TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/19 2004/18/0028

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Veröffentlicht am 19.05.2004
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/04 Grenzverkehr;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
SDÜ 1990 Art21 Abs1;
SDÜ 1990 Art25 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des C, geboren 1979, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Dezember 2003, Zl. SD 1236/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. März 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und Z. 7 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I. Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

1.2. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 26. November 2003, Zl. 2003/18/0130, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

In der Begründung dieses Erkenntnisses hegte der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, die Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 7 FrG seien erfüllt, die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei gerechtfertigt und eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. sei nicht erforderlich. Hingegen pflichtete er der Ansicht der belangten Behörde, dass ein Wegfall der maßgeblichen Gründe für das Aufenthaltsverbot erst nach zehn Jahren zu erwarten sei, nicht bei.

1.3. Mit (Ersatz-)Bescheid vom 30. Dezember 2003 hat die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und Z. 7 FrG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel für Deutschland. Er sei zuletzt zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Österreich eingereist. Am 5. Juni 2001 sei er vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz (SMG) und § 12 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 15. Jänner 2000 für einen unbekannt gebliebenen jugoslawischen Suchtgiftlieferanten zum Zweck des Weiterverkaufs von 200 Gramm Kokain einen Suchtgiftabnehmer vermittelt habe.

Auf Grund dieser Verurteilung sei der in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierte Tatbestand verwirklicht.

Zudem verfüge der Beschwerdeführer nicht über die erforderlichen Mittel für seinen Unterhalt. Nach seinen eigenen Angaben habe der Beschwerdeführer zuletzt bis Ende Oktober 2002 in Deutschland gearbeitet und EUR 1.000,-- pro Monat verdient. Weiters habe er angegeben, derzeit von seinen Ersparnissen - ohne einen diesbezüglichen Nachweis vorzulegen - sowie von der finanziellen Unterstützung eines "weitschichtigen" Verwandten bzw. des Vaters seiner Freundin zu leben. Außerdem habe der Beschwerdeführer eine Verpflichtungserklärung seines in Deutschland lebenden und arbeitenden Vaters vorgelegt und behauptet, auch von seiner Mutter, die über ein Sparguthaben in der Höhe von EUR 21.000,-- verfügte - diesbezüglich sei der Beschwerdeführer ebenfalls einen Nachweis schuldig geblieben -, unterstützt zu werden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hätten Fremde die ihnen zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel von sich aus (initiativ) darzulegen. Der Beschwerdeführer habe nicht nachgewiesen, dass seine Mutter über das genannte Sparguthaben verfüge. In Anlehnung an § 10 Abs. 3 FrG, wonach die Verpflichtungserklärung von einer Person mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet zu stammen habe, entspreche die Verpflichtungserklärung des in Deutschland lebenden Vaters des Beschwerdeführers nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Die Behauptung, von einem weitschichtigen Verwandten bzw. vom Vater der Freundin unterstützt zu werden, sei mangels Konkretisierung ebenfalls nicht geeignet, ausreichende Unterhaltsmittel nachzuweisen. Aus diesen Gründen sei auch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt.

Das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die Mittellosigkeit beeinträchtigten die öffentliche Ordnung und Sicherheit, sodass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer lebe nach seinen eigenen Angaben in Deutschland und halte sich nur sporadisch in Österreich auf. Er habe lediglich seine Absicht erklärt, in Zukunft seinen Wohnsitz nach Österreich verlegen zu wollen. Schon aus diesem Grund erübrige es sich, auf die Bindung zur Freundin des Beschwerdeführers, die bei ihren Eltern (in Österreich) lebe, einzugehen. Mit dem Aufenthaltsverbot sei kein Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich verbunden. Aus diesem Grund sei weder zu überprüfen gewesen, ob das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, noch eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführen gewesen.

Zu den Berufungsausführungen werde festgehalten, dass die Behörde das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eigenständig und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht zu beurteilen habe.

Zu den in der Berufung geäußerten Bedenken betreffend die Auswirkungen des österreichischen Aufenthaltsverbots auf den deutschen Aufenthaltstitel sei auszuführen, dass der von einem Vertragsstaat des Schengener Durchführungsübereinkommens ausgestellte Aufenthaltstitel seine Wirksamkeit behalte, auch wenn der Fremde auf Grund der Entscheidung eines anderen Vertragsstaates zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben werde. Die Gültigkeit des deutschen Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers werde somit von einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung auf Grund des gegenständlichen Aufenthaltsverbots nicht berührt.

