TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 2002/08/0081

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Veröffentlicht am 20.10.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der L in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 27. November 2001, Zl. LGSOÖ/Abt. 4/1281/0470/2001-11, betreffend Notstandshilfe zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf die hg. Erkenntnisse vom 29. März 2000, 98/08/0116, und vom 20. April 2001, 2000/19/0102, zu verweisen; daraus ist Folgendes hervorzuheben:

Die Beschwerdeführerin stellte am 17. Dezember 1996 unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Formulares den Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuss.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 3. Jänner 1997 wurde diesem Antrag keine Folge gegeben. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei türkische Staatsbürgerin und besitze keinen gültigen Befreiungsschein.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. März 1997 nicht statt. Sie führte aus, die Beschwerdeführerin sei am Antragstag im Bezug einer vorschussweisen Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 23 AlVG gestanden. Die zuerkannte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld sei bei Antragsstellung am 17. Dezember 1996 noch nicht verbraucht gewesen. Die Beschwerdeführerin habe noch bis 8. Jänner 1997 Arbeitslosengeld gemäß § 23 AlVG bezogen. Am Tag der Antragstellung, am 17. Dezember 1996, habe daher kein Anspruch auf Notstandshilfe bestanden, weil ein solcher Anspruch mangels Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld nicht gebührt hätte.

Dieser Bescheid der belangten Behörde vom 18. März 1997 wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2000, Zl. 98/08/0116, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die belangte Behörde hätte auf Grund der Zeitraumbezogenheit des geltend gemachten Anspruches die nach der Antragstellung, aber vor Erlassung ihres Bescheides eingetretene Änderung der Sachlage, nämlich die Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu beachten gehabt.

Am 5. Juni 2000 erließ die belangte Behörde einen Ersatzbescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Der Berufung wird stattgegeben.

Es wird ausgesprochen, dass Ihnen der Anspruch auf Notstandshilfe ab dem 23.5.1999 in der täglichen Höhe von S 229,40 gebührt.

Ab dem 24.5.1999 ruht der Leistungsbezug gemäß § 16 Abs. 1 lit. a AlVG wegen des Anspruches auf Krankengeld.

Ab 1.7.1999 gebührt gemäß § 7 AlVG kein Leistungsanspruch mehr, da Ihnen mit diesem Zeitpunkt eine Invaliditätspension zuerkannt wurde und Arbeitsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr besteht."

Die Beschwerdeführerin sei im Bezug von Arbeitslosengeld gestanden, als sie sich bei der erstinstanzlichen Behörde am 17. Dezember 1996 krankgemeldet und gleichzeitig einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt habe. Am 27. Dezember 1996 habe sich die Beschwerdeführerin wieder gesundgemeldet und eine Krankenstandsbescheinigung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vorgelegt, worin die Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin von 17. Dezember 1996 bis 1. Jänner 1997 dokumentiert worden sei. Im Anschluss daran sei der Restanspruch auf Arbeitslosengeld weiter zur Anweisung gebracht worden, jedoch mit 10. Jänner 1997 infolge einer neuerlichen Krankmeldung wieder eingestellt worden, wobei ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von zwei Tagen verblieben sei. Das Ende des Krankengeldbezuges sei jedoch nicht bekannt gewesen, sodass eine neuerliche persönliche Meldung gemäß § 46 AlVG notwendig gewesen wäre, um den anschließenden Fortbezug für die verbliebenen Tage geltend zu machen. Das Krankengeld sei der Beschwerdeführerin bis 21. Jänner 1997 ausbezahlt worden. Die Beschwerdeführerin habe sich im Anschluss daran nicht mehr bei der erstinstanzlichen Behörde zurückgemeldet. Erst am 21. Mai 1999 habe sie neuerlich einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt, woraufhin das Arbeitslosengeld für die beiden Resttage des Zeitraumes von 21. Mai 1999 bis 22. Mai 1999 angewiesen worden sei. Ab 24. Mai 1999 habe die Beschwerdeführerin erneut Krankengeld bezogen. Ab 1. Juli 1999 sei der Beschwerdeführerin eine Invaliditätspension zuerkannt worden. Ihr gebühre lediglich für den 23. Mai 1999 Notstandshilfe.

