TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/30 2001/20/0308

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Veröffentlicht am 30.09.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §38;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des K in W, geboren 1977, vertreten durch Dr. Bernhard Weissborn, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstraße 68, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Februar 2001, Zl. 220.986/1-II/04/01, betreffend §§ 7 und § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesh, reiste am 11. September 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte mit Schriftsatz vom selben Tag Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 4. Dezember 2000 gab er als Fluchtgrund an, er sei 1988 (im Alter von 11 Jahren) der BFP (Bangladesh Freedom Party) beigetreten und seit 1995 deren "Generalsekretär" für einen der vier Wahlsprengel seiner Heimatortes Charpata. Bei einer Demonstration der BFP in Charpata am 15. August 1998 sei der Demonstrationszug von Anhängern der Awami-League angegriffen worden. Im Zuge der Auseinandersetzung sei eine angeblich der Awami-League angehörende Person am Bein verletzt worden. Der Beschwerdeführer habe am nächsten Tag erfahren, dass er der Herbeiführung dieser Verletzung beschuldigt werde, und seinen Heimatort aus Angst vor einer Festnahme verlassen. In weiterer Folge sei ihm mitgeteilt worden, man lege ihm im Zusammenhang mit der Verletzung einen Mordversuch zur Last. Daraufhin habe er das Land verlassen. Er könne auf Grund seiner Parteimitgliedschaft in Bangladesh nicht mit einem fairen Verfahren rechnen.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 10. Jänner 2001 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesh für zulässig. Es stellte u. a. fest, der Beschwerdeführer habe an der behaupteten Demonstration teilgenommen und sei unter der Beschuldigung, die Verletzung eines Anhängers der Awami-League herbeigeführt zu haben, angezeigt worden. Zur Beweiswürdigung wurde ausgeführt, die Angaben des Beschwerdeführers, "soweit diese den Ablauf der geschilderten Ereignisse betrafen, waren glaubhaft und werden dem Verfahren als zu beurteilender Sachverhalt zugrunde gelegt". Die Ausführungen des Beschwerdeführers über eine Beeinflussung der Justiz in seinem Heimatland durch die Awami-League seien jedoch nur eine "subjektive, pauschale Unterstellung" und nicht auf konkrete Anhaltspunkte gestützt. Der Beschwerdeführer könne daher gegenüber den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen "die dafür eingerichteten Möglichkeiten des Rechtsschutzes in Anspruch" nehmen. "Ergänzend" traf das Bundesasylamt noch Feststellungen über die BFP. Dabei gab es u.a. Berichtsteile wieder, nach denen die BFP ihre politischen Aktivitäten im Jahr 1996 beendet habe.

Seine Berufung gegen diesen Bescheid verband der Beschwerdeführer mit allgemein gehaltenen Ausführungen über die Einschüchterung von Regimegegnern in Bangladesh.

Mit dem angefochtenen, ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie stützte ihre Entscheidung im Wesentlichen auf die "ergänzenden" Feststellungen des Bundesasylamtes und leitete aus der in diesen Feststellungen erwähnten Beendigung der Aktivitäten der BFP u.a. ab, die vom Beschwerdeführer behauptete Demonstration habe nicht stattgefunden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ist im Gegensatz zum Bundesasylamt nicht mehr von den Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers über das "angeblich verfolgungsbegründende Ereignis" ausgegangen. Sie hat vielmehr aus den ergänzenden Feststellungen des Bundesasylamtes geschlossen, es sei nicht "zu erwarten", dass dieses Ereignis zum behaupteten Zeitpunkt "überhaupt stattgefunden habe". Auch in ihren weiterführenden Überlegungen zum Berufungsvorbringen, wonach "politisch aktive Personen" in Bangladesh von den Behörden eingeschüchtert würden, stellt die belangte Behörde darauf ab, dass beim Beschwerdeführer das Merkmal "politisch aktiv" im Zusammenhang mit der BFP - da diese keine Aktivitäten mehr entfalte - seit Juni 1996 nicht mehr erfüllt sein könne. Zufolge Einstellung der politischen Aktivitäten der BFP müsse der Beschwerdeführer als BFP-Mitglied auch keine Privatverfolgung durch Anhänger der Awami-League mehr befürchten.

Damit hat die belangte Behörde in Bezug auf das "angeblich verfolgungsbegründende Ereignis" vom 15. August 1998 gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid eine radikale Umwürdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorgenommen. Hiezu hätte es nach dem Gesetz und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer mündlichen Berufungsverhandlung bedurft (vgl. dazu beispielsweise, in einem anderen die BFP betreffenden Fall, schon das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2000, Zl. 98/20/0490).

Der in der Beschwerde gerügte Umstand, dass die belangte Behörde nicht verhandelt und das Berufungsverfahren (u.a.) dadurch mit einem Verfahrensmangel belastet habe, ist für den Ausgang des Verfahrens auch nicht erkennbar bedeutungslos, weil ausgehend von den Behauptungen des Beschwerdeführers über seine fluchtbegründenden Erlebnisse die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht von vornherein auszuschließen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 30. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001200308.X00

Im RIS seit

04.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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