TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/17 2002/08/0228

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Veröffentlicht am 17.11.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39a;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des I in L, vertreten durch Dr. Martin Steininger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Starhembergstraße 58, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 27. Mai 2002, Zl. LGSOÖ/Abt. 4/1282/0266/2002- 1, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 13. Februar 2002 wurde dem im Bezug von Arbeitslosengeld stehenden Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Beschäftigung als Bauhelfer zugewiesen.

In der vom Arbeitsmarktservice erbetenen Rückmeldung des präsumtiven Dienstgebers wurde vermerkt, der Beschwerdeführer habe bei seiner Vorsprache erklärt, nicht am Bau arbeiten zu wollen, weil dies zu schwer sei. Da der Beschwerdeführer das Stellenangebot abgelehnt habe, sei keine Einstellung erfolgt.

Über das Nichtzustandekommen dieses Beschäftigungsverhältnisses wurde am 27. Februar 2002 eine Niederschrift mit dem Beschwerdeführer bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice aufgenommen. In dieser vom Beschwerdeführer unterzeichneten Niederschrift findet sich folgende Aussage: "Ich möchte nicht mehr am Bau arbeiten. Sonst habe ich keine Gründe."

Mit Bescheid vom 26. März 2002 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarkservice aus, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld im Zeitraum von 20. Februar 2002 bis 2. April 2002 verloren habe und eine Nachsicht nicht erteilt werde. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Beschwerdeführer habe den möglichen Arbeitsantritt am 20. Februar 2002 vereitelt, weil er angegeben habe, er wolle "nicht am Bau arbeiten".

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, sich unmittelbar nach Erhalt des Stellenangebotes vorgestellt zu haben. Dort habe er ein Personalblatt ausgefüllt und unterschrieben und in der Folge der Sekretärin vorgelegt. Auf die Frage der Sekretärin, ob er auf einer Baustelle arbeiten wolle oder nicht, habe er geantwortet:

"Ja, ich möchte schon, aber wenn möglich, durcharbeiten." Nachdem die Sekretärin gemeint habe, "Es gibt keine Garantie, passt schon", sei er wieder gegangen.

Nachdem er daraufhin eine Benachrichtigung von Seiten des Arbeitsmarktservice erhalten, diese jedoch nicht verstanden habe, sei er zur regionalen Geschäftsstelle gegangen. Auf die Frage seines dortigen Betreuers, weshalb er nicht auf einer Baustelle arbeiten wolle, habe er wiederum geantwortet, er wolle schon, "aber wenn möglich mit Durcharbeit". In dem Glauben, sein Betreuer habe dies wortwörtlich notiert, habe er seine Aussage unterschrieben. Während Leasingfirmen dafür bekannt seien, ihre Kunden oft nur für kurze Zeit zu vermitteln, strebe er eine längerfristige Beschäftigung an.

Dadurch, dass sich der Beschwerdeführer sofort nach Erhalt der Stellenausschreibung bei der Firma vorgestellt, umgehend ein Personalblatt ausgefüllt und unterschrieben habe und zudem den Wunsch geäußert habe, wenn möglich auf einer Baustelle durcharbeiten zu können, um keine vom Arbeitsmarktservice finanzierten Leerlaufzeiten aufkommen zu lassen, habe er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht. Der Beschwerdeführer führte weiters aus, es lägen berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht vom Verlust seines Anspruches auf Arbeitslosengeld vor, weil er erst seit kurzer Zeit arbeitslos sei. Seine Muttersprache sei türkisch, weshalb er nur sehr lückenhaft Deutsch spreche. Auf Grund dieser Situation sei es möglicherweise zu Missverständnissen gekommen.

In ihrem Aktenvermerk vom 7. Mai 2002 hielt die belangte Behörde ein Telefonat mit dem für den Beschwerdeführer ehemals zuständigen Betreuer der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice fest. Danach habe der Betreuer berichtet, dass der Beschwerdeführer "ganz gut" Deutsch spreche und er diesbezüglich kein Problem mit diesem gehabt habe. Im Zuge einer telefonischen Nachfrage bei der Firma sei mitgeteilt worden, der Beschwerdeführer hätte verkündet, nicht mehr am Bau arbeiten zu wollen. Auf Vorhalt dieser Information habe sich der Beschwerdeführer nicht näher geäußert und die aufgenommene Niederschrift unterschrieben. Der Beschwerdeführer habe auch in der Vergangenheit meist als Bauhelfer gearbeitet und habe bei der Erarbeitung des Betreuungsplanes angegeben, dies auch in Hinkunft tun zu wollen.