Mit hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2000/19/0102, wurde der Ersatzbescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Begründung des angefochtenen Ersatzbescheides bringe zweifelsfrei zum Ausdruck, dass die belangte Behörde den Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuss, soweit er sich auf den Zeitraum zwischen dem 17. Dezember 1996 und dem 22. Mai 1999 bezog, habe abweisen wollen. Diese Abweisung erachte die Beschwerdeführerin für den im Anschluss an den Bezug von Krankengeld im Jänner 1997 geltenden Zeitraum für rechtswidrig, weil sie den Anspruch auf Notstandshilfe mit Antrag vom 17. Dezember 1996 geltend gemacht habe.

Unstrittig sei, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 10. Jänner 1997 bis 21. Jänner 1997 Krankengeld bezogen habe, sowie dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss am 10. Jänner 1997 noch nicht erschöpft gewesen sei, sondern in der Zeit zwischen 10. Jänner 1997 und 21. Jänner 1997 geruht habe. Unter der Voraussetzung, dass dem Arbeitsmarktservice das Ende des Ruhens "im Vorhinein" nicht bekannt gewesen sei, hätte die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss durch persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice geltend zu machen gehabt. Der am 17. Dezember 1996 gestellte Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe hätte eine solche Obliegenheit nicht ersetzen können.

Der Beschwerdeführerin sei zu der erstmals im zweiten Rechtsgang von der belangten Behörde getroffenen Annahme, das Ende des Krankengeldbezuges sei der erstinstanzlichen Behörde im Vorhinein nicht bekannt gewesen, bzw. sie habe sich im Anschluss an den Krankengeldbezug bis 21. Mai 1999 nicht gemeldet, kein rechtliches Gehör gewährt worden. Wäre der erstinstanzlichen Behörde nämlich das voraussichtliche Ende des Krankengeldbezuges vor dem 21. Jänner 1997 bekannt gewesen, hätte es einer persönlichen Wiedermeldung der Beschwerdeführerin nach Ende des Krankengeldbezuges nicht bedurft. Der Restanspruch auf Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss wäre der Beschwerdeführerin sohin für den 22. und den 23. Jänner 1997 zugestanden und danach der Hinderungsgrund für die Gewährung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuss auf Grund des Antrages vom 17. Dezember 1996 ab dem 24. Jänner 1997 weggefallen.

Wäre der erstinstanzlichen Behörde das Ende des Krankengeldbezuges zunächst unbekannt gewesen und hätte sich die Beschwerdeführerin danach tatsächlich persönlich gemeldet, so hätte sie den Anspruch auf Arbeitslosengeld als Pensionsvorschuss ordnungsgemäß geltend gemacht und das Arbeitslosengeld für die beiden Resttage wäre ab diesem Zeitpunkt zugestanden. Danach wäre der Hinderungsgrund für die Gewährung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuss auch in diesem Fall weggefallen.

In Hinblick darauf, dass die belangte Behörde ausschließlich darüber zu entscheiden gehabt habe, ob und für welche Dauer auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin vom 17. Dezember 1996 Notstandshilfe als Pensionsvorschuss zustehe und im Hinblick darauf, dass gemäß § 35 Abs. 1 AlVG auf Grund eines Antrages die Notstandshilfe lediglich für einen 52 Wochen nicht übersteigenden Zeitraum gebühre, hänge die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Beschwerdeführerin Leistungen ab dem 23. Mai 1999 zuzuerkennen seien, mit der Frage, ab wann der Anspruch auf Notstandshilfe zustehe, untrennbar zusammen. Aus diesem Grund sei die Abweisung des Antrages auf Notstandshilfe für den Zeitraum zwischen 17. Dezember 1996 und dem 22. Mai 1999 rechtswidrig.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Juli 2001 um die von dieser angekündigten Beweise für ihre mehrmalige persönliche Wiedermeldung beim Arbeitsmarktservice und die Vorlage der Krankenbescheinigung ersucht.

