TE Vwgh Erkenntnis 2003/12/18 99/12/0236

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Veröffentlicht am 18.12.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
AVG §56;
BDG 1979 §14 Abs1;
BDG 1979 §14 Abs3;
BDG 1979 §14 Abs4;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §4 Abs4 Z3 idF 1997/I/138;
PG 1965 §4 Abs7 idF 1997/I/138;
PG 1965 §62c Abs1 idF 1996/201;
PG 1965 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes (nunmehr: des beim Vorstand der Österreichischen Post Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes) vom 16. Juli 1999, Zl. 125815-HC/99, betreffend Bemessung des Ruhegenusses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Bemessung des Ruhegenusses für die Zeit ab 1. Jänner 1998 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1943 geborene Beschwerdeführer steht als Zentralinspektor i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Er war vor seiner Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 31. Oktober 1997 zuletzt beim fernmeldetechnischen Zentralamt als Referent im gehobenen technischen Dienst für Notstromaggregate tätig.

Mit Auftrag vom 11. März 1996 ersuchte die belangte Behörde das "Anstaltsärztliche Büro der Post-und Telekom Austria Aktiengesellschaft Direktion Wien - Personalamt" um Abgabe eines medizinischen Gutachtens, unter anderem zur Frage, ob der Beschwerdeführer weiterhin "als Referent in gehobener technischer Verwendung" verwendet werden könne. Auf Grund von häufigen und langen Krankenständen werde vermutet, dass der Beschwerdeführer dauernd dienstunfähig und das Ruhestandsversetzungsverfahren einzuleiten sei.

Am 22. März 1996 stellte das Fernmeldetechnische Zentralamt an die PVAng das Ersuchen um Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wurde sodann mit Ablauf des 31. Oktober 1997 in den Ruhestand versetzt. Mit Bescheid der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft, Direktion Wien Personalamt, vom 30. Oktober 1997 wurde sein Ruhegenuss unter Anwendung der §§ 4 und 62c des Pensionsgesetzes 1965 bemessen.

Gegen den zuletzt genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 14. November 1997 Berufung und führte aus, er sei seit 11. Oktober 1995 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand mit kurzen Unterbrechungen im Krankenstand gewesen, welcher nur für einen Erholungsurlaub vor einer Operation unterbrochen worden sei. De facto sei seine Dienstunfähigkeit sicherlich schon auf Grund dieses Umstandes vor jenem Stichtag gegeben gewesen, der für die Wirksamkeit dieser Kürzungsbestimmung maßgeblich gewesen sei. Mit Bescheid des Bundessozialamtes sei seine Invalidität mit 80 von Hundert festgestellt worden. Es stehe nicht in seinem Einflussbereich, wann die Feststellung der Dienstunfähigkeit erfolge. Man könne von der Anwendbarkeit des § 62c Abs. 1 PG 1965 ausgehen, wenn man seine Erkrankung berücksichtige, die zur Versetzung in den Ruhestand geführt und bereits seit dem 11. Oktober 1995 bestanden habe.

In dem auf Auftrag der belangten Behörde erstellten amtsärztlichen Sachverständigengutachten vom 9. Juli 1999 wurde ausgeführt, dass in neuerlicher Einschätzung der vorliegenden Diagnosen zu prüfen sei, ob und welche Einschränkungen für den Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung bestanden hätten. Zusammenfassend sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Arbeitsplatzanforderungen weiterhin zu erfüllen. Der Schweregrad des Leidenszustandes sei jedoch nicht so ausgeprägt gewesen, dass nicht körperlich einfachere Tätigkeiten möglich gewesen wären. Insbesondere seien zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung die medizinischen Voraussetzungen gegeben gewesen, körperlich leichtere Tätigkeiten "vollschichtig" auszuüben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß §§ 4 und 62c PG 1965, idF des Art. 4 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ab.

Nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens und der maßgeblichen Rechtslage führte die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, dass das Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 entweder auf Antrag oder von amtswegen eingeleitet werden könne. Das Antragsverfahren sei mit Einlangen des Antrages bei der Behörde eingeleitet. Das amtswegige Verfahren gelte unabhängig von der Dauer eines zeitlich vorgelagerten Krankenstandes mit der ärztlichen Untersuchung als eingeleitet, welche im Beschwerdefall zur Beauftragung der PVAng mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Beamten geführt habe.

Der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach sein Krankenstand mit Unterbrechungen seit 11. Oktober 1995 gedauert habe und daher die Ruhestandsversetzung bereits vor dem 16. Februar 1996 eingeleitet worden sei, sei entgegenzuhalten, dass die Fürsorgepflicht des Dienstgebers gegenüber seinen Dienstnehmern zweifellos gebiete, dass einem Erkrankten - insbesondere, wenn er das gesetzliche Pensionsalter noch nicht erreicht habe - zunächst Gelegenheit gegeben werde, durch geeignete medizinische Behandlungen die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Die Inaussichtnahme einer Ruhestandsversetzung oder Kündigung eines Dienstnehmers unmittelbar nach Bekanntwerden einer Erkrankung würde zweifellos gegen diese Fürsorgepflicht verstoßen. Im Beschwerdefall sei nicht von vornherein anzunehmen gewesen, dass dauernde Dienstunfähigkeit vorliege, zumal der Beschwerdeführer seit dem 11. Oktober 1995 wiederholt seinen Krankenstand durch mehrwöchige Dienstleistungen unterbrochen habe und erst mit 12. Februar 1996 in "durchgehenden" Krankenstand getreten sei. Es habe daher die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers bei Einsetzen geeigneter Behandlungen durchaus erwartet werden können.

Da der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Ruhestandsversetzung gestellt habe, handle es sich im Beschwerdefall um ein amtswegiges Ruhestandsversetzungsverfahren. Die Einleitung eines amtswegigen Verfahrens setze einen der zur Entscheidung berufenen Behörde zuzurechnenden Willensakt voraus. Die zur Entscheidung berufene Behörde sei das beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichtete Personalamt. Einen solchen Willensakt stelle die Beauftragung der PVAng zur Erstellung eines Gutachtens als Grundlage für die allfällige Versetzung des Beamten in den Ruhestand dar. Ein derartiger Verfahrensschritt sei im Beschwerdefall erstmals nach der am 14. März 1996 durchgeführten anstaltsärztlichen Untersuchung gesetzt worden. Das amtswegige Ruhestandsversetzungsverfahren sei daher mit der Beauftragung der PVAng zur Begutachtung seines Gesundheitszustandes auf Grund des Ergebnisses der anstaltsärztlichen Untersuchung vom 14. März 1996 und somit nach dem 16. Februar 1996 eingeleitet worden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1999, Zl. 97/12/0315).

Mit dem 1. Budgetbegleitgesetz 1997, BGBl. I Nr. 138, seien die Bestimmungen des § 4 Abs. 4 PG 1965 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1998 dahingehend erweitert worden, dass eine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage auch dann nicht stattfinde, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig sei. Diese Bestimmung sei mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1998 gemäß § 41 Abs. 1 PG 1965 zutreffendenfalls auch auf jene Beamten anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt unter Anwendung der Abschlagsregelung in den Ruhestand versetzt worden seien.

