TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/7 99/13/0185

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Veröffentlicht am 07.07.2004
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

FinStrG §115;
FinStrG §49 Abs1 lita;
FinStrG §49 Abs1;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §8 Abs2;
FinStrG §98 Abs3;
UStG 1994 §19 Abs2 Z1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Mag. Günter Petzelbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, Berufungssenat I, vom 27. Mai 1999, Zl. RV/20-10/99, betreffend Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 872,07 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Spruchsenates vom 5. Oktober 1998 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als Geschäftsführer der

I. GmbH vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abgeführt zu haben, ohne der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekannt zu geben, und zwar:

1.) Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 1995 in Höhe von S 2,281.852,--, für die Kalendermonate März, Mai und November 1996 in Höhe von S 210.391,--

und für den Kalendermonat Juni 1997 in Höhe von S 50.000,--, sowie

2.) Lohnsteuer für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 1995 in Höhe von S 140.933,--, für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 1996 in Höhe von S 90.913,-- und Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen hiezu für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 1995 in Höhe von S 47.157,-- und für die Kalendermonate Jänner bis Dezember 1996 in Höhe von S 30.562,--.

Der Beschwerdeführer habe hiedurch das Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen. Er wurde hiefür nach § 49 Abs. 2 FinStrG mit einer Geldstrafe von S 200.000,-- bestraft, wobei für den Fall deren Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe mit 40 Tagen bestimmt wurde.

In der Begründung dieses erstinstanzlichen Bescheides wurde vom Spruchsenat festgestellt, dass der im Jahre 1958 geborene, finanzstrafrechtlich nicht vorbestrafte Beschwerdeführer verheiratet und sorgepflichtig für zwei Kinder sei, als Geschäftsführer monatlich S 15.000,-- verdiene, welche Bezüge allerdings bis auf das Existenzminimum gepfändet seien, und kein Vermögen besitze. Er verfüge über die "für den Bereich dieses Verfahrens erforderlichen Kenntnisse auf dem Gebiet des Steuerrechtes". Betriebsgegenstand der im Februar 1993 gegründeten I. GmbH sei von der tatsächlichen Tätigkeit her ein Planungsbüro zum Bau und Ausbau von Gebäuden gewesen. Im Jahre 1992 sei eine P. OEG gegründet worden, deren Betriebsgegenstand der Erwerb und Verkauf von Immobilien sei und bei welcher der Beschwerdeführer so wie bei der I. GmbH als Geschäftsführer agiert habe. Über das Vermögen der I. GmbH sei am 14. November 1997 der Konkurs eröffnet worden.

Der Beschwerdeführer habe im gemeinsamen Büro beider Gesellschaften in Wien die Grundaufzeichnungen geführt, während die Buchhaltung vom steuerlichen Vertreter besorgt worden sei, dessen Person Mitte 1995 gewechselt habe.

Im Jahre 1994 habe die P. OEG als Eigentümer von neun Wohnungen in einem Wiener Wohnhaus den Auftrag zum Ausbau dieser Wohnungen an die I. GmbH erteilt, welche die tatsächliche Durchführung der Arbeiten an Subunternehmer weitergegeben habe, die ihre Arbeiten verschiedentlich mangelhaft ausgeführt hätten. In der Zeit "von Ende 1995 bis Sommer 1996" seien die Wohnungen an die Eigentümer übergeben worden. An die P. OEG sei erst im Jahre 1997 aus Anlass der Bilanzerstellung für das Jahr 1995 von der I. GmbH eine Rechnung über S 11,468.164,-- für Planungs- und Bauleistungen, rückdatiert auf den 31. Dezember 1995, gelegt worden. Diese Weiterverrechnung der Bau- und Planungsleistungen habe auf den Schlussrechnungen der verschiedenen Subunternehmer aus der Zeit 1995 bis zum Frühjahr 1996 basiert, wobei der Beschwerdeführer (gemeint: für die I. GmbH) aus diesen Rechnungen der Subunternehmer die Vorsteuern geltend gemacht habe. Einen Geldfluss aus der Rechnung vom 31. Dezember 1995 an die I. GmbH habe es nicht gegeben; die P. OEG als "formeller Eigentümer" habe die Wohnungen verkauft, während die I. GmbH die Eingänge aus diesen Verkäufen treuhändig verwaltet und aus diesen den Kredit für den Ankauf der Wohnungen und die Leistungen der Subunternehmer bezahlt habe. Der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer der I. GmbH aus der Rechnung vom 31. Dezember 1995 "bewusst keine Umsatzsteuer entrichtet".

