TE Vwgh Erkenntnis 2004/3/25 2001/16/0040

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Veröffentlicht am 25.03.2004
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Index

32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

GebG 1957 §25 Abs1;
GebG 1957 §33 TP20 Abs1 Z2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der Ö GesmbH in W, vertreten durch Dr. Peter Lösch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1/4/16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 24. November 2000, Zl. RV29/1-9/1998, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GesmbH war persönlich haftende Gesellschafterin der seit 1962 zu HRA 21707 des Handelsgerichtes Wien protokollierten Ö-GesmbH und Co KG (im Folgenden: Ö KG). Die Auflösung und Löschung der Ö KG wurde am 9. April 1994 im Firmenbuch eingetragen; zur Auflösung kam es auf Grund einer Übernahme gemäß § 142 HGB durch die Beschwerdeführerin.

Vor dem Handelsgericht Wien fand zwischen der M-GmbH als Klägerin und der Ö KG als Beklagter ein Rechtstreit statt, der mit Urteil dieses Gerichtes vom 24. Mai 1994 endete. Der Klage wurde hinsichtlich eines Teilbetrages von S 1,600.000,-- sowie Zinsen stattgegeben, ein weiteres Begehren auf S 400.000,-- samt Zinsen wurde abgewiesen. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte wurden zu einem Kostenersatz verpflichtet.

Die hier gegenständliche Rechtsgebührenvorschreibung beruht auf einem zwischen den Rechtsvertretern nach Ergehen des Ersturteils im Korrespondenzwege abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleich. Mit Schreiben vom 30. Juni 1994 erklärte sich die Klagevertreterin namens ihrer Mandantschaft mit einer Regelung einverstanden, wonach die Mandantschaft des Beklagtenvertreters (nunmehr Beschwerdeführervertreter) zu ihren Handen innerhalb von 10 Tagen einen Betrag von S 2,300.000,--, beinhaltend S 1,700.000,-- an Kapital und S 600.000,-- Kosten, bezahlt. Bei pünktlichem Einlagen würde das Urteil vom 24. Mai 1994 als erfüllt gelten, bei Verzug wieder in vollem Umfang wirksam werden. Nach Einlangen des Vergleichsbetrages würde ein von der Klägerin eingebrachter Kostenrekurs zurückgezogen werden und würden sich beide Teile verpflichten, gegen das Urteil vom 24. Mai 1994 keine Berufung einzulegen.

Mit Antwortfax vom 30. Juni 1994 bestätigte der Beschwerdeführervertreter, dass die getroffene Vereinbarung im Schreiben der Klagevertreterin richtig wiedergegeben sei. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung seien sämtliche wechselseitigen Verbindlichkeiten bereinigt und verglichen.

In einem Schreiben an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz vom 16. Juni 1995 erklärte die seinerzeitige Klagevertreterin, dass der genannte Rechtstreit innerhalb der Rechtsmittelfrist durch den außergerichtlichen Vergleich vom 30. Juni 1994 beendet worden sei, wodurch sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Streitteilen verglichen und bereinigt worden seien. Der Vergleichsbetrag laute auf (insgesamt) S 2,300.000,--.

Das Finanzamt schrieb mit Bescheid vom 8. Jänner 1996 der Ö KG für diesen außergerichtlichen Vergleich vom 30. Juni 1994 Rechtsgebühr in Höhe von S 23.000,-- (1 % der Bemessungsgrundlage von S 2,300.000,--) vor.

Die dagegen vom Beschwerdeführervertreter eingebrachte Berufung nennt im Kopf zwar die Beschwerdeführerin als Berufungswerberin, unterschrieben ist die Berufung aber von der Ö KG. Dort wurde vorgebracht, dass in jenem Zivilprozess bereits Gerichtsgebühren bezahlt worden seien, sodass kein Platz für eine zusätzliche Berechnung einer außergerichtlichen Vergleichsgebühr bestehe. Weiters wurde bekannt gegeben, dass die Beschwerdeführerin Rechtsnachfolgerin der Ö KG sei und die gänzliche und ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides begehre.

