TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/17 2004/12/0085

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Veröffentlicht am 17.11.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §1;
GehG 1956 §12 Abs3 idF 1993/256;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des Dr. P in S, vertreten durch Dr. Josef Lechner, Dr. Ewald Wirleitner und Mag. C. Oberlindober, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 5. April 2004, Zl. 29521/1-III 4/2004, betreffend Feststellung des Vorrückungsstichtages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer absolvierte in der Zeit vom 1. Juni 1994 bis 31. Jänner 1996 seine Gerichtspraxis und stand anschließend bis 30. April 2001 als Rechtsanwaltsanwärter in einem Anstellungsverhältnis. Mit Wirksamkeit vom 1. Mai 2001 wurde er unter Erteilung der Nachsicht vom Erfordernis der einjährigen Rechtspraxis im richterlichen Vorbereitungsdienst nach § 26 Abs. 3 RDG auf die Planstelle eines Richters des Landesgerichtes Salzburg in der Gehaltsgruppe R 1b und in weiterer Folge mit Wirksamkeit vom 1. September 2002 auf die Planstelle eines Richters des Landesgerichtes Linz und schließlich mit Wirksamkeit vom 1. April 2003 auf die Planstelle eines Richters des Landesgerichtes Steyr (jeweils in der Gehaltsgruppe R 1b) ernannt.

Im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung des Vorrückungsstichtages holte der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz als (damals) nachgeordnete Dienstbehörde (nunmehr Dienstbehörde erster Instanz) zur näheren Beurteilung der Frage der besonderen Bedeutung der Vordienstzeit im Sinn des § 12 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG) Berichte des Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg sowie des Vorstehers des Bezirksgerichtes Mittersill, wo der Beschwerdeführer jeweils zur Hälfte verwendet wurde, ein. Weiters forderte er vom Beschwerdeführer ein Dienstzeugnis der Rechtsanwaltskanzlei, in der dieser bis 30. April 2001 tätig gewesen war, ab.

Hierauf ersuchte im Herbst 2001 die belangte Behörde das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport um Zustimmung, dass die vom Beschwerdeführer als Rechtsanwaltswärter zurückgelegte Dienstzeit nach § 12 Abs. 3 GehG bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages im Ausmaß von zwei Jahren und vier Monaten berücksichtigt werde. Mit Erledigung vom 24. Oktober 2002 teilte die belangte Behörde mit, das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport habe am 4. Oktober d.J. einer Berücksichtigung der Zeit als Rechtsanwaltsanwärter gemäß § 12 Abs. 3 GehG zur Gänze im Ausmaß von zwei Jahren und vier Monaten zugestimmt. Das Ausmaß des Zeitraumes ergäbe sich aus der sinngemäßen Anwendung der für Richteramtsanwärter geltenden "zu BMF-GZ 923.233/2-VII/2c/99 erteilten Richtlinien", wobei jedoch hier der Abzug der einjährig verbindlichen Ausbildungszeit als Richteramtsanwärter entfallen sei, weil der Beschwerdeführer unmittelbar auf die Planstelle eines Richters des Landesgerichtes Salzburg ernannt worden sei.

Mit Bescheid vom 12. November 2002 setzte die Dienstbehörde erster Instanz den Vorrückungsstichtag des Beschwerdeführers mit 21. Juli 1994 fest. Wie sich der in der Begründung dieses Bescheides enthaltenen tabellarischen Berechnung des Vorrückungsstichtages entnehmen lässt, legte die belangte Behörde u. a. "Zeiten gemäß § 12 Abs. 3 vom 1.1.1999 bis 30.4.2001 (Zustimmung des BMöLS vom 4.10.2002, GZ ...)" im Ausmaß von zwei Jahren und vier Monaten zu Grunde. Die Begründung des Erstbescheides hiefür entspricht jener der Erledigung vom 24. Oktober 2002.