Der Beschwerdeführer habe sich damit verantwortet, dass ihm die ganze Bau- und Abrechnungsproblematik über den Kopf gewachsen sei und er die Schlussrechnung erst bei völliger Mängelfreiheit der Wohnungen habe legen wollen. Tatsächlich sei die letzte und größte Wohnung wegen der bestehenden Mängel mit einer Preisreduktion von S 5,4 Mio. auf S 3,0 Mio. erst im August 1998 verkauft worden. Der Argumentation des Beschwerdeführers über die Möglichkeit der Legung einer Schlussrechnung erst nach Mängelbehebung sei nicht zu folgen. Realistisch müsse angenommen werden, dass die Wohnungen wegen der Mängel unter den auflaufenden Kosten für Kauf und Sanierung hätten verkauft werden müssen, sodass zu wenig Geld bei der I. GmbH vorhanden gewesen sei und der Beschwerdeführer bewusst die Legung der Schlussrechnung "mit der Fälligkeit eines Umsatzsteuerbetrages" von mehr als S 2,0 Mio. hinausgeschoben habe. Zum "Umsatzsteuerkomplex" der Jahre 1996 und 1997 liege ein Geständnis des Beschwerdeführers ebenso wie bezüglich der Unterlassung einer Abfuhr der lohnabhängigen Abgaben vor.

In seiner gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungsbeträge des Jahres 1995 das Vorliegen von Vorsatz, hinsichtlich des "Umsatzsteuerkomplexes" 1996 bis 1997 den strafbestimmenden Wertbetrag und bekämpfte auch die Strafhöhe. Er habe sich als ordentlicher Kaufmann zur Legung der Schlussrechnung erst veranlasst sehen können, wenn die Leistung mängelfrei hätte übergeben werden können. Dass diese Vorgangsweise nicht in Übereinstimmung "mit der üblichen Verwaltungspraxis" stehe, welche die Erstellung der Schlussrechnung nach Verschaffung der Verfügungsmacht vorsehe, sei einzuräumen, es sei ihm "diese Verwaltungspraxis" aber nicht bekannt gewesen, weshalb er nur fahrlässig, nicht aber vorsätzlich gehandelt habe. Die Annahme des Spruchsenates, dass er die Legung der Schlussrechnung bewusst hinausgeschoben habe, weil zu wenig Geld bei der I. GmbH vorhanden gewesen sei, sei nach der vom Spruchsenat gewählten Formulierung nicht mehr als eine bloße Annahme, die nach § 98 Abs. 3 FinStrG nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers als erwiesen gelten dürfe. Zur Strafhöhe wurde in der Berufung ausgeführt, dass dem Spruchsenat angesichts der vom Beschwerdeführer offen gelegten finanziellen Verhältnisse klar gewesen sein müsse, dass er die Geldstrafe nicht werde bezahlen können und deshalb die Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten haben werde. Unter diesem Gesichtspunkt erscheine die zu erwartende Freiheitsstrafe von 40 Tagen weitaus überhöht.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Ausspruch über die Schuld teilweise und zwar dahin Folge, dass der erstinstanzliche Bescheid in seinem Schuldspruch zu Punkt 1.) hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen für die Kalendermonate März, Mai und November 1996 sowie Juni 1997 und im Strafausspruch aufgehoben wurde. Für das dem Beschwerdeführer laut Schuldspruch 1.) des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis Dezember 1995 und laut (unbekämpft gebliebenem) Schuldspruch 2.) weiterhin zur Last fallende Finanzvergehen der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG wurde im angefochtenen Bescheid über den Beschwerdeführer nach § 49 Abs. 2 FinStrG eine Geldstrafe von S 180.000,--, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Tagen, verhängt. Im Umfang der Teilaufhebung wurde die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Finanzstrafbehörde erster Instanz zurückverwiesen, mit seiner Strafberufung wurde der Beschwerdeführer auf die zum Schuldspruch getroffene Entscheidung verwiesen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers gegen die Anlastung der Vorsätzlichkeit der Tatbegehung hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen für 1995 nicht überzeugen könne. Die Behauptung des Beschwerdeführers, "die steuerrechtliche Relevanz des in Rede stehenden Rechnungskomplexes irrtümlich erst dem Zeitpunkt endgültiger Mängelbehebung zugeordnet zu haben", gehe im Sinne der erstinstanzlichen Erwägungen an dem Umstand vorbei, dass es einerseits "branchenspezifischem Fundamentalwissen entspreche", dass die Einräumung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über das jeweilige Bauobjekt das im gegebenen Zusammenhang entscheidende abgabenrechtliche Anknüpfungskriterium darstelle, und dass der Beschwerdeführer andererseits selbst dieser Einsicht entsprechend gehandelt habe, indem er - allerdings einseitig zum (temporären) Vorteil des steuerpflichtigen Unternehmens - trotz angeblicher Leistungsmängel unabhängig von deren Behebung regelmäßig Vorsteuerabzüge geltend gemacht habe. Die "solcherart ersichtlich gezielt gespaltene Vorgangsweise" des Beschwerdeführers mache seine Beteuerung bloßer Fahrlässigkeit unglaubwürdig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, Vorauszahlungen an Umsatzsteuer oder Vorauszahlungen an Abgabe von alkoholischen Getränken nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekannt gegeben wird; im Übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein nicht strafbar.

