RS OGH 2001/11/27 14Os109/01, Bsw18731/91, Bsw13201/05

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 27.11.2001
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Norm

MRK Art6 Abs1 II5c
MRK Art6 Abs2 III
StPO §245

Rechtssatz

Art 6 Abs 2 MRK wurde verletzt, weil die Gerichte, ohne dass ein Anscheinsbeweis für die Schuld vorgelegen ist, den Beschwerdeführer zu einer Aussage verhalten und damit die Beweislast von der Anklage auf die Verteidigung verlagert haben. Zwar ist es in vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung beherrschten Systemen, wie dem österreichischem Strafprozess, zulässig, Schlussfolgerungen auch aus dem Schweigen des Beschuldigten zu ziehen, doch setzt dies voraus, dass der in der Verhandlung beigebrachte Beweis einen derart schweren Verdacht begründet, dass aus diesem Schweigen nach dem gesunden Menschenverstand die einzige Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass der Beschuldigte keine Antwort auf den gegen ihn erbrachten Beweis hat (Urteil d EGMR vom März 2001).

Entscheidungstexte

  • 14 Os 109/01
    Entscheidungstext OGH 27.11.2001 14 Os 109/01
  • Bsw 18731/91
    Entscheidungstext AUSL EGMR 08.02.1996 Bsw 18731/91
    Vgl; Beisatz: Die Frage, ob eine nachteilige Bewertung der Aussageverweigerung eines Angeklagten gegen Art 6 MRK verstößt, hängt insbesondere davon ab, a) aus welchen Umständen Schlussfolgerungen für die Beweiswürdigung gezogen wurden, b) wie diese Umstände von den innerstaatlichen Gerichten bei der Beweiswürdigung bewertet wurden und c) inwieweit der Angeklagte zur Aussage gezwungen werden konnte. Sind die vorgebrachten Beweise derart belastend, dass ein Schweigen des Angeklagten auf seine Schuld schließen lässt, und findet somit keine Beweislastumkehr auf den Angeklagten statt, so werden die Grundsätze des fair trial und der Unschuldsvermutung nicht verletzt. Murray gegen das Vereinigte Königreich. (T1)
    Veröff: NL 1996,40
  • Bsw 13201/05
    Entscheidungstext AUSL EGMR 18.03.2010 Bsw 13201/05
    nur: Zwar ist es in vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung beherrschten Systemen, wie dem österreichischem Strafprozess, zulässig, Schlussfolgerungen auch aus dem Schweigen des Beschuldigten zu ziehen, doch setzt dies voraus, dass der in der Verhandlung beigebrachte Beweis einen derart schweren Verdacht begründet, dass aus diesem Schweigen nach dem gesunden Menschenverstand die einzige Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass der Beschuldigte keine Antwort auf den gegen ihn erbrachten Beweis hat. (T2)
    Veröff: NL 2010,99

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:RS0115916

Im RIS seit

27.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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