Laut der zur Klärung dieser Frage eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 9. Juli 1999 zu dem dem Pensionierungsverfahren zu Grunde liegenden Gutachten der Amtssachverständigen Dr. W. vom 29. August 1997 und zur chefärztlichen Stellungnahme der PVAng vom 14. Juni 1996, leide der Beschwerdeführer an einer koronaren Herzkrankheit mit Zustand nach erfolgreicher Aufdehnung mit Stent-Implantation eines Herzkranzgefäßes im August 1995, Bluthochdruck, Fett- und Zuckerstoffwechselstörung, altersentsprechenden Aufbrauchserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates und mittelgradiger Schwerhörigkeit beidseits als teilweise Folge einer Lärmbelastung (mit Hörgerät versorgt). Trotz dieser Gesundheitsstörungen seien dem Beschwerdeführer bezogen auf den Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung noch körperlich leichte Tätigkeiten in abwechselnder Körperhaltung ohne besondere Ansprüche an die Hörleistung und ohne Einschränkungen hinsichtlich der geistigen Leistungsfähigkeit möglich; dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Bemessung seiner Ruhestandsbezüge in gesetzlicher Höhe nach den Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965, insbesondere zufolge seines § 62c, in eventu seines § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 ohne Anwendung der Abschlagsregelung seines § 4 Abs. 3, durch unrichtige Anwendung dieser Normen, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, §§ 37, 39, 60 AVG) verletzt.

Im Beschwerdefall ist zunächst der Zeitpunkt der Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens des Beschwerdeführers strittig.

Gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

§ 4 PG 1965, BGBl. Nr. 340, idF BGBl. Nr. 201/1996, hat folgenden Wortlaut:

"Ruhegenussermittlungsgrundlagen und Ruhegenussbemessungsgrundlage

§ 4. (1) Der Ruhegenuss wird auf der Grundlage des ruhegenussfähigen Monatsbezuges und der ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ermittelt.

(2) 80 vH des ruhegenussfähigen Monatsbezuges bilden die Ruhegenussbemessungsgrundlage.

(3) Für jeden Monat, der zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Monates liegt, in dem der Beamte sein 60. Lebensjahr vollendet haben wird, ist die Ruhegenussbemessungsgrundlage von 80% um 0,1667 Prozentpunkte zu kürzen. Das sich aus dieser Kürzung ergebende Prozentausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage ist auf zwei Kommastellen zu runden.

(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt

1.

im Fall des im Dienststand eingetretenen Todes des Beamten,

2.

wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen ist und dem Beamten aus diesem Grund eine Versehrtenrente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung gebührt.

(5) Die Ruhegenussbemessungsgrundlage darf 62 % des ruhegenussfähigen Monatsbezuges nicht unterschreiten."

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 138/1997, welche am 1. Jänner 1998 in Kraft trat, wurde für die Zeit vom 1. Jänner 1998 bis zum 31. Dezember 2002 der Punkt am Ende des § 4 Abs. 4 Z 2 durch das Wort „oder'' ersetzt und folgende Z 3 angefügt:

"3. wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist.''

Dem § 4 wurde für die Zeit bis zum 31. Dezember 2002 u. a. folgender Abs. 7 angefügt:

"(7) Als dauernd erwerbsunfähig im Sinne des Abs. 4 Z 3 gilt ein Beamter nur dann, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.''

§ 41 Abs. 1 leg. cit., idF BGBl. Nr. 550/1994, hat folgenden Wortlaut:

"(1) Künftige Änderungen dieses Bundesgesetzes gelten auch für Personen, die Anspruch auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz haben."

§ 62c Abs. 1 leg. cit., idF BGBl. Nr. 201/1996, lautet:

"(1) Auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand vor dem 16. Februar 1996 eingeleitet worden ist, sind die §§ 4 und 12 in der bis zum Ablauf des 30. April 1996 geltenden Fassung weiter anzuwenden."

Zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt der Beschwerdeführer aus, dass die Abschlagsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 deshalb nicht anzuwenden sei, weil im Beschwerdefall im Sinne des § 62c Abs. 1 PG 1965 von einer Verfahrenseinleitung vor dem 16. Februar 1996 auszugehen sei. Darauf habe die belangte Behörde in der Bescheidbegründung erwidert, dass die Verfahrenseinleitung erst durch die Beauftragung der PVAng zur Begutachtung seines Gesundheitszustandes erfolgt und diese Beauftragung "aufgrund des Ergebnisses der anstaltsärztlichen Untersuchung vom 14. März 1996" durchgeführt worden sei. Daraus sei der üblichen Verwaltungspraxis entsprechend zu schließen, dass die anstaltsärztliche Untersuchung vom 14. März 1996 "mindestens das wahrscheinliche Vorliegen einer dauernden Dienstunfähigkeit ergeben" habe. Nur in einem solchen Fall sei der relativ aufwendige Vorgang der Begutachtung seitens der PVAng überhaupt in Bewegung gesetzt worden. Ob aber tatsächlich erst durch das Herantreten an die PVAng die Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens gegeben gewesen sei, könne nur beurteilt werden, wenn feststehe, wann der Auftrag zur anstaltsärztlichen Untersuchung ergangen sei und welchen Inhalt dieser Auftrag gehabt habe.

Auch wenn die belangte Behörde dahingehend argumentiere, dass der ununterbrochen bis zur Pensionierung dauernde Krankenstand erst am 12. Februar 1996 begonnen habe, habe es bereits vorher eine solche Häufung von Krankenständen gegeben, dass bei einem Fortdauern des entsprechenden Zustandes eine Dienstfähigkeit im erforderlichen Ausmaß nicht mehr angenommen werden könne, weil die Zwischenphasen der Dienstverrichtung zu kurz gewesen seien. Als der Beschwerdeführer daher am 12. Februar 1996 wiederum nicht zum Dienst erschienen sei, sei es für die belangte Behörde klar erkennbar gewesen, dass die Frage einer dauernden Dienstunfähigkeit virulent gewesen sei.

Dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides über diese Frage keine Klarheit geschaffen werde, stelle dementsprechend einen wesentlichen Begründungsmangel dar. Ein entsprechender Mangel des Ermittlungsverfahrens bestehe darin, dass nicht - unter Gewährung des Parteiengehörs - nähere Erhebungen zu diesem Thema durchgeführt worden seien.

Zumindest ab dem 1. Jänner 1998 scheide die Anwendbarkeit der Abschlagsregelung des § 4 Abs. 3 PG 1965 darüber hinaus dann aus, wenn im Sinne des Abs. 4 Z. 3 und des Abs. 7 leg. cit. zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung nicht nur Dienstunfähigkeit, sondern auch Erwerbsunfähigkeit gegeben gewesen seien. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Berufung sei diese Regelung noch nicht in Kraft gewesen. Jedoch habe die belangte Behörde richtig erkannt, dass sie sich dennoch mit dieser Frage auseinander setzen habe müssen, was allerdings im angefochtenen Bescheid verfahrensrechtlich mangelhaft erfolgt sei.

Grundsätzlich sei offensichtlich übersehen worden, dass zwischen der Begutachtung des Beschwerdeführers seitens der PVAng im Frühjahr 1996 und der wirksamen Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers am 31. Oktober 1997 ungefähr eineinhalb Jahre verstrichen seien. Vor allem seine Kreislauferkrankung sei naturgemäß ein progressiv fortschreitender Vorgang. Selbst wenn daher im voran angeführten Begutachtungszeitraum nur eine Dienstunfähigkeit, nicht aber eine Erwerbsunfähigkeit gegeben gewesen wäre, hätte daher untersucht werden müssen, ob nicht im weiteren zeitlichen Verlauf bis zum 31. Oktober 1997 auch die Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei. Die belangte Behörde habe nicht einmal den Versuch unternommen, eine dahingehende Beweisaufnahme vorzunehmen, worin ein entscheidender Mangel des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich des § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit Abs. 7 PG 1965 liege.

Daran ändere auch die ergänzende Stellungnahme des Amtssachverständigen Dr. G vom 9. Juli 1999 nichts. Soweit dies der Bescheidbegründung entnommen werden könne, sei dabei zwar ein amtsärztliches Gutachten vom 29. August 1997 berücksichtigt worden, dass aber direkt oder indirekt Untersuchungen beziehungsweise Befunde in Bezug auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nach dem Frühjahr 1996 durchgeführt oder erhoben worden wären, werde nicht einmal behauptet.