Durch das Finanzamt erfolgt daraufhin eine "interne Abschreibung" der bereits entrichteten Gebühr von S 23.000,--, weil der Bescheid vom 8. Jänner 1996 an eine nicht existente Rechtsperson ergangen sei. Weiters wurde verfügt, dass der Betrag nicht zurückzuzahlen sei, sondern auf die neue Steuernummer der Beschwerdeführerin umzubuchen sei.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom 15. April 1997 wurde die Berufung gemäß § 273 Abs. 1 BAO zurückgewiesen. Der Bescheid sei an die Ö KG gerichtet gewesen. Da laut Firmenbuch diese Gesellschaft bereits am 9. April 1994 gelöscht worden sei, habe der an eine nicht mehr existente Gesellschaft gerichtete Bescheid keine Rechtswirkungen entfaltet. Daher war die Berufung mangels bekämpfbaren Bescheides als unzulässig zurückzuweisen.

Mit Bescheid vom 23. April 1997 wurde der Beschwerdeführerin für den genannten außergerichtlichen Vergleich die Gebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a GebG in Höhe von S 23.000,-- vorgeschrieben.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt, dass wegen der bereits entrichteten Gerichtsgebühr für eine zusätzliche Berechnung einer außergerichtlichen Vergleichsgebühr "kein Platz" sei. Allenfalls könne die Bemessungsgrundlage in der Differenz zwischen dem Zuspruch durch das Urteil und dem Vergleichsbetrag bestehen.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung vom 11. Februar 1998 die Berufung als unbegründet ab. Die Vereinbarung vom 30. Juni 1994 sei nicht bei Gericht, also außergerichtlich abgeschlossen worden, weshalb der herangezogene Gebührentatbestand erfüllt sei. Bemessungsgrundlage sei der Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistung. Die auf Grund des an die Ö KG ergangenen Bescheides entrichtete Gebühr werde zur Begleichung der nunmehr vorgeschriebenen Steuerschuld herangezogen, weshalb von einer zweimaligen Verpflichtung keine Rede sein könne.

Auf Grund des rechtzeitig gestellten Vorlageantrages gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge. Am 30. Juni 1994 sei ein Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB geschlossen worden. Allein der Gebrauch des Wortes "bereinigen" weise auf den Charakter eines Rechtsgeschäftes als Vergleich hin. Durch diese Rechtsgeschäft sollten alle gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten endgültig bereinigt werden. Die Vereinbarung sei nicht bei Gericht, sondern außergerichtlich geschlossen worden.

Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Gebührenfreiheit des zu Grunde liegenden Rechtsgeschäftes verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass die Ö KG am 30. Juni 1994 nicht mehr existent gewesen sei, sodass sie auch keine Rechtsgeschäfte habe abschließen könne. Daher sei der Vergleich rechtsunwirksam gewesen und als solcher gar nicht zu Stande gekommen.

Diesem Vorbringen muss das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegen gehalten werden: Für die Finanzbehörden bestand auf Grund des bisherigen Vorbringens der Beschwerdeführerin keine Veranlassung für die Annahme, dass der Beschwerdeführervertreter anlässlich der Annahme des Vergleichsangebots am 30. Juni 1994 nicht namens der Gesamtrechtsnachfolgerin (§ 142 HGB), sondern namens eines zu diesem Zeitpunkt nicht existenten Rechtssubjektes aufgetreten sei.