In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit folgenden Argumenten dagegen, dass seine Zeit als Rechtsanwaltsanwärter nicht in vollem Ausmaß angerechnet wurde: Voraussetzung für die Ernennung zum Richter sei eine (mindestens) vier Jahre lange Rechtspraxis. Der (zur Gänze) lediglich in einem Ausmaß von zwei Jahren und vier Monaten angerechnete Zeitraum stelle in Verbindung mit seiner Rechtspraktikantenzeit im Ausmaß von 20 Monaten die nach § 26 Abs. 1 Z. 3 RDG unabdingbare zeitliche Voraussetzung für die Ernennung dar, entspreche aber nicht der durch die gesamte rechtsanwaltliche Ausbildungszeit gewonnenen und für die richterliche Tätigkeit bedeutenden Berufserfahrung. Dabei sei zu bedenken, dass es auch bei Richteramtsanwärtern Ausnahme sei, dass diese gleich zu Beginn ihrer Ernennungsfähigkeit zum Richter ernannt würden. Die Realität zeige, dass ein ernennungsfähiger Richteramtsanwärter sogar Jahre auf seine Ernennung warten müsse. Diese Zeit der weiteren Berufserfahrung als Richteramtsanwärter komme ihm dann bei seiner Tätigkeit als Richter ebenso zu Gute wie dem Beschwerdeführer die über zwei Jahre und vier Monate hinausgehende Zeit als Rechtsanwaltswärter. Eine Anrechnung der gesamten Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter zur Gänze sei auch aus dem Prinzip der "Laufbahnentlohnung" gerechtfertigt. Die "sinngemäße Anwendung einer nur für Richteramtsanwärter geltenden Richtlinie" sei im gegenständlichen Fall zu Unrecht erfolgt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge und bestätigte den Erstbescheid. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges aus, die Heranziehung des § 12 Abs. 3 GehG sei in das freie Ermessen der Dienstbehörde gestellt. Nach der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne die Frage der besonderen Bedeutung nur gelöst werden, wenn alle für ihre Beurteilung nach § 12 Abs. 3 GehG maßgebenden Kriterien festgestellt worden seien. Die Bestimmung beinhalte zwei kumulative Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Tätigkeiten oder eines Studiums zur Gänze: öffentliches Interesse und besondere Bedeutung für eine erfolgreiche Verwendung des Beamten (am Beginn des Dienstverhältnisses). Unter Berücksichtigung des angerechneten Zeitraumes von zwei Jahren und vier Monaten seien aus dem Sachverhalt und den Berufungsausführungen keine Voraussetzungen zu erkennen, die im Hinblick auf die kumulativen Bedingungen des § 12 Abs. 3 GehG eine über den genannten Zeitraum hinausgehende Anrechnung rechtfertigen würden. Ein ersternannter Richter mit einer einschlägigen Berufsausbildung als Richteramtsanwärter kenne den Gerichtsbetrieb bestens und verfüge daher - gegenüber einem "Quereinsteiger" - auch über einen gewissen Startvorteil. Daraus resultiere, dass der über den bereits angerechneten Zeitraum von zwei Jahren und vier Monaten hinausgehende Zeitraum bestens geeignet sein möge, eine der Ursachen darzustellen, diesen Startvorteil zu egalisieren, weshalb somit eine Bedeutung für eine erfolgreiche Verwendung des Beamten beizumessen sei. Eine besondere Bedeutung sei ihm jedoch nicht beizumessen, weil aus dieser Darstellung zweifelsfrei hervorgehe, dass der durch die über das Ausmaß von zwei Jahren und vier Monaten hinausgehende Vortätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter verursachte Erfolg der Verwendung ohne sie nicht in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben gewesen wäre.