Zudem sei dem Beschwerdeführer zu dieser Stellungnahme Dris. G. kein Parteiengehör gewährt worden und er habe von ihrer Existenz erstmals auf Grund der Begründung des angefochtenen Bescheides erfahren. Da jedoch auch der Bescheidbegründung der Inhalt dieser Stellungnahme nicht ausreichend zu entnehmen sei, handle es sich nicht um ein schlüssiges Beweismittel. Bei Gewährung von Parteiengehör wäre von ihm vorgebracht und bewiesen worden, dass er jedenfalls zum Zeitpunkt seiner (effektiven) Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des 31. Oktober 1997 gesundheitlich bereits so beeinträchtigt gewesen sei, dass er keinerlei anhaltender Berufstätigkeit mehr nachgehen hätte können und daher erwerbsunfähig gewesen sei. Sein Zustand habe sich seit der Begutachtung im Frühjahr 1996 weiter verschlechtert. Bei gleichzeitiger Berufstätigkeit wäre aber aller Wahrscheinlichkeit nach noch eine wesentlich stärkere Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten. Univ. Prof. Dr. M., der ihn behandelt habe, habe ihm gegenüber ausdrücklich erklärt, dass eine zielführende Behandlung parallel zur Arbeitsverrichtung nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer hätte daher zumindest so oft in Krankenstand gehen müssen, dass von einer Erwerbsfähigkeit nicht mehr gesprochen werden könne.

Es sei in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass die Frage der Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit im gesamten Verwaltungsverfahren nie thematisiert und ihr keine rechtliche Bedeutung zugemessen worden sei. Er habe zum Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand 37 1/2 Jahre ruhegenussfähige Dienstzeit aufzuweisen gehabt, sodass eine Zurechnung von Jahren im Sinne des § 9 Abs. 1 PG 1965 nicht in Frage gekommen sei. Die nunmehrige Regelung des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965 habe es zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Die belangte Behörde hätte daher im Rahmen des Berufungsverfahrens die Frage der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers klären und ein vollständiges Ermittlungsverfahren durchführen müssen. Es sei aber gleichsam geheim ohne Gewährung von Parteiengehör die Stellungnahme von Dr. G. eingeholt und es seien darüber hinaus keine weiteren Verfahrensschritte unternommen worden. Nach den in der Bescheidbegründung zu den Ausführungen von Dr. G. enthaltenen Angaben sei von diesem seine "Hörgeräte-Unverträglichkeit" nicht zur Kenntnis genommen worden, obgleich sie auch der PVAng Begutachtung zu entnehmen gewesen sei; allein daraus ergäben sich aber wesentliche negative Faktoren für mögliche berufliche Betätigungen, die unberücksichtigt geblieben seien.

Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die belangte Behörde bezüglich der Anwendbarkeit von § 62c Abs. 1 PG 1965 ausgeführt habe, dass das Verfahren mit der ärztlichen Untersuchung als eingeleitet gelte, die zur Beauftragung der PVAng geführt hätte. Dies sei aber zweifellos unrichtig, weil nicht erst das Tätigwerden eines Sachverständigen, sondern der vorangehende behördliche Auftrag an ihn die Verfahrenseinleitung bewirkt habe, und die Verfahrensdurchführung primär Angelegenheit der Behörde sei und daher auch deren Akte für die Frage des Zeitpunktes der Verfahrenseinleitung maßgeblich seien.

