TE Vfgh Erkenntnis 2008/2/29 B114/06

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Veröffentlicht am 29.02.2008
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
Tir GVG 1996 §2, §6 Abs1 lita, §26, §28

Leitsatz

Abweisung der Beschwerde gegen die Aufhebung des erstinstanzlichenBescheides hinsichtlich der Genehmigung des Rechtserwerbs an einemals Bauland (Wohngebiet) gewidmeten Liegenschaftsteil wegenUnzuständigkeit der Bezirks-Grundverkehrsbehörde; Verletzung imGleichheitsrecht durch Versagung der grundverkehrsbehördlichenGenehmigung des Rechtserwerbs an der im Freiland gelegenen Teilflächeinfolge Unterlassung der Ermittlungstätigkeit hinsichtlich desBeschwerdevorbringens

Spruch

1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I.1. des angefochtenen Bescheides wendet, abgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt I.2. des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird im Umfang der Spruchpunkte I.2. und II. aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 1.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 15. März 2005 erwarb der

Beschwerdeführer, Dipl.-Ing. W., das Gst. 58/3 in EZ 67 GB 81005 Gnadenwald im Ausmaß von 2.051 m² von der im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligten Partei, Dr. P., mit dem Zweck, das Grundstück einer Bebauung zuzuführen. Das in Rede stehende Grundstück ist - zuletzt aufgrund einer Flächenwidmungsplanänderung vom 15. März 2005 - zum Teil als Bauland (Wohngebiet), zum (überwiegenden) Teil als Freiland gewidmet.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2005 erteilte die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz diesem Rechtserwerb unter Vorschreibung von Auflagen die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Diesen Auflagen zufolge war die "Selbstbewirtschaftung in Form eines auf fünf Jahre abgeschlossenen Pachtvertrages nachzuweisen" und eine Kaution in Höhe von € 15.000,-

zu hinterlegen.

2.1. Der gegen diesen Bescheid vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Weiteren: LGVK) mit Bescheid vom 30. November 2005 dahingehend Folge, dass der Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission hinsichtlich des Rechtserwerbs an dem als Bauland (Wohngebiet) gewidmeten Teil des Gst. 58/3 wegen Unzuständigkeit der Erstinstanz ersatzlos behoben (Spruchpunkt I.1.), hinsichtlich des Rechtserwerbs an dem im Freiland gelegenen Teil des Grundstücks die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt wurde

(Spruchpunkt I.2.).

Die von den Vertragsparteien, Dipl.-Ing. W. (dem nunmehrigen Beschwerdeführer) und Dr. P., erhobene Berufung wies die LGVK als unbegründet ab (Spruchpunkt II.).

2.2. Begründend führte die LGVK im Wesentlichen aus, dass die kaufgegenständliche Liegenschaft teils rechtskräftig als Wohngebiet ausgewiesen, teils als Freiland gewidmet sei. Da es sich bei dem im Wohngebiet gelegenen Teil nicht um ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück iSd §2 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Weiteren: TGVG 1996), sondern nach Auffassung der LGVK um ein Baugrundstück handle, habe die nach §27 TGVG 1996 gebildete Bezirks-Grundverkehrskommission diesbezüglich eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zustehe.

Soweit hingegen der im Freiland befindliche Teil des Grundstücks in Rede stehe, liege ein landwirtschaftliches Grundstück iSd §2 Abs1 TGVG 1996 vor. Diesbezüglich widerspreche jedoch der Rechtserwerb dem "öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes, da der Erwerber bisher nicht Eigentümer weiterer landwirtschaftlicher Grundflächen bzw. eines landwirtschaftlichen Betriebes [sei]." Die im Freiland gelegenen Teilflächen würden lediglich ein Ausmaß von rund

1.200 m² aufweisen und seien für sich alleine nicht geeignet, eine ausreichende Betriebsbasis sicherzustellen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, mit der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie - unter Berufung auf Art6 EMRK - auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5. Diesem Vorbringen treten der Beschwerdeführer und die (vom Parteienvertreter wohl irrtümlich nunmehr ebenfalls als "Beschwerdeführer" bezeichnete) beteiligte Partei in als "vorbereitender Schriftsatz" bzw. "ergänzender Schriftsatz" bezeichneten Äußerungen entgegen; unter Bekräftigung des Beschwerdevorbringens werden darin vor allem ergänzende Ausführungen zu den in der Beschwerde gerügten Rechtsverletzungen gemacht.

