RS OGH 2000/8/1 11Os57/00 (11Os58/00), 12Os99/07m

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 01.08.2000
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Norm

StGB §6 C
StGB §80 C
StGB §88 Abs1 Fall1 A
StGB §88 Abs4 Fall1 A

Rechtssatz

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist das Grunderfordernis der Verwirklichung einer fahrlässigen Körperverletzung des § 88 StGB - vorliegend nach dessen Abs 1 und Abs 4 erster Fall - ein im Sinne dieses Deliktstypus objektiv sorgfaltswidriges Verhalten. Darunter ist ganz allgemein ein Verhalten zu verstehen, welches bereits im Zeitpunkt seiner Vornahme die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung eines anderen objektiv befürchten lässt und dabei den Bereich des vom Recht tolerierten Risikos überschreitet (deliktstypisch sozial inadäquat gefährliches Verhalten). Demnach schließt ein Verhalten, welches sich im Rahmen des erlaubten Risikos bewegt, schon die Zurechnung zum objektiven Tatbestand aus. Ein PKW-Lenker, der im Ortsgebiet mit einer Geschwindigkeit von 48 km/h an einem im Haltestellenbereich stehenden, nicht zum Transport von Kindern (Schulkindern) gekennzeichneten Omnibus unter Einhaltung eines Seitenabstandes von 1,5 m links vorbeifährt und mit einem vor dem Omnisbus hervorkommenden, die Fahrbahn zügig querenden zwölfjährigen Kind kollidiert und es dadurch schwer verletzt, handelt, sofern die sonstigen Umstände (Fahrbahnverhältnisse und Sichtverhältnisse, Eigenschaften von Fahrzeug und Lenker, Verkehrstafeln und Hinweistafeln etc) nicht die Wahl einer (geringeren) solchen Geschwindigkeit erfordern, welche einen Anhalteweg ermöglicht, der aus 48 km/h unter optimalen Voraussetzungen erzielbar ist, im Rahmen des erlaubten Risikos und damit objektiv nicht sorgfaltswidrig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Vertrauensgrundsatz nach § 3 StVO auch auf nicht wahrnehmbare Personen erstreckt und ein im Haltestellenbereich stehender Bus für sich allein keine unklare Verkehrssituation darstellt.

Entscheidungstexte

  • 11 Os 57/00
    Entscheidungstext OGH 01.08.2000 11 Os 57/00
  • 12 Os 99/07m
    Entscheidungstext OGH 27.09.2007 12 Os 99/07m
    Beisatz: Das Befahren eines Fahrstreifens entgegen dem auf diesem angebrachten Richtungspfeil (§9 Abs6 StVO, §18 BodenmarkierungsV) allein ist kein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten. Eine derartige Bodenmarkierung regelt nämlich nur das Einordnen für die Weiterfahrt. Ein Verbot, den damit versehenen Fahrstreifen entgegen der Pfeilrichtung zu befahren, lässt sich weder aus der Straßenverkehrsordnung noch aus der Bodenmarkierungsverordnung ableiten (2Ob235/04d). (T1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:RS0114575

Dokumentnummer

JJR_20000801_OGH0002_0110OS00057_0000000_002
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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