Zur Frage der Erwerbsunfähigkeit sei der Begründung des angefochtenen Bescheides nichts Näheres zu entnehmen. Immerhin müsse aber daraus geschlossen werden, dass die belangte Behörde nicht richtig erkannt habe, dass konkrete Berufsbilder für eine ihm angeblich noch mögliche Erwerbstätigkeit anzugeben gewesen wären, weil mehrere nachhaltige Einschränkungen anerkannt worden seien.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu § 62c Abs. 1 PG 1965 zum Ausdruck gebracht, dass die amtswegige Einleitung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens jedenfalls einen entsprechenden Willensakt der Behörde voraussetzt, der der zuständigen Dienstbehörde zuzurechnen sein muss. Für das Vorliegen eines solchen Willensaktes ist maßgeblich, ob die zuständige Aktivdienstbehörde eine Amtshandlung gesetzt hat, die - objektiv betrachtet - darauf abzielte, den Sachverhalt der dauernden Dienstunfähigkeit des Beamten im Sinne des § 14 BDG 1979 zu klären (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1999, Zl. 97/12/0315). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsauffassung kommt es für die Beurteilung des Zeitpunktes der amtswegigen Einleitung eines Ruhestandsversetzungsverfahrens nicht auf die Dauer des "Krankenstandes" an.

Mit Erkenntnis vom 23. Juni 1999, Zl. 98/12/0500, hat der Verwaltungsgerichtshof anerkannt, dass die im Namen der obersten Dienstbehörde von einer nachgeordneten Dienstbehörde veranlasste Befassung der PVAng als Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens im Sinne des § 62c Abs. 1 PG 1965 zu werten ist. Im Beschwerdefall ist auf Grund der unbedenklichen Aktenlage (auch der Auftrag der belangten Behörde an das Anstaltsärztliche Büro zur Erstattung eines Gutachtens erfolgte erst am 11. März 1996) festzustellen, dass ein derartiger maßgeblicher Verfahrensschritt seitens der nachgeordneten Dienstbehörde erst mit 22. März 1996, also nach dem im § 62c Abs. 1 PG 1965 vorgesehenen Stichtag, erstmals erfolgte. Die belangte Behörde ist jedenfalls - mangels eines eigenen Antrages des Beschwerdeführers und mangels eines vor dem Stichtag gesetzten Willensaktes der Behörde im vorher dargestellten Sinne - zu Recht davon ausgegangen, dass das Ruhestandsversetzungsverfahren des Beschwerdeführers erst nach dem genannten Stichtag eingeleitet worden ist. Die Anwendung der Abschlagsregelung für den Zeitraum ab Beginn der Ruhestandsversetzung (1. November 1997) bis zur Änderung der Rechtslage ab 1. Jänner 1998 (Einfügung des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965) entsprach daher dem Gesetz.

Anders ist dies aber in der Frage des Entfalles des Abschlages nach der Rechtslage ab 1. Jänner 1998 (Einfügung des § 4 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 7 PG 1965) zu sehen. Hinsichtlich der Verpflichtung der Behörde zur Anwendung der neuen Rechtslage auf anhängige Fälle der Ruhegenussbemessung genügt es gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das bereits genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1999, Zl. 98/12/0500, hinzuweisen. Die belangte Behörde war demnach verpflichtet, die während des bei ihr anhängigen Berufungsverfahrens ab 1. Jänner 1998 eingetretene Änderung der Rechtslage zu prüfen und gegebenenfalls eine ab diesem Zeitpunkt eintretende Änderung der Ruhegenussbemessung in ihren Bescheid aufzunehmen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die im Ruhestandsversetzungsverfahren in der Regel auf Grundlage ärztlicher Gutachten (siehe § 14 Abs. 4 BDG 1979; vgl. aber auch § 36 Abs. 1 PG 1965) von der Aktivdienstbehörde zu beurteilende Rechtsfrage der Dienstfähigkeit mit der bei der Ruhegenussbemessung von der Pensionsbehörde zu beurteilenden Rechtsfrage der dauernden Erwerbsfähigkeit nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 nicht ident. Der schon bisher im § 9 Abs. 1 PG 1965 verwendete Begriff der (zumutbaren) Erwerbsfähigkeit ist dabei (gegenüber dem Begriff der Dienstunfähigkeit) der weitere und bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist nach der Rechtsprechung zwar abstrakt zu beurteilen (d.h., es ist nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar sind oder nicht, es muss sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist); es kommt aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen. Hiebei ist weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben ist.