Gemäß § 9 Abs. 1 RDG betrage die Ausbildungszeit eines Richteramtsanwärters grundsätzlich vier Jahre. Diese werde um die Dauer der Gerichtspraxis als Ernennungserfordernis verkürzt. Der Beschwerdeführer habe in der Zeit vom 1. Juni 1994 bis 31. Jänner 1996 (ein Jahr und acht Monate) die Gerichtspraxis absolviert. Mit Wirksamkeit vom 1. Mai 2001 sei er auf eine Planstelle eines Richters des Landesgerichtes Salzburg ernannt worden. Ziehe man von der vierjährigen Ausbildungszeit die Zeiten der Gerichtspraxis ab, so verbleibe ein Zeitraum von zwei Jahren und vier Monaten; für diesen Zeitraum sei auch die Zustimmung seitens des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport bzw. des Bundeskanzleramtes erteilt worden. Nach den vom Bundesministerium für Finanzen am 10. August 1999 erlassenen Richtlinien für die Berücksichtigung von Zeiten zur Gänze für die Feststellung des Vorrückungsstichtages könnten bei Richteramtsanwärtern Praxiszeiten mit einem Beschäftigungsausmaß von 100 % der Vollbeschäftigung, welche gemäß § 15 RDG eingerechnet werden könnten, und sonstige Praxiszeiten mit einem Beschäftigungsausmaß von 100 % der Vollbeschäftigung bis zum Höchstausmaß von insgesamt zwei Jahren und drei Monaten angerechnet werden, wobei sich dieser Gesamtanrechnungszeitraum um eine über die Dauer von neun Monaten hinausgehende Rechtspraxiszeit entsprechend verkürze und darin inkludierte sonstige Praxiszeiten die Dauer von insgesamt einem Jahr nicht überschreiten dürften. Das Ausmaß des Berücksichtigungszeitraumes ergebe sich somit aus der sinngemäßen Anwendung der für Richteramtsanwärter geltenden Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen, wobei jedoch hier der Abzug der einjährig verbindlichen Ausbildungszeit als Richteramtsanwärter entfallen sei, weil der Beschwerdeführer unmittelbar im Anschluss an die Zeit als Rechtsanwaltswärter auf die Planstelle eines Richters des Landesgerichtes Salzburg ernannt worden sei. Zum Berufungsvorbringen, eine Anrechnung der gesamten Praxiszeit als Rechtsanwaltsanwärter in vollem Ausmaß sei auch aus dem Prinzip der Laufbahnentlohnung gerechtfertigt, sei anzumerken, dass die Vollanrechnung von Zeiten nicht dazu diene, die Gleichstellung mit Personen zu erreichen, die gleich nach Beendigung ihrer Ausbildung in den Bundesdienst eingetreten seien. Für die Berücksichtigung der einzelnen Zeiten seien die jeweils angeführten gesetzlichen Bestimmungen in der zum Zeitpunkt des Dienstantrittes geltenden Fassung maßgebend gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Anrechnung der Zeit als Rechtsanwaltsanwärter im Ausmaß von fünf Jahren und drei Monaten zur Gänze gemäß § 12 Abs. 3 GehG verletzt. Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht der Beschwerdeführer darin, dass die belangte Behörde den zur Beurteilung der Frage der Anrechnung der Vortätigkeit zur Gänze erforderlichen Sachverhalt, nämlich der Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers am Landesgericht Salzburg und am Bezirksgericht Mittersill und sein Verwendungserfolg, der ohne seine Tätigkeit und Erfahrung als Rechtsanwaltsanwärter nur in beträchtlich geringerem Ausmaß gegeben gewesen wäre, nicht ausreichend festgestellt habe. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet sich der Beschwerdeführer gegen die zu Grunde gelegte Richtlinie des Bundesministeriums für Finanzen und gegen die Anrechnung seiner Vortätigkeit in begrenztem Unfang mit Blick auf Tätigkeiten eines Richteramtsanwärters.

Nach § 26 Abs. 1 des Richterdienstgesetzes, BGBl. Nr. 305/1961 - RDG, in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 362/1991 und BGBl. Nr. 507/1994 kann zum Richter nur ernannt werden, wer

1. die für den richterlichen Vorbereitungsdienst vorgesehenen Aufnahmeerfordernisse erfüllt,

2.

die Richteramtsprüfung bestanden hat und

3.

eine insgesamt vierjährige Rechtspraxis, davon zumindest ein Jahr im richterlichen Vorbereitungsdienst, zurückgelegt hat.

Die restliche Zeit der Rechtspraxis kann in jeder der in § 15 genannten Verwendungen zurückgelegt werden. Bei der Berechnung der Dauer der außerhalb des Ausbildungsdienstes zurückgelegten Rechtspraxis ist § 13 anzuwenden.

Gemäß § 26 Abs. 3 RDG - eingefügt durch die Novelle BGBl. Nr. 362/1991 - kann der Bundesminister für Justiz vom Erfordernis der einjährigen Rechtspraxis im richterlichen Vorbereitungsdienst nach Abs. 1 Z. 3 Nachsicht erteilen, wenn kein gleichwertiger Mitbewerber aufgetreten ist, der die Ernennungserfordernisse erfüllt.

