TE Vwgh Erkenntnis 2004/5/25 2002/01/0064

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Veröffentlicht am 25.05.2004
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Melderecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art6 Abs3;
HauptwohnsitzG 1994 Art7 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs4 Z1;
StbG 1985 §15 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des H in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Jänner 2002, Zl. FA7C- 2.11H/448 - 01/10, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,28 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. Jänner 2002 wies die belangte Behörde den Antrag des am 7. Jänner 1938 geborenen Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und den damit verbundenen Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf seinen Sohn gemäß § 10 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 4, §§ 17, 18 und 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Sie begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer erstmals am 26. Jänner 1973 in Österreich zur Anmeldung gelangt sei. Aus der von ihm vorgelegten Meldebestätigung gehe jedoch hervor, dass er immer wieder "nach Jugoslawien/Kosovo abgezogen" sei, so auch letztmalig vom 12. Juni 1997 bis zum 27. Oktober 1998. Der Beschwerdeführer könne somit einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet erst seit dem 28. Oktober 1998 nachweisen. Zwar habe er in einer Stellungnahme angeführt, sich seit 1973 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich zu befinden, doch habe er keinen amtlichen Meldezettel oder eine amtliche Meldebestätigung vorlegen können, die besagten, dass er zwischen dem 12. Juni 1997 und dem 27. Oktober 1998 seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gehabt habe. Aus einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 16. März 2001 gehe vielmehr hervor, dass "auf Grund des zeitlichen Ausmaßes des Auslandsaufenthaltes der gewöhnliche Aufenthalt im Inhalt nicht mehr anzunehmen sei". Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer für die Zeit vom 12. Juni 1997 bis 27. Oktober 1998 weder einen amtlichen Meldezettel noch eine amtliche Meldebestätigung habe vorlegen können und dass er daher erst seit 28. Oktober 1998 seinen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet habe. Damit sei weder die Frist des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG noch jene des § 10 Abs. 4 Z 1 leg. cit. erfüllt, weshalb eine Verleihung der Staatsbürgerschaft (und damit auch die Erstreckung der Verleihung) nicht in Betracht komme.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ging (wie die von ihr erstattete Gegenschrift deutlich macht) davon aus, dass der Beschwerdeführer bis 11. Juni 1997 seinen Hauptwohnsitz in G gehabt habe, dass er vom 12. Juni 1997 bis 27. Oktober 1998 in den Kosovo verzogen sei und dass er schließlich erst seit 28. Oktober 1998 (wiederum) einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet nachweisen könne, weshalb er die Wohnsitzerfordernisse des § 10 StbG nicht erfülle. Der Beurteilung bezüglich der Unterbrechung des Hauptwohnsitzes zwischen dem 12. Juni 1997 und dem 27. Oktober 1998 liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer für diesen Zeitraum "weder einen amtlichen Meldezettel, noch eine amtliche Meldebestätigung vorlegen konnte"; vielmehr ergebe sich aus einer vorgelegten Meldebestätigung für die fragliche Periode ein (letztmaliger) "Abzug" in den Kosovo.

Dieser Argumentation ist Folgendes zu erwidern: Zunächst ist klarzustellen, dass das Fehlen einer polizeilichen Meldung die Existenz eines Hauptwohnsitzes nicht ausschließt und dass den Einbürgerungswerber bezüglich der "Wohnsitzfrist" nicht etwa - die belangte Behörde bedient sich in diesem Zusammenhang des insoweit irreführenden Ausdrucks "nachweisen" - eine über die allgemeine Mitwirkungspflicht hinausgehende besondere "Beweispflicht" trifft (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2002, Zl. 2002/01/0030). Einer "Abmeldung" bei der Meldebehörde kommt zwar Indizwirkung zu, sie führt aber nicht in jedem Fall dazu, dass ein bestehender Hauptwohnsitz erlischt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2002/01/0081, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1997, VfSlg. 15.016). Vor diesem Hintergrund hätte sich die belangte Behörde näher mit der schon im Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptung des Beschwerdeführers befassen müssen, er befinde sich "seit 1973 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich". Diesbezüglich existiert nicht nur ein Aktenvermerk (vom 28. November 2001) über eine persönliche Vorsprache des Beschwerdeführers, demzufolge er angegeben habe, dass "er immer in Österreich anwesend gewesen sei", sondern es ist weiter auf die mit Stellungnahme vom 12. Dezember 2001 vorgelegten Bestätigungen eines DI J.L. vom 8. Mai 2001 und der praktischen Ärztin Dr. S.M. vom 9. November 2001 zu verweisen, wonach der Beschwerdeführer ab 10. Juni 1997 unentgeltlich im (offenkundig in G gelegenen) Haus der Mutter des DI J.L. gewohnt habe und wonach er seit Juni 1998 Patient der in G situierten genannten praktischen Ärztin sei. Schließlich trifft es auch - wie vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren aufgezeigt - zu, dass sein Reisepass gemäß der im Verwaltungsakt erliegenden Passkopie am 10. Dezember 1997 vom Generalkonsulat der (damaligen) Bundesrepublik Jugoslawien in G ausgestellt worden ist, was eine Anwesenheit in G zumindest um den 10. Dezember 1997 nahe legt. Mit all diesen Gesichtspunkten, die (gegebenenfalls) für eine Beibehaltung des Hauptwohnsitzes in Österreich auch zwischen dem 12. Juni 1997 und dem 27. Oktober 1998 sprechen, hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt. Sie ist abgesehen von der Frage der Meldung des Beschwerdeführers allein auf den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 16. März 2001 eingegangen, der sich jedoch auf Zeiträume ab dem 2. Mai 2000 bezieht und daher für die hier in Rede stehenden Jahre 1997 und 1998 nicht aussagekräftig ist. Die Beurteilung der belangten Behörde, es liege bezüglich des Zeitraums 12. Juni 1997 bis 27. Oktober 1998 eine Unterbrechung des Hauptwohnsitzes vor, entbehrt daher einer schlüssigen Begründung. In diesem Zusammenhang ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass allfällige Auslandsaufenthalte des Beschwerdeführers keinesfalls zwingend die Unterbrechung des Hauptwohnsitzes zur Folge haben mussten. Wie vom Verwaltungsgerichtshof zuletzt in dem zuvor erwähnten Erkenntnis vom 24. Juni 2003 und im Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2001/01/0504, betont, geht der einmal an einem Ort begründete Hauptwohnsitz nicht durch jegliche Abwesenheit von diesem Ort wieder verloren. Entscheidend ist, ob der "Mittelpunktcharakter" erhalten bleibt, was auch bei längeren Auslandsaufenthalten der Fall sein kann (wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt, folgt dies nicht zuletzt aus der durch das Hauptwohnsitzgesetz, BGBl. Nr. 505/1994, unberührt gebliebenen Bestimmung des § 15 Abs. 1 lit. b StbG; wenn dort angeordnet wird, dass die Wohnsitzfristen des StbG durch einen mehr als sechsmonatigen Aufenthalt (auch) in (ua.) ausländischen Strafvollzugsanstalten unterbrochen werden, so setzt dies die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet über einen solchen Zeitraum ungeachtet eines Auslandsaufenthaltes voraus) und nur an Hand der tatsächlichen Lebensverhältnisse des Einbürgerungswerbers überprüft werden kann.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei der gebotenen Beschäftigung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und mit den von ihm vorgelegten Bescheinigungsmitteln einerseits und bei Bedachtnahme auf die eben angestellten Erwägungen andererseits zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen. Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 25. Mai 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002010064.X00

Im RIS seit

30.06.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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