TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/18 2002/06/0118

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Veröffentlicht am 18.12.2003
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1;
VStG 1991 §24;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/06/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des B in I, vertreten durch Dr. Christian Ortner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meinhardstraße 7, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol jeweils vom 3. Juni 2002, Zl. uvs- 2002/11/041-1, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung (protokolliert zur hg. Zl. 2002/06/0119), und Zl. uvs-2002/11/041-2, betreffend Zurückweisung einer Berufung (protokolliert zur hg. Zl. 2002/06/0118), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Stadtmagistrats der Landeshauptstadt Innsbruck vom 3. Dezember 2001 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S Verwaltungs-GesmbH, welche Komplementärin der S VerwaltungsgesmbH & Co KG und Betreiberin einer näher bezeichneten Tiefgarage sei, dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 54 Abs. 1 lit. b TBO 1998 begangen zu haben, dass er es zu verantworten habe, dass letztgenannte Gesellschaft die Tiefgarage in einem näher umschriebenen Tatzeitraum entgegen der im Bewilligungsbescheid erteilten Auflage, nämlich ohne dass die Brandmeldeanlage dieser Tiefgarage an die Empfangszentrale der Berufsfeuerwehr Innsbruck angeschlossen gewesen sei, betrieben habe. Über ihn sei daher eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-

- (EUR 1.453,46; Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 5 Tagen) zu verhängen gewesen.

Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2001 postalisch zugestellt.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen, am 24. Januar 2002 zur Post gegebenen Berufung war der Antrag verbunden, dem Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass die Sekretärin des Beschwerdevertreters bei Einlangen der Post auf dem Straferkenntnis den Eingangsstempel angebracht, die Frist errechnet und mit einem Tag Sicherheit am Einlaufstempel den Vermerk "20. 12." angebracht und die Frist gleichzeitig in den Kalender eingetragen habe. Bedauerlicherweise habe sich aber eine andere Rechtsmittelfrist in einer anderen Rechtssache der gleichen Mandantschaft mit dieser Rechtsmittelfrist überschnitten. Nur so habe es geschehen können, dass bei Erledigung dieser anderen Frist irrtümlich die gegenständliche Berufungsfrist aus dem Kalender ausgetragen worden sei. Dieser Fehler sei erst anlässlich der Vorlage zur Abrechnung hervorgekommen. Dieser Irrtum sei für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gewesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 22. März 2002 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 3. Dezember 2001 mit der Begründung nicht stattgegeben, der Beschwerdevertreter habe keinerlei Vorbringen erstattet, das darauf gerichtet gewesen wäre, glaubhaft zu machen, dass die Fristversäumung ohne sein Verschulden eingetreten wäre; insbesondere habe er es unterlassen, konkret darzutun, was er in Durchführung der ihm obliegenden Überwachungspflicht veranlasst habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die gegen den Bescheid vom 22. März 2002 gerichtete Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 72 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde führte nach Darstellung des oben bereits wiedergegebenen Verfahrenverlaufs und wörtlicher Wiedergabe der Berufung begründend aus, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Organisation des Kanzleibetriebes eines Rechtsanwaltes so einzurichten sei, dass die fristgerechte Einbringung von Rechtsmitteln oder von Beschwerden an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts gesichert erschienen. In der Rechtsanwaltskanzlei sei für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall stets der Anwalt und nicht etwa jener Kanzleiangestellte allein verantwortlich, der den Termin weisungsgemäß in den Kalender einträgt. Der Anwalt selbst habe die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Tut er dies nicht oder unterläuft ihm dabei ein Versehen, ohne dass er dartun könne, dass die Fristversäumnis auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten der Kanzleiangestellten beruhe und in seiner Person keinerlei Verschulden vorliege, so treffe ihn ein Verschulden, welches sich gegen die von ihm vertretene Partei auswirke. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass hinsichtlich des am 6. Dezember 2001 zugestellten Straferkenntnisses der Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist mit 20. Dezember 2001 errechnet und im Kalender eingetragen worden sei. Der Akt sei sodann dem Rechtsvertreter vorgelegt worden, dieser habe die Frist kontrolliert und der Partei berichtet, sodann sei der Akt vorläufig abgelegt worden. In der Folge sei infolge eines Irrtums der Kanzleikraft die im Kalender mit 20. Dezember 2001 eingetragene Frist als erledigt abgehakt worden. Dieser der Kanzleikraft noch nie unterlaufene Fehler müsse im Zuge der Erledigung einer anderen Fristsache für die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft geschehen sein, die sich im Fristenlauf mit dieser Sache überschnitten habe. Dadurch sei die Sache außer Evidenz geraten und der Akt nicht rechtzeitig zur Bearbeitung der Berufung vorgelegt worden. Erst am 22. Januar 2002 sei dem Beschwerdevertreter der Akt zwecks Abrechnung vorgelegt und die Fristversäumnis bemerkt worden. Die den Rechtsanwalt treffende Kontrolltätigkeit umfasse nicht nur die Festsetzung und Überprüfung der richtigen Eintragung der im gegenständlichen Fall am 20. Dezember 2001 endenden Berufungsfrist, sondern auch eine Kontrolle dahingehend, dass die Rechtssache rechtzeitig vor Ablauf der am 20. Dezember 2001 endenden Rechtsmittelfrist zur Einbringung einer allfälligen Berufung ihm durch die Kanzleikraft vorgelegt werde. Um die Wahrung der gegenständlichen Berufungsfrist zu sichern, hätte der Beschwerdevertreter lediglich Nachschau im Fristenbuch halten müssen. Wäre er dieser ihn treffenden Verpflichtung nachgekommen, hätte ihm das irrtümliche Streichen der mit 20. Dezember 2001 eingetragenen Berufungsfrist auffallen müssen und es wäre bei pflichtgemäßem Vorgehen nicht zur Versäumung der Berufungsfrist gekommen.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen das Straferkenntnis vom 3. Dezember 2001 erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 24, 51 Abs. 1 und 51e VStG als verspätet zurück.

