TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/9 2003/01/0240

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Veröffentlicht am 09.11.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/01/0241 2003/01/0242 2003/01/0243 2003/01/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, in den Beschwerdesachen 1. des C A, geboren 1960, 2. der Ce A, geboren 1964, 3. der mj. L A, geboren 1995, 4. des mj. F A, geboren 1996, und 5. der mj. Fi A, geboren 1991, alle vertreten durch Dr. Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in 3950 Gmünd, Stadtplatz 43, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates 1.) vom 20. Jänner 2003, Zl. 233.733/0-XIV/16/02, und 2.) bis 5.) jeweils vom 21. Jänner 2003, Zlen. (zu 2.) 233. 732/0-XIV/16/02, (zu 3.) 233. 730/0-XIV/16/02, (zu 4.) 233. 731/0-XIV/16/02 und (zu 5.) 233. 729/0-XIV/16/02, betreffend (zu 1.) §§ 7 und 8 AsylG und (zu 2. bis 5.) §§ 10 und 11 AsylG (jeweils weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 991,20 (insgesamt daher EUR 4.956,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer ist Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus Oraovica, Presevo in Südserbien, gehört der albanischen Volksgruppe an und ist Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin und Vater der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer. Er reiste (gemeinsam mit den Zweit- bis Fünftbeschwerdeführern) am 24. Oktober 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Die Zweitbis Fünftbeschwerdeführer, Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, stellten am selben Tag Erstreckungsanträge gemäß §§ 10 und 11 AsylG.

Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 25. Oktober 2002 begründete der Erstbeschwerdeführer seinen Asylantrag wie folgt:

"Antwort: Der Grund ist: Ich war einmal einen Tag im Wald, Holz zu schlägern. Es kam die Gendarmerie. Ich wurde kontrolliert. Man fragte, ob ich bei den Wahlen in Serbien teilgenommen hätte. Als ich bemerkte, dass man überall befragt wird und fast keine eigene Meinung mehr kundtun kann, beschloss ich tatsächlich, mein Heimatland zu verlassen.

Das Leben ist derzeit in Südserbien so, dass man immer und überall befragt wird. Man kann nicht sagen, dass man verfolgt wäre, aber man wird eben befragt, provoziert. Verfolgungen gab es früher. Bis vor drei oder vier Monaten waren die Befragungen noch ärger. Man wurde (e)ben gefragt: ‚Wo gehst du hin? Woher kommst du?' Dies ist aber nicht der Schwerpunkt meines Kommens gewesen.

Diese Situation hat sich nunmehr beruhigt und ist besser geworden.

     Mein hauptgrund ist, dass ich nicht normal leben kann. ....

(Sodann werden wirtschaftliche Gründe vorgebracht)".

     Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des

Erstbeschwerdeführers mit Bescheid vom 11. November 2002 gemäß

§ 7 AsylG ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung,

Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien

- Provinz Kosovo - gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Begründend führte

das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass die vom

Erstbeschwerdeführer angeführte schlechte wirtschaftliche Lage

sowie die Nachteile, die auf die allgemeinen politischen,

wirtschaftlichen oder sozialen Bedingungen im Herkunftsstaat

zurückzuführen seien, nicht zu einer Asylgewährung führen könnten.

Vielmehr bestehe für den Erstbeschwerdeführer "in der Bundesrepublik Jugoslawien, nämlich in der Provinz Kosovo, eine innerstaatliche Fluchtalternative". Im Hinblick auf § 8 AsylG sei es albanisch-stämmigen Flüchtlingen aus Südserbien grundsätzlich zuzumuten, sich in den für sie sicheren Kosovo zu begeben, sodass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Provinz Kosovo zulässig sei.

Die Asylerstreckungsanträge der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom selben Tag gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

In der gegen den erstgenannten Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung führte der Erstbeschwerdeführer unter anderem Folgendes aus:

"Der Grund, warum ich mich entschlossen habe, in Ihrem Staat um politisches Asyl anzusuchen, ist meine Verfolgung von der damaligen und heutigen Staatsmacht Jugoslawiens. Schon in den frühen Jahren habe ich mit einer Gruppe von Freunden an politischen Aktivitäten teilgenommen. Meine Verfolgung hat schon damals begonnen und dauerte bis vor meiner Ankunft in Österreich.