Gemäß § 15 RDG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 230/1988 ist vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes die vor der Ernennung zum Richteramtsanwärter zurückgelegte Praxis als Rechtspraktikant, bei der Finanzprokuratur oder bei einer anderen Dienststelle der Verwaltung, als Rechtsanwaltsanwärter oder Notariatskandidat ganz oder teilweise in den Ausbildungsdienst einzurechnen, soweit durch diese Praxis eine den Zwecken des Ausbildungsdienstes entsprechende Verwendung und Ausbildung des Richteramtsanwärters gewährleistet ist. Im Einrechnungsbescheid ist festzustellen, ob, welche und in welchem Umfang in § 9 Abs. 2 aufgezählte Ausbildungsstationen ersetzt werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 RDG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 230/1988 dauert der Ausbildungsdienst vier Jahre; wird die Richteramtsprüfung nicht innerhalb dieses Zeitraumes erfolgreich abgelegt, verlängert sich der Ausbildungsdienst bis zur erfolgreichen Ablegung der Richteramtsprüfung. Nach Abs. 2 leg. cit. ist der Ausbildungsdienst beim Bezirksgericht, beim Gerichtshof erster Instanz, bei einer Staatsanwaltschaft, bei einer Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen oder vorbeugenden Maßnahmen sowie bei einem Rechtsanwalt oder bei einem Notar oder bei der Finanzprokuratur zu leisten.

Nach § 113 Abs. 16 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 - GehG, in der Fassung des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119, ist auf Aufnahmen in das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis, die vor dem 1. September 2002 erfolgen, anstelle des § 12 Abs. 3 und 3a in der Fassung dieser Novelle § 12 Abs. 3 in der bis zum 31. August 2002 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall erfüllt.

§ 12 GehG lautet in der Fassung seines Abs. 1 durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, und seines Abs. 3 in der Fassung durch das Kompetenzbereinigungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 256/1993, und durch das Bundesministeriengesetz in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 17/2003, auszugsweise:

"Vorrückungsstichtag

§ 12. (1) Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass - unter Ausschluss der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 - dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

1.

die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze,

2.

sonstige Zeiten,

a)

die die Erfordernisse des Abs. 3 erfüllen, zur Gänze,

b)

die die Erfordernisse des Abs. 3 nicht erfüllen, soweit sie insgesamt drei Jahre nicht übersteigen, zur Hälfte.

...

(3) Zeiten gemäß Abs. 1 Z 2, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, können mit Zustimmung des Bundeskanzlers im öffentlichen Interesse insoweit zur Gänze berücksichtigt werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist. Solche Zeiten sind jedoch ohne Zustimmung des Bundesministers für öffentliche Leistung und Sport zur Gänze zu berücksichtigen,

1. soweit sie bereits im unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis nach dem ersten Satz, nach § 26 Abs. 3 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 oder nach einer gleichartigen Bestimmung einer anderen Rechtsvorschrift zur Gänze berücksichtigt worden sind und

2. der Beamte bei Beginn des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nach wie vor die hiefür maßgebende Verwendung ausübt.

..."