Diesen Bescheid begründete die belangte Behörde damit, dass die am 24. Januar 2002 erhobene Berufung erst nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist zur Post gegeben worden und somit verspätet sei. Dem Wiedereinsetzungsantrag sei mit Bescheid der Erstbehörde vom 22. März 2002 nicht stattgegeben worden, die dagegen erhobene Berufung sei mit Bescheid vom 3. Juni 2002 abgewiesen worden.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welchen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung von Gegenschriften Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß dem nach § 24 VStG auch in Verwaltungsstrafsachen vor den unabhängigen Verwaltungssenaten anzuwendenden § 63 Abs. 5 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, beträgt die Berufungsfrist zwei Wochen.

Im Beschwerdefall erfolgte die postalische Zustellung des Straferkenntnisses vom 3. Dezember 2001 an den Vertreter des Beschwerdeführers am 6. Dezember 2001, die zweiwöchige Berufungsfrist endete daher am 20. Dezember 2001. Die erst am 24. Januar 2002 zur Post gegebene Berufung war somit verspätet, weshalb sie zutreffend von der belangten Behörde zurückgewiesen wurde. An diesem Ergebnis ändert auch die gleichzeitig mit der Berufung beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist nichts, weil eine inhaltliche Behandlung der Berufung erst im Falle der Bewilligung der beantragten Wiedereinsetzung möglich ist. Der erstangefochtene Bescheid erweist sich somit als nicht rechtswidrig. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Auch der zweitangefochtene Bescheid erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als frei von Rechtsirrtum:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, der in der oben bereits bezeichneten Fassung auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden ist, ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Verschulden des Rechtsvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflg., E Nr. 33 f, zu § 71 AVG, und die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 656, zitierte Judikatur). Ein "minderer Grad des Versehens" (§ 1332 ABGB) liegt dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht. Der Wiedereinsetzungswerber respektive sein Rechtsvertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben.

Im Beschwerdefall wurde zwar die Berufungsfrist richtig errechnet, richtig vorgemerkt und auch richtig in den Kalender eingetragen, was vom Beschwerdevertreter auch kontrolliert und für richtig befunden worden war. Der Fehler erfolgte aber durch irrtümliche Streichung des Kalendervormerks. Damit gleicht der Sachverhalt in allen wesentlichen Elementen jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 3. April 2001, Zl. 2000/08/0214, zugrunde lag. Um Wiederholungen zu vermeiden wird zur weiteren Begründung der vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Aus den oben dargelegten und den aus dem genannten Erkenntnis ersichtlichen Gründen erwiesen sich beide Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Dezember 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002060118.X00

Im RIS seit

30.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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