Der Beschwerdeführer bekämpft vor dem Verwaltungsgerichtshof die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Annahme vorsätzlichen Handelns durch ihn mit dem gleichen Vorbringen, das er schon in seiner Berufung vorgetragen hatte.

Der Tatbestand des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG setzt Vorsatz voraus, der nach § 8 Abs. 1 FinStrG dann vorliegt, wenn der Täter einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, wozu es genügt, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rechtsirrtum kam seine Strafbarkeit nach der Bestimmung des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG nur in Betracht, wenn er dem behaupteten Rechtsirrtum tatsächlich nicht unterlegen war. Dass ein solcher Irrtum unentschuldbar gewesen wäre, hätte rechtlich zur Folge gehabt, dass ihm nur Fahrlässigkeit hätte zugerechnet werden dürfen, welche Schuldform für die Verwirklichung des Tatbildes nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG in subjektiver Hinsicht nicht ausgereicht hätte (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, 2000/13/0197).

Der Beschwerdeführer hat Rechtsirrtum behauptet, die Finanzstrafbehörden beider Instanzen haben ihm den behaupteten Rechtsirrtum in ihrer Beweiswürdigung nicht geglaubt. Sowohl das Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers zum behaupteten Rechtsirrtum als auch die behördlichen Erwägungen zur Beweiswürdigung, weshalb dem Beschwerdeführer der behauptete Irrtum nicht zu glauben sei, gingen aber an den abgabenrechtlich bedeutsamen Tatsachenfragen insoweit vorbei, als sie sich verfehlter Weise mit der rechtlich irrelevanten Frage der Legung von Schlussrechnungen statt mit der Frage befasst hatten, zu welchen Zeitpunkten jeweils Umsatzsteuerschulden der I. GmbH entstanden waren, die nach Maßgabe der Vorschriften des UStG 1994 zu jeweils welchen Zeitpunkten eine Verpflichtung dieser Gesellschaft ausgelöst hatten, für jeweils welchen Kalendermonat des Jahres 1995 Umsatzsteuer mit jeweils welchem Betrag vorauszuzahlen, und auf Grund jeweils welcher dem Beschwerdeführer aus dem Ablauf des Baugeschehens bekannt gewordener Umstände er diese Verpflichtung der von ihm geführten Gesellschaft jeweils auch erkannt hatte.

Der in der Bestimmung des § 49 Abs. 1 FinStrG geforderte Vorsatz muss sich zwar bloß auf die tatbildmäßig relevante Versäumung des Termins für die Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben richten, ohne dass es auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen an der Unterlassung der in der genannten Bestimmung vorgesehenen strafbefreienden Meldung der geschuldeten Beträge an das Finanzamt ankommt (siehe die hg. Erkenntnisse vom 25. November 2002, 98/14/0106, und vom 31. März 1998, 96/13/0004), es muss sich dieser Vorsatz zwangsläufig aber auch auf das Bestehen der Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlung für den jeweiligen Monat erstrecken, sodass ein Irrtum über das Bestehen einer Verpflichtung zur Umsatzsteuervorauszahlung in bestimmter Höhe für einen bestimmten Kalendermonat die Verwirklichung des Tatbildes des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG in subjektiver Hinsicht ausschließt. Das tatsächliche Fehlen der im Abgabenrecht wurzelnden Verpflichtung zu der im Einzelnen in Rede stehenden Umsatzsteuervorauszahlung würde einer Verwirklichung des genannten Straftatbestandes schon in objektiver Hinsicht entgegenstehen.

