RS OGH 1999/3/9 14Os20/99, 15Os103/00 (15Os104/00, 15Os105/00, 15Os106/00, 15Os107/00, 15Os108/00, 1

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 09.03.1999
beobachten
merken

Norm

StPO §6 B
StPO §263
StPO §427
StPO §451 Abs1
StPO §454
StPO §459
MRK Art6 Abs1 II5a2

Rechtssatz

Unzulässigkeit im Abwesenheitsverfahren. Verletzung des rechtlichen Gehörs. Wurde im Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht der Bestrafungsantrag erst in der in Abwesenheit des Beschuldigten vorgenommenen Hauptverhandlung auf einen weiteren Deliktszeitraum ausgedehnt, so ist die Ausdehnung auch der Verhandlung und des Urteils darauf unzulässig, weil die Sonderbestimmungen des § 263 StPO über die Anklageausdehnung in der Hauptverhandlung nur dann zum Tragen kommen, wenn die Verhandlung in Gegenwart des Beschuldigten stattfindet (so schon SSt 17/116). Kommt hingegen in einer in Abwesenheit des Beschuldigten vorgenommenen Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht eine neue Tat hervor, so hat der Ankläger, wenn er sie verfolgen will, gemäß der allgemeinen Vorschrift des § 451 Abs 1 StPO einen schriftlichen Bestrafungsantrag nachzutragen. War somit schon die Anklageausdehnung zu Protokoll formell verfehlt, so war erst recht die Ausdehnung auch der Verhandlung und des Urteils darauf unzulässig, weil der Beschuldigte solcherart im Verfahren niemals Gelegenheit hatte, zum erweiterten Anklagevorwurf Stellung zu nehmen. Durch das insoweit gepflogene Verfahren und das darüber erlassene Urteil wurde daher das Gesetz in dem in §§ 451 Abs 1 letzter Satzteil, 454 und 459 StPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art 6 MRK (nicht bloß in der Bestimmung des § 459 StPO) verletzt.

Entscheidungstexte

  • 14 Os 20/99
    Entscheidungstext OGH 09.03.1999 14 Os 20/99
  • 15 Os 103/00
    Entscheidungstext OGH 25.01.2001 15 Os 103/00
    nur: Wurde im Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht der Bestrafungsantrag erst in der in Abwesenheit des Beschuldigten vorgenommenen Hauptverhandlung auf einen weiteren Deliktszeitraum ausgedehnt, so ist die Ausdehnung auch der Verhandlung und des Urteils darauf unzulässig, weil der Beschuldigte solcherart im Verfahren niemals Gelegenheit hatte, zum erweiterten Anklagevorwurf Stellung zu nehmen. (T1)
    Beisatz: Und sich in diesem Zusammenhang die zu seiner Verteidigung dienenden Beweismittel zu verschaffen. (T2)
  • 14 Os 90/04
    Entscheidungstext OGH 14.09.2004 14 Os 90/04
    Auch
  • 15 Os 41/07d
    Entscheidungstext OGH 30.05.2007 15 Os 41/07d
    Auch; nur: Wurde im Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht der Bestrafungsantrag erst in der in Abwesenheit des Beschuldigten vorgenommenen Hauptverhandlung auf einen weiteren Deliktszeitraum ausgedehnt, so ist die Ausdehnung auch der Verhandlung und des Urteils darauf unzulässig, weil der Beschuldigte solcherart im Verfahren niemals Gelegenheit hatte, zum erweiterten Anklagevorwurf Stellung zu nehmen. Durch das insoweit gepflogene Verfahren und das darüber erlassene Urteil wurde daher das Gesetz im Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art 6 MRK verletzt. (T3)
    Beisatz: Eine Urteilsfällung ist auch unzulässig, wenn im Bestrafungsantrag auf eine beabsichtigte, jedoch nicht näher präzisierte Ausdehnung des Deliktszeitraumes hingewiesen wurde. (T4)
  • 12 Os 129/06x
    Entscheidungstext OGH 28.06.2007 12 Os 129/06x
    Auch; Beisatz: Hier: Ausdehnung des Strafantrages in der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes auf ein einbezogenes Faktum in Abwesenheit des Beschuldigten, nach dessen Vernehmung im Rechtshilfeweg auch zu diesem Faktum. (T5)
  • 11 Os 24/08a
    Entscheidungstext OGH 29.04.2008 11 Os 24/08a
    Auch; nur T3
  • 12 Os 90/08i
    Entscheidungstext OGH 17.07.2008 12 Os 90/08i
    Vgl; Beisatz: Die Verurteilung des Angeklagten für den in der Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit ausgedehnten Tatzeitraum verletzt den in §§ 451 Abs 1 letzter Satz, 454 und 459 StPO aF (nunmehr §§ 6, 451 Abs 1 letzter Satz 447 StPO und iVm § 427 Abs 1 StPO) zum Ausdruck gebrachten Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art 6 MRK, hatte er doch im Verfahren niemals Gelegenheit, zum erweiterten Anklagevorwurf Stellung zu nehmen. (T6)
  • 14 Os 130/14w
    Entscheidungstext OGH 16.12.2014 14 Os 130/14w
    Vgl; Beisatz: Eine „gehörige Ladung“ im Sinne des § 427 StPO hat neben der Bekanntgabe des Termins der Hauptverhandlung den Angeklagten über den Gegenstand der Verhandlung in Kenntnis zu setzen, wobei ein Hinweis auf den bereits zugestellten Strafantrag, dessen Kenntnis vorausgesetzt ist, genügt. (T7)
  • 12 Os 64/15a
    Entscheidungstext OGH 11.06.2015 12 Os 64/15a
    Vgl
  • 12 Os 27/17p
    Entscheidungstext OGH 06.04.2017 12 Os 27/17p
    Auch
  • 11 Os 78/19h
    Entscheidungstext OGH 25.06.2019 11 Os 78/19h
    Vgl
  • 15 Os 33/20x
    Entscheidungstext OGH 05.06.2020 15 Os 33/20x
    Vgl
  • 11 Os 72/21d
    Entscheidungstext OGH 27.07.2021 11 Os 72/21d
    Vgl; Beisatz: Hier: Unzulässige Ausdehnung der Anklage in Abwesenheit der Angeklagten in der Hauptverhandlung, wodurch der Prozessgegenstand für die gemäß § 276a StPO neu durchgeführte Hauptverhandlung nicht rechtens erweitert wurde (vgl 11 Os 78/19h). (T8)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:RS0111828

Im RIS seit

08.04.1999

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten