TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/10 2000/02/0044

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2004
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §10 Abs2 idF 1996/201;
AlVG 1977 §10 idF 1996/201;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 idF 1994/314;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des PJ in S, vertreten durch Dr. Renate Erlacher-Philadelphy, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck,Marktgraben 12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 12. März 1999, Zl. LGSTi/V/1216/3433 28 07 69-701/1999, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 12. März 1999 hat die belangte Behörde gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 13. Jänner 1999 bis zum 23. Februar 1999 den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe, wobei sich dieser Zeitraum um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen worden sei, verlängere.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer die Möglichkeit geboten worden sei, ab 13. Jänner 1999 eine Beschäftigung als Abwäscher im Hotel K gegen kollektivvertragliche Entlohnung anzunehmen. Aus der an das Arbeitsmarktservice retournierten Vermittlungskarte gehe hervor, dass der Beschwerdeführer sich dort am 12. Jänner 1999 vorgestellt habe; nach den Angaben von H., der im Hotel K mit dem Beschwerdeführer das Einstellungsgespräch geführt habe, hätte der Beschwerdeführer am 13. Jänner 1999 die Arbeit aufnehmen können. Das Dienstverhältnis sei aber nicht zustande gekommen, weil der Beschwerdeführer erklärt habe, "keine Zeit zum Arbeiten" zu haben. In der Niederschrift vom 18. Jänner 1999 habe der Beschwerdeführer angegeben, das Beschäftigungsverhältnis sei deshalb nicht zustande gekommen, weil er am 15. Jänner 1999 einen Termin beim Landesgericht Innsbruck gehabt habe und es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, am

14. und am 15. Jänner 1999 zu arbeiten. Als berücksichtigungswürdige Gründe habe der Beschwerdeführer angegeben, dass es ein schlechtes Bild gemacht hätte, wenn er die Wahrheit (Gerichtstermin) gesagt hätte. Bei telefonischer Rücksprache habe H. mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 13. Jänner 1999 die Arbeit aufnehmen hätte können, jedoch sogleich ohne Präzisierung des Grundes angegeben habe, dass er am 14. und 15. Jänner 1999 "frei" haben müsse. Daraufhin habe H gegenüber dem Beschwerdeführer klargestellt, dass er und nicht der Beschwerdeführer den Urlaub einteile. Dass der Beschwerdeführer einen Gerichtstermin wahrzunehmen habe, habe er H. sicher nicht gesagt; zu einem Gerichtstermin hätte er selbstverständlich gehen können. Am 4. März 1999 habe der Beschwerdeführer anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Behörde zu diesen Ermittlungsergebnissen dahin gehend Stellung genommen, dass es nicht stimme, dass er auch für den 14. Jänner 1999 um Urlaub gebeten habe.

Die dem Beschwerdeführer zugewiesene Beschäftigung sei in jeder Hinsicht zumutbar und nach dem Kollektivvertrag angemessen entlohnt gewesen. Das Beschäftigungsverhältnis sei aber aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers beim Vorstellungsgespräch nicht zustande gekommen. Dadurch, dass er den Grund für seinen Urlaubswunsch dem Dienstgeber trotz dessen Hinweis, dass er als Dienstgeber und nicht der Beschwerdeführer den Urlaub einteile, nicht mitgeteilt habe, sei im Beschwerdefall von mangelnder Arbeitswilligkeit auszugehen, weil der Beschwerdeführer durch Verschweigen des Gerichtstermins das Scheitern des Bewerbungsgespräches "akzeptiert" habe. Dieses Verhalten sei dem Beschwerdeführer anzulasten; der Ausschluss vom Bezug des Notstandhilfebezuges könne auch nicht gemäß § 10 Abs. 2 AlVG nachgesehen werden, weil keine berücksichtigungswürdigen Gründe (wie z.B. Arbeitsaufnahme in angemessener Frist) bestünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 9 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 314/1994 lautet:

"§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist,

-

eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder

-

sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu lassen oder

-

an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen oder

-

von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und

-

auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, eine Beschäftigung zu erlangen, soweit ihm dies nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Zumutbar ist eine Beschäftigung, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, daß der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.

(3) ......."

§ 10 AlVG idF BGBl. Nr. 201/1996 hat folgenden Wortlaut:

"1) Wenn der Arbeitslose

-

sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

-

sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch sein Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

-

ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

-

auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen,

verliert er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum acht Wochen. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

(2) Der Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören."

Die genannten Bestimmungen sind auf Grund des § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Der Beschwerdeführer rügt, dass keine Vereitelung der Annahme der Beschäftigung vorliegen könne, weil im Beschwerdefall die Behörde selbst von seinem Dienstantritt ausgegangen sei; weiters rechtfertige der Umstand, dass er seinen Dienstgeber nicht über den Gerichtstermin informiert habe, nicht die Feststellung, er habe das Zustandekommen des Dienstverhältnisses vereitelt.

Dem ist zunächst zu erwidern, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in dem genannten Hotel bereits den Dienst angetreten, angesichts des Akteninhaltes und der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen als geradezu mutwillig erweist.

Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind nach der ständigen hg. Rechtsprechung Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2002/08/0066, mwN.).

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1992, Slg. Nr. 13.722/A, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0050).

Da der potentielle Dienstgeber im vorliegenden Fall ohne Präzisierung des Grundes damit konfrontiert wurde, dass der Beschwerdeführer gleich am Anfang des beabsichtigten Dienstverhältnisses "frei" haben müsse, und auch nach seinem Hinweis, dass er und nicht der Beschwerdeführer den Urlaub einteile, von dem wahrzunehmenden Gerichtstermin nicht informiert wurde, kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung kausal war. Durch seine Vorgangsweise nahm der Beschwerdeführer auch das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses in Kauf und fand sich damit ab, sodass der bedingte Vorsatz im Sinne der oben zitierten hg. Rechtsprechung vorgelegen ist.

Da das Beschwerdevorbringen auch nicht erkennen lässt, dass im Beschwerdefall berücksichtigungswürdige Gründe vorgelegen wären, die zu einer Nachsicht des Ausschlusses vom Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 2 AlVG führen hätten müssen, erweist sich die Beschwerde als nicht begründet; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 10. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000020044.X00

Im RIS seit

12.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten