TE Vwgh Erkenntnis 2004/4/27 2004/18/0068

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Veröffentlicht am 27.04.2004
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs6;
SMG 1997 §28;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, (geboren 1985), vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Februar 2004, Zl. SD 102/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Februar 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, "einen nigerianischen Staatsangehörigen", gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität und Nationalität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, habe unter der Identität "SAIDOV Moumouni, 31.12.1985 geboren", am 14. August 2002 beim Bundesasylamt - Außenstelle Wien - nach seiner angeblich am selben Tag erfolgten Einreise in das Bundesgebiet - einen Asylantrag gestellt. Nachdem das diesbezügliche Asylverfahren bereits mit 11. September 2002 und (dann) mit 11. März 2003 gemäß § 30 AsylG eingestellt, aber in der Folge wieder fortgeführt habe werden müssen, sei es zuletzt mit 7. Jänner 2004 nach einer nicht befolgten Ladung durch den Beschwerdeführer neuerlich eingestellt worden.

Der Beschwerdeführer, der bis dato über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfüge, sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht unter dem Namen "SAIDU Moumouni, 13.12.1985 geboren", wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 erster Fall SMG, § 15 StGB sowie wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt, verurteilt worden.

Den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteils sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Traiskirchen, Tribuswinkel und anderen Orten in Niederösterreich im Zeitraum von April 2003 bis 11. September 2003 in einer Vielzahl von Angriffen insgesamt 59 Gramm brutto Heroin und Kokain an neun genannte Personen verkauft hätte. Zudem hätte der Beschwerdeführer zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten (vor dem Juli 2003) wiederholt versucht, an eine namentlich genannte Person Heroin und Kokain zu verkaufen. Weiters hätte der Beschwerdeführer am 11. September 2003 23 Kugeln Kokain zum unmittelbar bevorstehenden Weiterverkauf an unbekannte Suchtgiftkonsumenten bereitgehalten und diese im Zug seiner Festnahme verschluckt. Schließlich hätte der Beschwerdeführer seit Jahresanfang 2003 wiederholt Cannabis zum Eigenkonsum erworben und besessen.

Auf Grund dieser Verurteilung könne kein Zweifel bestehen, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Angesichts des der Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhaltens des Beschwerdeführers - er habe Suchtgift in einer sogenannten großen Menge (das sei jene Menge an Suchtgift, die geeignet sei, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt - und im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnenden Wiederholungsgefahr lägen (auch) die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - vor.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre oder berufliche Bindungen im Bundesgebiet seien nicht behauptet worden. Selbst wenn man auf Grund des etwa eineinhalbjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in dessen Privatleben ausgehen wollte, wäre dessen ungeachtet die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 37 FrG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit, als dringend geboten zu erachten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Eine Verhaltensprognose könne schon angesichts der über einen besonders langen Zeitraum ausgeübten gewerbsmäßigen Tatbegehung und der besonders großen vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Suchtgiftmenge für ihn nicht positiv ausfallen.

Eine (im Fall der Annahme eines Eingriffs) auch nach § 37 Abs. 2 FrG gebotene Interessenabwägung müsste ebenfalls zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Die ohnedies nicht stark ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers erführen im Hinblick darauf, dass die für das Ausmaß jeglicher Integration wesentliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers deutlich beeinträchtigt werde, eine weitere Minderung. Jedenfalls hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität in den Hintergrund zu treten. Der Beschwerdeführer sei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung des Aufenthaltsverbots auch bei ansonsten voller sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig sei.

Im Hinblick auf die Art und die Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden.

Ein Aufenthaltsverbot sei - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden könne. Die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, das auch für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren aufrecht erhalten werden könne, stelle gegenüber der Verhängung eines (auf höchstens zehn Jahre) befristeten Aufenthaltsverbots die schwerer wiegende Beeinträchtigung der persönlichen Interessen des Fremden dar. Als für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgebliche Umstände, die gemäß § 39 Abs. 2 FrG auch für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer von Bedeutung seien, kämen das konkret gesetzte Fehlverhalten und die daraus resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen sowie die privaten und familiären Interessen im Sinn des § 37 FrG in Betracht. Angesichts der vom Beschwerdeführer gewerbsmäßig und hinsichtlich einer besonders großen Menge über einen besonders langen Zeitraum begangenen Straftaten könne der Erstbehörde unter weiterer Bedachtnahme auf den Umstand, dass die privaten Interessen des Beschwerdeführers keineswegs als ausgeprägt anzusehen seien, nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten habe, dass der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes, nämlich der von ihm ausgehenden Gefährdung von maßgeblichen öffentlichen Interessen, nicht vorhergesehen werden könne, und sie daher ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten. Damit erweist sich die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (zweiter Fall) FrG verwirklicht sei, als unbedenklich.

1.2. Der Beschwerdeführer stellt ferner nicht in Abrede, dass er die im angefochtenen Bescheid beschriebenen Suchtgiftdelikte begangen hat, und dass es sich bei der bezüglich des Suchtgifthandels zur Last gelegten Suchtgiftmenge um eine große Menge im Sinn des § 28 SMG handelt. Nach § 28 Abs. 6 SMG ist eine "große Menge" eine solche, die geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0058, mwH). Diese Wiederholungsgefahr manifestiert sich im Fall des Beschwerdeführers gerade angesichts seiner gewerbsmäßigen Vorgangsweise beim In-Verkehr-Setzen von Suchtgift; er hat somit diese strafbaren Handlungen in der Absicht vorgenommen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB). Angesichts des besagten gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde, wenn sie vorliegend die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt hielt, in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2000/18/0060, mwH), das sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) als auch unter dem Geschichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG) - insbesondere des Schutzes der Gesundheit - gegeben ist, nicht entgegengetreten werden.

2. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen kann das (ebenfalls nicht bekämpfte) Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG der Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbots nicht entgegenstehe, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Angesichts des besagten gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist diese fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Ferner treten aus den im angefochtenen Bescheid zu § 37 Abs. 2 FrG angestellten Erwägungen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an seinem Verbleib in Österreich gegenüber dem an der Erlassung des Aufenthaltsverbots bestehenden gewichtigen Allgemeininteresse in den Hintergrund.

3. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbots zukommenden Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Schließlich wendet sich die Beschwerde erkennbar gegen die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbots. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 7. November 2003, Zl. 2003/18/0268, mwH) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Die belangte Behörde handelte nicht rechtsirrig, wenn sie angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung der persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die Auffassung vertrat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die besagten öffentlichen Interessen, nicht vorhergesehen werden könne, und daher das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen hat.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. April 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004180068.X00

Im RIS seit

01.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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