Die belangte Behörde hat auch nicht in der gleichen Sache zweimal entschieden. Zwar beeinträchtigt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und ihre Löschung im Firmenbuch so lange ihre Parteifähigkeit nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten, also auch dem Bund als Abgabengläubiger, noch nicht abgewickelt sind (hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2003, Zl. 99/15/0184 m.w.N.); hier wurde aber der gebührenauslösende Tatbestand am 30. Juni 1994, also zu einem Zeitpunkt gesetzt, als die Ö KG bereits gelöscht war. Völlig zu Recht ist daher das Finanzamt (nicht die belangte Behörde) anlässlich des Zurückweisungsbescheides vom 15. April 1997 davon ausgegangen, dass der an die KG ergangene Bescheid vom 8. Jänner 1996 ins Leere gegangen ist und somit keine Rechtswirkungen entfaltet hat. Wenn erstmals mit Bescheid vom 23. April 1997 der Beschwerdeführerin als Partei des am 30. Juni 1994 abgeschlossenen Rechtsgeschäftes die Gebühr vorgeschrieben wurde, kann von einer zweimaligen Bescheiderlassung "in der selben Sache" keine Rede sein. Der Bescheid vom 8. Jänner 1996 vermochte gegenüber der Beschwerdeführerin keine Wirkungen zu entfalten, weil sich auf Grund der subjektiven Grenzen der Bescheidwirkung Bescheide grundsätzlich nur auf die Parteien des Verfahrens beziehen (Walter-Mayer, Verfahrensrecht7, Rz. 485).

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides kann auch nicht darin gelegen sein, dass die Beschwerdeführerin den Abgabenbetrag bereits vor Erlassung des an sie ergangenen Bescheides entrichtet hat. Gerade durch die Bescheiderlassung wurde für die Abgabenentrichtung die erforderliche Grundlage geschaffen und der Beschwerdeführerin die Möglichkeit gegeben, die Rechtsrichtigkeit der Vorschreibung einer Überprüfung zu unterziehen.

Allerdings erbringt diese Überprüfung nicht den von der Beschwerdeführerin gewünschten Erfolg: Gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a GebG (hier in der Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 2001) unterliegen außergerichtliche Vergleiche, wenn der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird, der Gebühr von 1 v.H. vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen; gäbe es keine "anhängige Rechtsstreitigkeit", so würde die Gebühr (lit. b) 2 v.H. betragen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass hier ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen wurde; selbst der Abschluss gerichtlicher Vergleiche schließt außergerichtliche Vergleiche nicht aus, was sich schon aus der Bestimmung des § 25 Abs. 1 GebG ergibt (siehe den Nachweis bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren7, E. 46 zu § 33 TP 20).

Umso weniger schließt der Umstand, dass bereits Gerichtsgebühren entrichtet wurden, die gegenständliche Vergleichsgebühr nach dem GebG aus. Auf den anhängigen Rechtstreit wird ohnehin durch den Tarif Rücksicht genommen. Dass die Vergleichsparteien diesen Weg wählten und nicht den eines Prozessvergleiches, lag in ihrer Gestaltungsfreiheit und vermag an der Gebührenpflicht nichts zu ändern.

Auch für das Ansinnen der Beschwerdeführerin, dass nur die Differenz zwischen dem, was im Urteil zugesprochen wurde, und dem verglichenen Betrag die Bemessungsgrundlage sein könnte, bietet das Gesetz keine Handhabe; vielmehr nennt das Gesetz ausdrücklich den Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen. Dies war im vorliegenden Fall aber der Betrag von S 2,300.000,--. Die Rechtsgebühr wird durch die Vorschreibung einer Gerichtsgebühr ja keineswegs "absorbiert" (Fellner, a.a.O., E. 53). Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass der Vergleich nicht nur die Rückziehung eines Kostenrekurses enthielt (worauf die Beschwerdeführerin verweist), sondern einen beiderseitigen Berufungsverzicht und die vom Beschwerdeführervertreter selbst abgegebene Erklärung, dass sämtliche wechselseitigen Verbindlichkeiten bereinigt und verglichen seien.

Aus diesen Erwägungen erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 25. März 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001160040.X00

Im RIS seit

04.05.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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