II. Die zur Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts maßgeblichen Bestimmungen des TGVG 1996, LGBl. 61 idF LGBl. 75/1999 idF der Kundmachung LGBl. 9/2005, lauten auszugsweise:

"§2

Begriffsbestimmungen

(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten weiters Grundstücke, die zwar nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, aber doch in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten ferner Grundstücke, die zwar in anderer Weise als für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden, die aber vor nicht mehr als zwanzig Jahren im Sinne des ersten Satzes genutzt wurden und noch so beschaffen sind, daß sie ohne besondere Aufwendungen wieder der Nutzung im Sinne des ersten Satzes zugeführt werden können. Durch die Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines bisher im Sinne des ersten Satzes genutzten Grundstückes verliert dieses nicht die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten auch Grundstücke mit land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden sowie solche Gebäude selbst, wenn nur diese Gegenstand eines Rechtserwerbes sind. Die Bezeichnung eines Grundstückes im Grundsteuer- oder Grenzkataster ist für dessen Beurteilung als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht maßgebend. Baugrundstücke (Abs3) gelten nicht als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke.

(2) Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb) ist jede selbständige wirtschaftliche Einheit, die vom Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird und die geeignet ist, zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters bzw. seiner Familie beizutragen.

(3) Baugrundstücke sind:

a) Grundstücke, die mit Gebäuden, mit Ausnahme von land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden, bebaut sind;

b) unbebaute Grundstücke, die im Flächenwidmungsplan als Bauland, als Vorbehaltsfläche oder als Sonderfläche, ausgenommen Sonderflächen für Schipisten, für Hofstellen, für landwirtschaftliche Intensivtierhaltung, für Austraghäuser und für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude, gewidmet sind.

Als Baugrundstücke gelten auch baulich in sich abgeschlossene Teile eines Gebäudes, die als Wohnungen, Geschäftsräume, Kanzleien, Ordinationen und dergleichen verwendet werden.

..."

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder
forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

..."

"§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

b) gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden,

c) der Erwerber über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt und

d) der Erwerber erklärt, dass durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.

..."

"9. Abschnitt

Behörden

§26

Grundverkehrsbehörden

(1) Grundverkehrsbehörde erster Instanz ist hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke die Bezirks-Grundverkehrskommission (§27), hinsichtlich der Baugrundstücke und der sonstigen Grundstücke die Bezirksverwaltungsbehörde.

(2) Grundverkehrsbehörde zweiter Instanz ist die Landes-Grundverkehrskommission."

"§28

Landes-Grundverkehrskommission

(1) Beim Amt der Tiroler Landesregierung ist die Landes-Grundverkehrskommission einzurichten. Sie besteht

a) hinsichtlich der Baugrundstücke und der sonstigen Grundstücke aus

1.

einer mit den Angelegenheiten des Grundverkehrs vertrauten Persönlichkeit als Vorsitzendem,

2.

einem Mitglied aus dem Richterstand,

3.

einem rechtskundigen Beamten des Amtes der Tiroler Landesregierung als Berichterstatter,

4.

einem Rechtsanwalt oder Notar,

5.

je einem von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, der Wirtschaftskammer Tirol und der Landeslandwirtschaftskammer vorzuschlagenden Mitglied;

              b)              hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke aus

1.

den Mitgliedern nach lita,

2.

einem Beamten des höheren technischen Agrardienstes des Amtes der Tiroler Landesregierung,

3.

einem Beamten des höheren forsttechnischen Dienstes des Amtes der Tiroler Landesregierung.

(2) Die Mitglieder der Landes-Grundverkehrskommission sind von der Landesregierung auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen. Sie müssen zum Landtag wählbar sein. Bei den Mitgliedern nach Abs1 lita Z. 5 hat die Landesregierung die vorschlagsberechtigten Kammern aufzufordern, binnen einer angemessen festzusetzenden Frist einen Vorschlag zu erstatten. Wird ein Vorschlag nicht rechtzeitig erstattet, so ist die Bestellung ohne Vorschlag vorzunehmen. Vor der Bestellung des Mitgliedes nach Abs1 lita Z. 2 ist der Präsident des Oberlandesgerichtes Innsbruck zu hören. Für jedes Mitglied ist in gleicher Weise ein Ersatzmitglied zu bestellen. Jedes Mitglied wird im Falle seiner Verhinderung durch sein Ersatzmitglied vertreten.

...

(5) Die Landes-Grundverkehrskommission ist beschlußfähig, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäß eingeladen wurden und der Vorsitzende, das Mitglied aus dem Richterstand, der Berichterstatter und mindestens zwei weitere Mitglieder, bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken darüber hinaus noch der Beamte des höheren technischen Agrardienstes und des höheren forsttechnischen Dienstes anwesend sind. Sie faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Stimmenthaltung ist nicht zulässig.

...

(7) Die Mitglieder der Landes-Grundverkehrskommission sind bei der Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden. Ihre Bescheide unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege. Gegen Bescheide der Landes-Grundverkehrskommission, die Rechtserwerbe an Baugrundstücken betreffen, ist Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein, weil die Behörde bei der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes - anders als in aus der Sicht des Beschwerdeführers vergleichbaren und von ihm ins Treffen geführten Fällen - das Parteivorbringen gänzlich ignoriert habe. Hinzu komme, dass die Liegenschaft zur Gänze als Baugrundstück zu qualifizieren gewesen wäre und durch den bekämpften Bescheid daher auch das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde.

Überdies liege eine Verletzung des Art6 EMRK vor, weil der Beschwerdeführer über die Besetzung des Tribunals nicht vor Abhaltung der mündlichen Verhandlung informiert wurde und eine Ablehnung wegen Befangenheit der Mitglieder daher von vornherein nicht möglich gewesen sei. Auch die Besetzung des Tribunals verstoße gegen Art6 EMRK, weil der LGVK auch Interessenvertreter angehören und gemäß §28 Abs5 TGVG 1996 eine "unterschiedliche Zahl von Richtern in willkürlicher Weise an der Entscheidung mitwirken" könne.

2.1. Soweit das - weitwendige - Beschwerdevorbringen zur Einrichtung der LGVK dahin zu verstehen ist, dass damit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Organisationsregelungen des TGVG 1996, insbesondere gegen §28 Abs1 und 5 leg.cit. artikuliert werden, ist dem die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten (s. insbesondere VfSlg. 15.325/1998 mwN).

2.2. Auch die - allgemeine - Behauptung, dass die nicht vorgenommene Verständigung über die tatsächliche Besetzung des Tribunals den Beschwerdeführer in den in Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletze, ist - wie der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis VfSlg. 17.858/2006 ausgesprochen hat - nicht begründet. Es ist nicht erkennbar, dass dem Beschwerdeführer schlechthin (auch nicht bei der Abhaltung der mündlichen Verhandlung) keine Möglichkeit gegeben worden wäre, die Zusammensetzung des Tribunals zu rügen, weil ein Senatsmitglied der entscheidenden LGVK voreingenommen bzw. befangen war; letzteren Umstand hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

3. Gegen die den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften sind beim Verfassungsgerichtshof auch im Übrigen keine Bedenken entstanden (zu §6 Abs1 lita TGVG 1996 vgl. zuletzt VfSlg. 17.858/2006), weshalb der Beschwerdeführer nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt wurde.

4.1. Die belangte Behörde stellte in ihrer Begründung zu Spruchpunkt I.1. des angefochtenen Bescheides aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens fest, dass ein Teil der in Rede stehenden Liegenschaft als Wohngebiet ausgewiesen, ein Teil als Freiland gewidmet sei. Dieser - im grundverkehrsbehördlichen Verfahren unstrittig gebliebenen - Feststellung tritt auch die Beschwerde nicht entgegen.

Die LGVK gelangte auf Basis dessen zu dem Schluss, dass es sich bei dem im Wohngebiet gelegenen Teil der Liegenschaft nicht um ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück iSd §2 Abs1 TGVG 1996, sondern um ein Baugrundstück (offenbar gemäß §2 Abs3 litb leg.cit.) handle. Unter diesem Gesichtspunkt sei die Bezirks-Grundverkehrskommission jedoch zur Entscheidung über den in Rede stehenden Rechtserwerb, soweit der als Bauland (Wohngebiet) gewidmete Teil des Grundstücks betroffen ist, nicht zuständig gewesen.

4.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

4.3. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

4.4. Der in Spruchpunkt I.1. zum Ausdruck kommenden Auffassung der belangten Behörde ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht entgegenzutreten. Der LGVK ist mit Blick auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in diesem Punkt kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen, der insbesondere eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter oder auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz zur Folge hätte.

Die Beschwerde war daher abzuweisen, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I.1. des bekämpften Bescheides richtet.

5. Im Übrigen erweist sich die Beschwerde jedoch als begründet:

5.1. Die LGVK geht im angefochtenen Bescheid vorerst grundsätzlich zutreffend davon aus, dass die Beurteilung, ob ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet wird, nicht nach starren Regeln, sondern nach Maßgabe des

jeweiligen Falles zu erfolgen hat. Die Behörde folgt im Kern weiters der Auffassung, dass die Schaffung oder Erhaltung wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes ein iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nicht zu beanstandendes Ziel des Tiroler Grundverkehrsrechts sei, wozu auch leistungsfähige landwirtschaftliche Betriebe gehören.

Die belangte Behörde kommt bei der Beurteilung der im Freiland gelegenen Teilfläche der kaufgegenständlichen Liegenschaft im Wesentlichen zum Ergebnis, dass hiebei kein wirtschaftlich gesunder mittlerer oder kleinerer landwirtschaftlicher Grundbesitz vorliege, der für die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes ausreichen würde. Auch sei der Erwerber bisher nicht Eigentümer weiterer landwirtschaftlicher Grundflächen bzw. eines landwirtschaftlichen Betriebes. Die LGVK zieht daraus den Schluss, dass die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu versagen sei, weil der Rechtserwerb an der im Freiland gelegenen Teilfläche dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspreche (s. §6 Abs1 lita TGVG 1996).

5.2. Der Beschwerdeführer hat demgegenüber im Berufungsverfahren vor der LGVK ausgeführt - und dies in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekräftigt -, dass der im Freiland gelegene Teil der Liegenschaft dem von der Behörde formulierten Ziel in nahezu keiner Konstellation entsprechen könne, da dieses Teilstück aufgrund seiner Beschaffenheit für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung sei und als eigenständige Betriebsbasis möglicherweise nie hinreiche. Das in diese Richtung wirkende und substantiierte Vorbringen des Beschwerdeführers hätte die Behörde in entsprechender Weise im Zuge des Ermittlungsverfahrens zu prüfen gehabt und sich damit in der Begründung des angefochtenen Bescheides auseinandersetzen müssen. Indem sie dies unterlassen hat, hat die belangte Behörde Willkür geübt.

Der Beschwerdeführer wurde daher durch Spruchpunkt I.2. des bekämpften Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der Bescheid war insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

6. Aufzuheben war auch der mit Spruchpunkt I.2. in untrennbarem Zusammenhang stehende Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers und der beteiligten Partei gegen den erstinstanzlichen grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsbescheid aufgrund der mit Spruchpunkt I.2. ausgesprochenen Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung als unbegründet abgewiesen wurde.

IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Da der Beschwerdeführer in zwei Punkten durchgedrungen ist (Aufhebung von zwei der drei Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides, im Übrigen Abweisung der Beschwerde), waren nur zwei Drittel der Kosten zuzusprechen. Der zugesprochene Kostenbetrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von € 240,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 180,-.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Behördenzusammensetzung, Befangenheit, Grundstückland- oder forstwirtschaftliches, Behördenzuständigkeit, BescheidTrennbarkeit, Ermittlungsverfahren, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B114.2006

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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