In ihrem Schreiben vom 26. September 2001 führte die Beschwerdeführerin aus, sich nach Ende ihres Krankenstandes in Begleitung ihres Sohnes wieder beim Arbeitsmarktservice gemeldet zu haben und fügte hinzu, ein entsprechender Vermerk darüber dürfte unterblieben sein.

Am 9. Oktober 2001 wurde mit dem Sohn der Beschwerdeführerin folgende Niederschrift bei der belangten Behörde aufgenommen:

"Ich war mit meiner Mutter am 27.12.1996 beim Arbeitsmarktservice T. und wir haben die Krankenstandsbescheinigung für den Zeitraum von 17.12.1996 bis 1.1.1997 abgegeben. Der Herr oder die Dame - eher ein Herr, bei dem wir die Bescheinigung abgegeben haben, hat uns gesagt, dass meine Mutter keinen Anspruch auf Notstandshilfe hat, da sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Wir haben dann den Bescheid vom 3.1.1997 bekommen. Am 10.1.1997 hat sich meine Mutter wieder krankgemeldet. Entweder noch während oder am nächsten Tag nach dem Ende des Krankenstandes (10.1.1997 bis 20.1.1997) haben wir uns sicher wieder beim Arbeitsmarktservice T. gemeldet. Möglicherweise haben wir die Krankenstandsbescheinigung abgegeben, möglicherweise nicht. Der Grund für die Nichtabgabe könnte gewesen sein, dass wir davon ausgegangen sind, dass kein Anspruch auf Notstandshilfe besteht (Bescheid vom 3.1.1997). Nach 5 Jahren kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Das nächste Mal (Mai 1999) war ein Kollege von mir mit meiner Mutter beim Arbeitsmarktservice L. In der Zwischenzeit war ich und meine Mutter nicht beim Arbeitsmarktservice."

Einem Aktenvermerk der belangten Behörde zufolge weigerte sich der Sohn der Beschwerdeführerin im Anschluss an die Aufnahme, seine Unterschrift unter das Protokoll zu setzen. Als Begründung gab er an, sich noch mit seinem Rechtsvertreter besprechen zu wollen.

In der Folge langte eine mit 10. Oktober 2001 datierte eidesstattliche Erklärung des Sohnes der Beschwerdeführerin mit folgendem Wortlaut bei der belangten Behörde ein:

"Ich war mit meiner Mutter am 27.12.1996 beim Arbeitsmarktservice T. und wir haben die Krankenstandsbescheinung für den Zeitraum von 17.12.1996 bis 1.1.1997 abgegeben. Der Herr oder die Dame - eher ein Herr, bei dem wir die Bescheinigung abgegeben haben, hat uns gesagt, dass meine Mutter keinen Anspruch auf Notstandshilfe hat, da sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Wir haben dann den Bescheid vom 3.1.1997 bekommen. Am 10.1.1997 hat sich meine Mutter wieder krankgemeldet. Entweder noch während oder am nächsten Tag nach dem Ende des Krankenstandes (10.1.1997 bis 20.1.1997) haben wir uns sicher wieder beim Arbeitsmarktservice T. gemeldet. Wir haben die Krankenstandsbescheinigung abgegeben. An das genaue Datum kann ich mich nach 5 Jahren aber nicht mehr erinnern. Das nächste Mal (Mai 1999) war ein Kollege von mir mit meiner Mutter beim Arbeitsmarktservice L. In der Zwischenzeit war ich und meine Mutter nicht beim Arbeitsmarktservice."

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 27. November 2001 sprach die belangte Behörde aus, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses vom 17. Dezember 1996 werde mangels Erschöpfung des Arbeitslosengeldes vom 17. Dezember 1996 bis 22. Mai 1999 keine Folge gegeben. Vom 17. Dezember 1996 bis 1. Jänner 1997 ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen des Bezuges von Krankengeld. Vom 2. Jänner 1997 bis 9. Jänner 1997 gebühre der Anspruch auf Arbeitslosengeld in der täglichen Höhe von S 241,50 (EUR 17,55). Vom 10. Jänner 1997 bis 21. Jänner 1997 ruhe der Anspruch wegen des Bezuges von Krankengeld und von 22. Jänner 1997 bis 20. Mai 1999 wegen Nichtmeldung nach dem Ruhenszeitraum. Auf Grund der Antragstellung der Beschwerdeführerin vom 21. Mai 1999 gebühre der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom 21. Mai 1999 bis 22. Mai 1999 in der täglichen Höhe von S 241,50 (EUR 17,55). Auf Grund der Antragstellung auf Notstandshilfe vom 23. Mai 1999 werde die Notstandshilfe am 23. Mai 1999 gewährt. Von 24. Mai 1999 bis 30. Juni 1999 ruhe die Notstandshilfe wegen des neuerlichen Bezuges von Krankengeld. Mit 1. Juli 1999 sei die Invaliditätspension zuerkannt worden.

In der Begründung führte die belangte Behörde - ergänzend zum oben dargestellten unstrittigen Sachverhalt - aus, die Beschwerdeführerin habe sich am 10. Jänner 1997 persönlich krankgemeldet. Das Ende des Krankengeldbezuges sei zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Nach den vorliegenden Daten habe sich die Beschwerdeführerin nach dem Ende ihres Krankenstandes mit 21. Jänner 1997 erst wieder am 21. Mai 1999 gemeldet. In den gespeicherten Daten des Arbeitsmarktservice fände sich nach dem 10. Jänner 1997 bis zum 21. Mai 1999 kein einziger Vermerk über einen eventuellen persönlichen, telefonischen oder schriftlichen Kontakt bzw. eine Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsmarktservice.

Bei jeder bisher erfolgten Leistungsunterbrechung habe sich die Beschwerdeführerin noch vor deren Ende mit der Auszahlungsbestätigung der Krankenkasse wieder rechtzeitig beim Arbeitsmarktservice zurückgemeldet, spätestens jedoch am Folgetag nach Ende des Krankenstandes. Hätte sie dem Arbeitsmarktservice auch nach jenem besagten Krankenstand die dafür notwendige Krankenstandsbescheinigung vorgelegt, müssten sich diese im Leistungsakt befinden und ein Fortbezug angewiesen worden sein. Es sei auch keine etwaige Eintragung über einen persönlichen Kontakt der Beschwerdeführerin mit dem Arbeitsmarktservice vorhanden. Die Vorgänge im Rahmen von u.a. Rückmeldungen nach Krankenständen gehörten zum Kerngeschäft des Arbeitsmarktservice. Eine vorgelegte Krankenstandsbescheinigung sei in jedem Fall entgegenzunehmen. Der für die Entgegennahme zuständige Mitarbeiter der Serviceabteilung sei zur Weiterleitung verpflichtet und habe zudem eine Eintragung in der Datenbank vorzunehmen. Spätestens bei Einlangen in der Leistungsabteilung wäre es zu der für den Fortbezug notwendigen Veranlassung gekommen. Dass beide Vorgänge unterblieben wären, sei derart unwahrscheinlich, dass ein etwaiges Fehlverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei.

Die Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes seien nicht glaubwürdig.

Ein Indiz für die Unglaubwürdigkeit sei die Diskrepanz der Angaben über die Anzahl der Kontakte mit dem Arbeitsmarktservice nach dem 21. Jänner 1997. Während in der Beschwerde von mehrmaligen Kontakten die Rede sei, spreche der als Zeuge einvernommene Sohn nur von einem einzigen Kontakt. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Beschwerde weiters angekündigt, mehrfach beweisen zu können, dass das Arbeitsmarktservice Kenntnis über das Ende des Krankenstandes der Beschwerdeführerin gehabt habe. Im weiteren Verfahrensverlauf habe sie jedoch lediglich ihren Sohn als Zeugen genannt. In der Niederschrift vom 9. Oktober 2001 habe dieser zu Protokoll gegeben, die Krankenstandsbescheinung könnte möglicherweise auch nicht abgegeben worden sein, weil kein Anspruch auf Notstandshilfe zu erwarten gewesen sei. In seiner eidesstattlichen Erklärung, welche dieser nach Besprechung mit seinem Vertreter abgegeben habe, fehle genau dieser Passus. Die ursprünglichen Angaben entsprächen eher dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse.

In einem Schreiben vom 13. Dezember 1998 habe der Vertreter der Beschwerdeführerin um neuerliche Beurteilung des Antrages vom 17. Dezember 1996 ersucht. In einem Antwortschreiben vom 28. Dezember 1998 habe die Beschwerdeführerin die Auskunft erhalten, eine neuerliche Beurteilung der Gewährung der Notstandshilfe sei nur durch eine neuerliche Antragstellung möglich. Der Anspruch könne jederzeit bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend gemacht werden. Auch im Anschluss daran sei bis zum 21. Mai 1999 keine Reaktion erfolgt.

Im Zeitraum vom 22. Jänner 1997 bis 20. Mai 1999 bestehe daher kein Leistungsanspruch.

Gegen diesen (Ersatz-)Bescheid richtet sich die nunmehrige, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die Beschwerdeführerin führt darin aus, die belangte Behörde habe am 9. Oktober 2001 keine ordnungsgemäße Niederschrift mit ihrem Sohn aufgenommen, weil sie keinen Dolmetscher beigezogen habe. Da ihrem Sohn inhaltliche Unklarheiten aufgefallen seien, habe dieser seine Unterschrift verweigert und nach Beratung mit ihrem Rechtsanwalt eine korrigierte eidesstattliche Erklärung verfasst und vorgelegt.

Die danach vorgelegte eidesstattliche Erklärung ihres Sohnes sei von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden, es lägen daher Begründungsmängel vor. Die Unterlassung einer neuerlichen Einvernahme unter korrekten Rahmenbedingungen stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil die Beschwerdeführerin bei korrekter Vorgehensweise die Kenntnis des Arbeitsmarktservice vom Ende ihres Krankengeldbezuges am 21. Jänner 1997 hätte beweisen können.

Weiters gibt die Beschwerdeführerin an, zum damaligen Zeitpunkt von der seitens des Arbeitsmarktservice bekannt gegebenen Rechtslage ausgegangen zu sein, wonach sie keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe. Die damalige gesetzliche Regelung der Notstandshilfe in Österreich habe zudem nicht den internationalen Vorgaben, insbesondere nicht den durch das Erkenntnis des EGMR in der Sache Gaygusuz vorgegebenen Kriterien im Hinblick auf Art. 1 erstes Zusatzprotokoll zur EMRK entsprochen. Vor diesem Hintergrund dürften an die Meldepflichten des Notstandshilfebeziehers keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Selbst wenn man davon ausginge, die Beschwerdeführerin hätte das Ende des Krankengeldbezuges nicht ordnungsgemäß gemeldet, dürfe ihr dies vor dem Hintergrund der damaligen EMRK-widrigen Rechtslage nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen oder ruht der Anspruch (§ 16), wobei der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- bzw. Ruhenszeitraumes im Vorhinein nicht bekannt ist, so ist der Anspruch auf das Arbeitslosengeld bzw. auf den Fortbezug gemäß § 46 Abs. 5 AlVG neuerlich persönlich geltend zu machen. Wenn der Unterbrechungs- bzw. Ruhenszeitraum 62 Tage nicht übersteigt, so genügt für die Geltendmachung die persönliche Wiedermeldung bei der regionalen Geschäftsstelle. Ist aber der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- bzw. Ruhenszeitraumes im Vorhinein bekannt und überschreitet die Unterbrechung bzw. das Ruhen den Zeitraum von 62 Tagen nicht, so ist von der regionalen Geschäftsstelle ohne gesonderte Geltendmachung und ohne persönliche Wiedermeldung über den Anspruch zu entscheiden. Der Arbeitslose ist in diesem Fall im Sinne des § 50 Abs. 1 verpflichtet, den Eintritt in ein Arbeitsverhältnis oder sonstige maßgebende Änderungen, die im Unterbrechungs- bzw. Ruhenszeitraum eintreten, der regionalen Geschäftsstelle zu melden. In allen übrigen Fällen ist der Anspruch neuerlich persönlich geltend zu machen.