Vor diesem Hintergrund und weil keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe die Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Im Hinblick darauf, dass die strafbare Handlung des Beschwerdeführers in der Vermittlung eines Suchtgiftverkaufes am 15. Jänner 2000 bestanden habe, wobei der Beschwerdeführer dabei nur eine "untergeordnete Rolle als Vermittler" gespielt und "glaubwürdig keinerlei Kontakte zur Suchtgiftszene" habe, und die aus der Mittellosigkeit resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen in ihrem Gewicht dadurch relativiert werde, dass sich der Beschwerdeführer nicht dauernd in Österreich aufhalte, erscheine nach Ansicht der belangten Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbots für die Dauer von fünf Jahren als ausreichend. Vor Ablauf des nunmehr festgesetzten Zeitraumes könne jedoch in Anbetracht der vom Beschwerdeführer gesetzten Straftat ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes nicht erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde hat nach dem Beschwerdevorbringen, welches insoweit mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides übereinstimmt, nach Aufhebung des Bescheides vom 21. März 2003 im fortgesetzten Verfahren keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und im angefochtenen Bescheid keine anderen Feststellungen getroffen als im Bescheid vom 21. März 2003; auch der Beschwerdeführer hat im fortgesetzten Verfahren kein zusätzliches Vorbringen erstattet.

Der dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegende Sachverhalt hat sich daher nur insoweit geändert, als weitere neun Monate verstrichen sind. Dieser Zeitraum (des Wohlverhaltens) ist jedoch zu kurz, um auf eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen zu schließen.

Zur Frage der Verwirklichung der Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z. 1 und Z. 7 FrG, des Gerechtfertigtseins der in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebenen Annahme und der mangelnden Erforderlichkeit einer Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. wird daher auf das im ersten Rechtsgang ergangene hg. Erkenntnis, Zl. 2003/18/0130, verwiesen.

2. Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern beruft, ist ihm zu entgegnen, dass er, wie bereits im ersten Rechtsgang ausgeführt, einen - mangels Anknüpfungspunkten zum Bundesgebiet (sowohl der Beschwerdeführer als auch dessen Eltern leben in Deutschland) jedenfalls nach ausländischem Recht zu beurteilenden - solchen Unterhaltsanspruch im Verwaltungsverfahren nicht konkret behauptet hat.

Dem Vorbringen, die belangte Behörde habe im fortgesetzten Verfahren zur Frage der Unterhaltssicherung keine amtswegigen Erhebungen durchgeführt, ist zu entgegnen, dass der Fremde - wie ebenfalls bereits im ersten Rechtsgang ausgeführt - den Besitz ausreichender Unterhaltsmittel "initiativ", also von sich aus, nachzuweisen hat.

Da die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren keine weiteren Ermittlungen durchgeführt hat, geht das Vorbringen, dem Beschwerdeführer sei in diesem Verfahrensabschnitt kein Parteiengehör gewährt worden, ins Leere.

Schließlich ist auch das Vorbringen nicht zielführend, der Beschwerdeführer könne auf Grund der Ausschreibung zur Einreiseverweigerung wegen des gegenständlichen Aufenthaltsverbots nach einer Ausreise aus Deutschland nicht mehr dorthin zurückkehren, weil er sich in keinem anderen Vertragsstaat - zur Durchreise - aufhalten dürfe. Zum einen berechtigt der unbefristete Aufenthaltstitel für Deutschland den Beschwerdeführer ungeachtet einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung zu einem bis zu dreimonatigen Aufenthalt in den anderen Vertragsstaaten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0058), zum anderen ist eine Ausschreibung zur Einreiseverweigerung gemäß Art. 25 Abs. 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens zurückzuziehen, wenn ein von einem anderen Vertragsstaat ausgestellter Aufenthaltstitel nicht "eingezogen" wird.

3. Da weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem Beschwerdevorbringen besondere, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Umstände ersichtlich sind, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde von ihrem gemäß § 36 Abs. 1 FrG bestehenden Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hat.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004180028.X00

Im RIS seit

22.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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