesem Verfahren, sondern von der nach dem Bezügegesetz zuständigen Behörde in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000080112.X00

Im RIS seit

16.02.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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