Gemäß § 58 AlVG ist § 46 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Strittig ist, ob im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. April 2001, 2000/19/0102, dem Arbeitsmarktservice am 10. Jänner 1997 das Ende des Anspruches auf Krankengeld bekannt gewesen ist und ob sich die Beschwerdeführerin im Anschluss an den Krankengeldbezug vom 10. bis 21. Jänner 1997 bis zum 21. Mai 1999 nicht beim Arbeitsmarktservice gemeldet hat. Die belangte Behörde hat diese Tatfragen in einem mängelfreien Verfahren beantwortet:

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung der belangten Behörde (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie u.a. den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2000/08/0129).

Die Beschwerdeführerin schildert die Weigerung ihres Sohnes zur Unterschrift als "Probleme bei der Einvernahme". Aus der Aktenlage (handschriftlicher Vermerk im Anschluss an den Text der Niederschrift vom 9. Oktober 2001) geht hingegen hervor, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin vor der Setzung seiner Unterschrift mit seinem Rechtsvertreter beraten wollte. Der Unterschied der infolge dieser Besprechung vorgelegten eidesstattlichen Erklärung zur ursprünglichen Niederschrift vom 9. Oktober 2001 besteht lediglich im Weglassen zweier Sätze. Das Nichtaufscheinen dieser zwei in der Niederschrift zu Protokoll genommenen Sätze, wonach die fehlende Krankenbescheinigung möglicherweise auch nicht abgegeben worden sei, liegt klar im Interesse der Beschwerdeführerin. Die Änderung der Aussage bestätigt den Vermerk der belangten Behörde, wonach der Sohn der Beschwerdeführerin die Unterschrift nicht wegen mangelhafter Deutschkenntnisse und dadurch entstandener Unklarheiten verweigerte, sondern um sich rechtlich beraten zu lassen. Ist aber ein Zeuge in der Lage, sich in der deutschen Sprache ausreichend verständlich zu machen, dann ist die Voraussetzung zur Beiziehung eines Dolmetschers nicht gegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 2002, 98/08/0069).

Hinsichtlich ihres Vorbringens, die belangte Behörde habe die vorgelegte eidesstattliche Erklärung ihres Sohnes bei der Entscheidungsfindung in keiner Weise berücksichtigt und sich inhaltlich nicht damit auseinander gesetzt, ist die Beschwerdeführerin auf die Seiten 8 und 12 des angefochtenen Bescheides zu verweisen. Die belangte Behörde hat durchaus auf den Unterschied zwischen der Aussage in der Niederschrift und der eidesstattlichen Erklärung hingewiesen, die unterschiedlichen Inhalte auf ihre Glaubwürdigkeit hin beurteilt und in ihre Beweiswürdigung miteinbezogen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin, wonach vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des EGMR in der Sache Gaygusuz an die Meldepflichten des Notstandshilfebeziehers keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürften, ist zu bemerken, dass nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde der Beschwerdeführerin das Erfordernis der persönlichen Wiedermeldung nach einem Krankenstand auf Grund ihrer bisherigen stets rechtzeitig erfolgten Rückmeldungen jedenfalls klar war. Den Unterlagen der belangten Behörde zufolge meldete sich die Beschwerdeführerin nach zahlreichen Krankmeldungen stets so zurück, dass kein einziger Tag zwischen Bezug des Krankengeldes und Notstandshilfe lag. Das Meldesystem war der Beschwerdeführerin offenkundig bekannt.

Auch mit der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie sei davon ausgegangen, ein Anspruch auf Notstandshilfe bestünde ohnehin nicht, hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid eingehend auseinander gesetzt und diese Behauptung im Hinblick auf eine noch danach erfolgte Auszahlung als nicht schlüssig gewertet (Seite 6). Diesen (beweiswürdigenden) Ausführungen der belangten Behörde tritt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht entgegen. Sie beschränkt sich vielmehr auf eine Wiederholung ihrer Behauptung, womit sie freilich einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermag.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und dem auch nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK entgegensteht. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt und unbestritten geblieben ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung vollständig beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, 2001/10/0178).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002080081.X00

Im RIS seit

10.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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