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der gesamten Zeit, in der der Beschwerdeführer als Rechtsanwaltsanwärter tätig war, eine besondere Bedeutung im Sinn des § 12 Abs. 3 erster Satz GehG zukommt, sodass diese Zeit in ihrem vollen Ausmaß von fünf Jahren und drei Monaten nach § 12 Abs. 1 Z. 2 lit. a GehG zur Gänze dem Tag der Anstellung voranzusetzen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Vortätigkeit für die erfolgreiche Verwendung eines Beamten von Bedeutung, wenn sie sich als eine ihrer Ursachen darstellt. Von besonderer Bedeutung ist sie dann, wenn der durch sie verursachte Erfolg der Verwendung ohne sie nur in einem beträchtlich geringeren Maße gegeben wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1995, Zl. 94/12/0065, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in diesem Zusammenhang die Rechtsauffassung, dass bei zeitlich lang andauernden Vortätigkeiten, die für die erfolgreiche Verwendung des öffentlichrechtlich Bediensteten von Bedeutung sind, eine besondere Bedeutung im Sinn des § 12 Abs. 3 GehG nur für einen Teil dieser Zeit, der in der Regel erforderlich ist, um die notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen für die erfolgreiche Ausübung der Vortätigkeit zu erwerben, gegeben sein kann. Die wesentliche Auswirkung der Vortätigkeit auf die erfolgreiche Verwendung des öffentlich-rechtlich Bediensteten kann daher zeitlich begrenzt sein und eine darüber hinausgehende Vollanrechnung auch nicht im öffentlichen Interesse liegen (vgl. etwa das zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1995, mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Prüfung der Anrechenbarkeit von Zeiten nach § 12 Abs. 3 GehG auf den Zeitpunkt der Anstellung des Beamten und auf die Tätigkeit abzustellen, die der Beamte bei Antritt des Dienstes auszuüben hatte. Der Beurteilung der Frage der besonderen Bedeutung der Vortätigkeit ist für die erfolgreiche Verwendung grundsätzlich nicht mehr als der Zeitraum eines halben Jahres nach Beginn des Dienstverhältnisses zu Grunde zu legen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 99/12/0097, mwN). Zur Beantwortung der Frage der besonderen Bedeutung einer Vortätigkeit des Beamten ist festzustellen, welche tatsächlichen Verrichtungen während der Vordienstzeit besorgt wurden, in welchem Ausmaß dies geschehen ist und welche Kenntnisse und Fähigkeiten hiebei erworben wurden. Andererseits ist festzustellen, welche tatsächlichen Tätigkeiten der Anrechnungswerber auf dem Dienstposten, auf den er ernannt wurde, und zwar im ersten Halbjahr des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, zu verrichten hatte, inwieweit sein Verwendungserfolg in diesem Rahmen über dem von Beamten ohne ähnliche Vortätigkeit lag und ob die Vortätigkeit für diesen Verwendungserfolg als Beamter ursächlich war. Trifft all dies zu und wäre der durch die Vortätigkeit verursachte Verwendungserfolg ohne diese nur in einem beträchtlich geringeren Maß gegeben gewesen, dann ist die Vortätigkeit für die erfolgreiche Verwendung als Beamter von besonderer Bedeutung im Sinn des § 12 Abs. 3 GehG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 2000, Zl. 98/12/0054).

Misst man den angefochtenen Bescheid an den nach der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebotenen Kriterien, ist zunächst zu bemängeln, dass der Bescheid jeglicher nachvollziehbar begründeter Feststellungen über die Tätigkeit des Beschwerdeführers während der (gesamten) Vordienstzeit als Rechtsanwaltsanwärter einerseits und während des ersten halben Jahres als Richter und weiter darüber, ob und inwieweit sein Verwendungserfolg in diesem Rahmen über dem von Richtern ohne eine Vortätigkeit wie jene des Beschwerdeführers lag und ob die Vortätigkeit für einen allfälligen Verwendungserfolg ursächlich war, entbehrt.

Soweit die belangte Behörde im Weiteren auf die nur in eingeschränktem Maß erteilte Zustimmung des Bundeskanzlers Bezug nimmt, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die erforderliche Zustimmung zur Vordienstzeitenanrechnung lediglich ein Tatbestandserfordernis für die Entscheidung der Dienstbehörde darstellt, die ihrerseits der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt. Im Fall der Vordienstzeitenanrechnung obliegt ausschließlich der Dienstbehörde und nicht jener Behörde, mit der das Einvernehmen herzustellen war, die bescheidmäßige Entscheidung über die Vordienstzeitenanrechnung. Die Zustimmung oder die Versagung einer Zustimmung befreit die Dienstbehörde nicht von der Verpflichtung einer entsprechend begründeten bescheidmäßigen Entscheidung. Da die erforderliche Zustimmung lediglich ein Tatbestandserfordernis für die Entscheidung der Dienstbehörde darstellt, ist es ungeachtet dessen Aufgabe der Dienstbehörde, auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter Einbindung des Beschwerdeführers die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen und daran die rechtliche Wertung zu knüpfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 96/12/0001, mwN).

Gleichermaßen vermag eine Bezugnahme auf eine vom Bundesministerium für Finanzen hinausgegebene Richtlinie für die Berücksichtigung von Zeiten für die Feststellung des Vorrückungsstichtages die nach dem Gesagten gebotene nachvollziehbare Begründung nicht zu ersetzen, zumal - wie der Beschwerdeführer zutreffend rügt - die besondere Bedeutung seiner Vordienstzeit konkret im Hinblick auf seine Tätigkeit als Richter und nicht im Hinblick auf ein abstraktes Tätigkeitsbild eines Richteramtsanwärters zu beurteilen ist.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. November 2004

Schlagworte

Zustimmungserfordernis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004120085.X00

Im RIS seit

10.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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