Die Erwerbsfähigkeit setzt jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitlich durchgehende Einsatzfähigkeit des Beamten voraus.

In dieser Hinsicht besteht zum Erwerbsunfähigkeitsbegriff im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 (anders als in Bezug auf die Zumutbarkeit eines Verweisungsberufes, der nur nach § 9 Abs. 1 PG zu prüfen ist) kein Unterschied.

Die Unterschiedlichkeit des Begriffsinhaltes "Dienstfähigkeit" im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 und "Erwerbsfähigkeit" nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 schließt nicht aus, dass medizinische Gutachten, die im Ruhestandsversetzungsverfahren herangezogen wurden, auch im Ruhegenussbemessungsverfahren zu berücksichtigen und die dort festgestellten Leidenszustände (sofern sie medizinisch hinreichend fundiert sind) bei der Beurteilung der für die Ruhegenussbemessung maßgebenden Frage der Erwerbsunfähigkeit miteinzubeziehen sind. Für die Beurteilung durch den ärztlichen Sachverständigen ist sowohl hinsichtlich der Dienstfähigkeit als auch der Erwerbsfähigkeit der Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung des Beamten maßgebend.

Bei der Beurteilung der Fähigkeit, einen regelmäßigen Erwerb nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 ausüben zu können, können aber auch medizinische Aspekte maßgebend sein, die für die Beurteilung der Dienstfähigkeit nach § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BDG 1979 nicht mehr (weil deren Erhebung beispielsweise für die Frage der Dienstunfähigkeit gar nicht notwendig war) entscheidend waren und für deren Geltendmachung der Beamte daher im Ruhestandsversetzungsverfahren gar keine Veranlassung hatte. Hiezu erscheint auch die Auseinandersetzung mit der Frage der Eingliederungsmöglichkeit eines frühpensionierten Beamten am Arbeitsmarkt im Hinblick auf bei ihm aus medizinischen Gründen notwendigerweise zu erwartende leidensbedingte Krankenstände sowie sonstige (gesundheitliche) Behinderungen angezeigt.

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.

Bei der Beurteilung des Begriffes der Erwerbsunfähigkeit handelt es sich um eine Rechtsfrage. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, der zur Entscheidung berufenen Behörde bei der Feststellung des Sachverhaltes die fachkundigen Grundlagen zu liefern, die eine Auseinandersetzung mit dem gesamten Leidenszustand im Hinblick auf die abstrakte Eingliederungsmöglichkeit in den Arbeitsprozess ermöglichen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 27. September 2000, Zl. 99/12/0294).

Im Beschwerdefall mangelt es schon an einer medizinisch hinreichenden Abklärung der vom Beschwerdeführer behaupteten Hörgeräte-Unverträglichkeit und an einer Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die Einsatzfähigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse der Arbeitswelt unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes gegeben ist. Weiters ist im Beschwerdefall keinerlei Auseinandersetzung mit der für die Beurteilung der Fähigkeit zu einem regelmäßigen Erwerb wesentlichen Frage der zu erwartenden leidensbedingten Krankenstände erfolgt.

Die belangte Behörde hat sohin ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfrage der Erwerbsunfähigkeit ausreichende weitere Erhebungen zum Leidenszustand des Beschwerdeführers und zu seiner allenfalls noch gegebenen Eingliederungsmöglichkeit am Arbeitsmarkt unterlassen, sodass der angefochtene Bescheid - soweit über den Ruhegenuss des Beschwerdeführers auch für die Zeit ab 1. Jänner 1998 abgesprochen wird - aus den vorher dargestellten Überlegungen in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war; im Übrigen (das heißt, soweit der angefochtene Bescheid über den Zeitraum bis 31. Dezember 1997 abgesprochen hat) war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 18. Dezember 2003

Schlagworte

Gutachten rechtliche Beurteilung Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Sachverständiger Entfall der Beiziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999120236.X00

Im RIS seit

28.01.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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