...

Nach einiger Zeit begann der Krieg in Presheve. Ich persönlich war froh darüber, denn dadurch hoffte ich Verbesserungen für den Status der im Preshevo-Tal lebenden Albaner. Ich wurde sofort Mitglied der UCPMB. Mir wurde jedoch nicht erlaubt, mit der Waffe zu kämpfen. Sie boten mir an, in der Logistik der UCPMB zu arbeiten, wo ich das gesamte in Presheve lebende albanische Volk unterstützte. Der Krieg endete in den Augen der Welt mit einem positiven Ergebnis, aber für das albanische Volk von Presheve, Bujanovc und Medvegje war das Ergebnis eher negativ. ...

Danach begannen die Vorbereitungen für den Winter und wir beschlossen, auf den Berg zu steigen, um uns auf den Winter vorzubereiten. Dort näherten uns ca. 5 bewaffnete Polizisten der jugoslawischen Gendarmerie, welche jetzt dort in der Sicherheitszone patruilliert. Sie fragten uns, warum wir Serbien nicht mögen und sagten uns, dass dieser der Berg Serbiens wäre. Einer von denen lehnte mich an einen Baum und beschimpfte mich. Manchmal schlug er mich. Nach ungefähr 2-3 Stunden haben sie uns frei gelassen und seit diesem Moment habe ich mich erkundigt, in die westlichen Länder zu fliehen, um mich und meine Familie in Sicherheit zu bringen."

Mit dem unter 1. genannten angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Erstbeschwerdeführers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Erstbeschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kososvo, zulässig sei. Hiezu führte sie begründend im Wesentlichen aus, dass sie sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im Hinblick auf § 7 AsylG vollinhaltlich anschließe und auch der Berufung keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen seien, welche geeignet wären, die von der Erstbehörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen, weshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde unterbleiben habe können. Der Erstbeschwerdeführer habe in der Berufung "seine bereits getätigten Angaben wiederholt". Im Hinblick auf § 8 AsylG schließe sich die belangte Behörde den Ausführungen der Erstbehörde ebenfalls vollinhaltlich an.

Mit den unter 2. bis 5. genannten angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer unter Hinweis auf den unter 1. genannten angefochtenen Bescheid gemäß §§ 10, 11 AsylG abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden der Erst- bis Fünftbeschwerdeführer, deren Behandlung der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbunden und worüber er erwogen hat:

Die belangte Behörde hat zunächst die Rechtslage insofern verkannt, als sie den nicht aus dem Kosovo stammenden Erstbeschwerdeführer entgegen dem hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2002, Zl. 2001/01/0550, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, auf den Kosovo als interne Fluchtalternative verwiesen hat.

Darüber hinaus verweist der Erstbeschwerdeführer - soweit er auf die Ausführungen der belangten Behörde bezüglich Südserbien hinweist - in seiner Beschwerde zu Recht darauf, dass er erstmals in seiner Berufung vorgebracht habe, ihm sei politische Betätigung vorgeworfen worden und er sei von "Organen der jugoslawischen Staatsmacht" geschlagen, misshandelt und seiner Freiheit beraubt worden, weshalb die belangte Behörde zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtet gewesen wäre.

Daher war der unter 1. genannte angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Mit der Aufhebung des den Erstbeschwerdeführer betreffenden Bescheides ist das Verwaltungsverfahren über dessen Asylantrag mit Wirkung ex tunc wieder offen. Die Bescheide, mit denen die Asylerstreckungsanträge der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer abgewiesen wurden, sind insoferne vor rechtskräftiger Entscheidung über den Hauptantrag ergangen und aus diesem Grund inhaltlich rechtswidrig (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/01/0186, mwN). Die eingangs unter 2. bis 5. zitierten Bescheide vom 21. Jänner 2003 waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 9. November 2004

Schlagworte

Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003010240.X00

Im RIS seit

22.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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