Mit Schreiben vom 7. Mai 2002 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer, zu diesem Aktenvermerk und der Rückmeldung des Dienstgebers Stellung zu nehmen.

In seinem - der belangten Behörde am 16. Mai 2002 persönlich vorgelegten - Antwortschreiben führt der Beschwerdeführer aus, bei den Angaben in seiner Berufung zu bleiben. Die Aussage seines Betreuers bei der regionalen Geschäftsstelle des AMS, er beherrsche die deutsche Sprache, stelle eine "reine Mutmaßung und eine relative Empfindungsweise" dafür dar, dass er die Niederschrift beim AMS vom 27. Mai 2002 verstanden habe. Über den Verlauf der Vorsprache des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde wurde ein Vermerk angefertigt; demnach habe der Beschwerdeführer das gegen ihn Vorgebrachte verstanden und entsprechende Antworten gegeben. In einem weiteren Vermerk vom 16. Mai 2002 hat die belangte Behörde festgehalten, dass der Beschwerdeführer das vom präsumtiven Dienstgeber in Deutsch aufgelegte Personalblatt ohne Übersetzungshilfe ausgefüllt habe.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

In der Begründung stellte die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen im Einzelnen dar und führte sodann aus, es sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer zumindest Deutsch lesen und schreiben könne. Es erscheine daher nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer die Niederschrift unterschrieben habe, ohne zu wissen, was er unterschreibe. Diese Auffassung werde auch dadurch gestützt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Vorsprache bei der belangten Behörde das gegen ihn Vorgebrachte verstanden und entsprechende Antworten gegeben habe. Die Angaben des präsumtiven Dienstgebers seien glaubhaft; dies unter anderem auch deswegen, weil der Dienstgeber am Ausgang des Verfahrens kein Interesse habe. Der Beschwerdeführer habe sohin eine Beschäftigung mit angemessener Entlohnung abgelehnt. Durch sein Verhalten beim Vorstellungsgespräch habe er das Zustandekommen der Beschäftigung vereitelt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer unter anderem bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 16. Juni 2004, Zl. 2000/08/0128) sind die genannten Bestimmungen Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.

Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde aus, dem Verfahren wäre ein Dolmetscher beizuziehen gewesen. Darin, dass die belangte Behörde dies unterlassen habe, liege ein wesentlicher Verfahrensmangel.

Ist eine Partei der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, ist erforderlichenfalls ein Dolmetscher beizuziehen (§ 39a AVG). Ein Verstoß gegen § 39a AVG bewirkt einen Verfahrensmangel, der nur dann zur Aufhebung des Bescheides führt, wenn er relevant im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 94/18/0012, m.w.N.).

Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer das gegen ihn Vorgebrachte verstanden und entsprechende Antworten gegeben hat. Auch die regionale Geschäftsstelle habe im Umgang mit dem Beschwerdeführer keine sprachlichen Probleme gehabt. Der Beschwerdeführer habe den in deutscher Sprache gehaltenen Personalbogen des präsumtiven Dienstgebers ohne Übersetzungshilfe ausgefüllt. Diese Feststellungen werden in der Beschwerde nicht bestritten. Ist aber der Beschwerdeführer in der Lage, sich in der deutschen Sprache ausreichend verständlich zu machen, dann ist die Voraussetzung zur Beiziehung eines Dolmetschers nicht gegeben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 2002, 98/08/0069). Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Auch dadurch, dass die belangte Behörde keine berücksichtigungswürdigen Nachsichtsgründe für gegeben erachtete, belastete sie den Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit. Berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter trifft, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April  2004, Zl. 2001/08/0142). Für solche Gründe ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 17. November 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002080228.X00

Im RIS seit

31.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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