Nach § 19 Abs. 2 Z. 1 lit. a UStG 1994 entsteht die Steuerschuld für Lieferungen und sonstige Leistungen mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (Sollbesteuerung); dieser Zeitpunkt verschiebt sich um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes vereinnahmt, bevor die Leistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuerschuld mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, wird bei der Errichtung von Bauwerken für das Entstehen der Umsatzsteuerpflicht nicht die "Vollendung" der Werklieferung wie bei sonstigen Leistungen gefordert. Es genügt hiezu vielmehr die Verschaffung der Verfügungsmacht über das errichtete Gebäude, ohne dass es auf die Erteilung einer Benützungsbewilligung oder auf die Legung einer Schlussrechnung ankommt. Die Verschaffung der Verfügungsmacht wird bereits dann angenommen, wenn der Auftraggeber das Werk durch schlüssiges Verhalten (z.B. Nutzung) abgenommen hat und eine förmliche Abnahme entweder gar nicht oder erst später erfolgen soll (siehe die hg. Erkenntnisse vom 24. März 1998, 97/14/0117, Slg. N.F. Nr. 7.260/F, vom 24. April 1996, 93/13/0254, Slg. N.F. Nr. 7.090/F, und vom 24. Oktober 1995, 91/14/0190).

Da das Unterlassen einer Rechnungslegung das Entstehen der Umsatzsteuerschuld nicht verhindern, sondern gegebenenfalls nur um einen Monat verschieben kann (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. April 2002, 2000/13/0051), war aus Überlegungen zur Stimmigkeit der Argumente des Beschwerdeführers zu den Gründen der Verspätung der Rechnungslegung für die Lösung der finanzstrafrechtlich relevanten Fragen des Beschwerdefalles nichts zu erwarten (siehe auch das hg. Erkenntnis vom 18. Juli 2001, 97/13/0156). Der dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde gemachte Vorwurf einer "Zwiespältigkeit" seines Verhaltens wegen der Geltendmachung von Vorsteuern aus den seinem Unternehmen gelegten Rechnungen war nicht geeignet, den vom Beschwerdeführer der Sache nach geltend gemachten Irrtum zu widerlegen, weil dem vom Beschwerdeführer geführten Unternehmen das Recht zum Vorsteuerabzug mit dem Einlangen der Rechnungen der Subunternehmer erwuchs, ohne dass der dadurch bewirkte Anfall der Vorsteuerabzugsberechtigung umgekehrt Rückschlüsse auf den Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Umsatzsteuerschuld der I. GmbH erlaubte. Dieses von der belangten Behörde gebrauchte Argument ihrer Beweiswürdigung verstößt gegen die Denkgesetze.

Ausgehend von der entscheidungserheblichen Frage des jeweiligen Zeitpunktes des Entstehens der einzelnen Umsatzsteuerschulden der I. GmbH nach Maßgabe der oben wiedergegebenen Grundsätze ist nicht zu verkennen, dass die Tatsachenfeststellung des Spruchsenates, dass die Wohnungen "in der Zeit von Ende 1995 bis Sommer 1996 an die Eigentümer übergeben" worden seien, zur Beantwortung dieser Frage nichts beiträgt, weil es nicht auf die Übergabe der Wohnungen an deren spätere Eigentümer, sondern auf die Zeitpunkte ankommt, zu denen die vom Beschwerdeführer geführte I. GmbH ihrem Vertragspartner, nämlich der P. OEG, jeweils die Verfügungsmacht über fertig gestellte Wohnungen verschafft hatte. Das Ergehen eines Veranlagungsbescheides über Umsatzsteuer 1995 mit der darin festgesetzten Umsatzsteuerschuld konnte die Finanzstrafbehörden nicht davon entbinden, den zur Beurteilung der Verwirklichung des Tatbildes des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG durch den Beschwerdeführer erforderlichen Sachverhalt in objektiver und subjektiver Richtung nachvollziehbar festzustellen und in einer den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widersprechenden Weise seine Behauptung zu würdigen, das Entstehen von Umsatzsteuerschulden der von ihm geführten Gesellschaft in den in Betracht kommenden Kalendermonaten des Jahres 1995 nicht erkannt zu haben.

Da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten somit noch der Ergänzung bedarf und zudem die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen zur Beweiswürdigung vor den Denkgesetzen nicht bestehen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof hat dieser aus dem in § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG genannten Grund Abstand genommen. Wien, am 7. Juli 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:1999130185.X00

Im RIS seit

27.07.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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