RS OGH 2003/11/11 11Os101/03, 11Os44/05p, 15Os109/05a, 13Os51/06h

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 11.11.2003
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Norm

StGB §1
StGB §61
StGB §207b
StGB §209
StPO §363a

Rechtssatz

Mit dem am 14. August 2002 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/134, entfiel die Strafbestimmung des § 209 StGB. Der neu eingeführte § 207b StGB pönalisiert unter speziellen Voraussetzungen ua auch, jedoch ohne geschlechtsspezifische Differenzierung, homosexuelle Kontakte mit Jugendlichen und weist zudem deutlich reduzierte Strafdrohungen auf. Nach den Übergangsbestimmungen (Art X) sind die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil erster Instanz gefällt wurde. Nach Aufhebung eines solchen Urteils infolge Erneuerung des Strafverfahrens sind bei einem Vorgehen nach §§ 1, 61 StGB nur jene Strafbestimmungen zu beachten, die nicht im konkreten Anlassfall vom EGMR als konventionswidrig festgestellt wurden. In dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 9. Jänner 2003 (Lausch und Versat gegen Österreich, applications nos 39392/98 und 39829/98) wurde in der Verurteilung nach § 209 StGB eine Verletzung des Art 14 iVm Art 8 MRK festgestellt, weil die in der zitierten Strafbestimmung normierte Beschränkung der Strafbarkeit sexueller Kontakte auf nur (männliche) homosexuelle Partner sachlich nicht gerechtfertigt sei und außerdem das Recht auf Achtung des Privatlebens verletze. Daraus ergibt sich, dass § 209 StGB als Vergleichsnorm nicht berücksichtigt werden darf und demgemäß eine Verurteilung nach § 207b StGB infolge des Rückwirkungsverbotes des § 1 StGB nicht in Betracht kommt.

Entscheidungstexte

  • 11 Os 101/03
    Entscheidungstext OGH 11.11.2003 11 Os 101/03
  • 11 Os 44/05p
    Entscheidungstext OGH 26.07.2005 11 Os 44/05p
    nur: Mit dem am 14. August 2002 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/134, entfiel die Strafbestimmung des § 209 StGB. Der neu eingeführte § 207b StGB pönalisiert unter speziellen Voraussetzungen ua auch homosexuelle Kontakte mit Jugendlichen. Nach den Übergangsbestimmungen (Art X) sind die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil erster Instanz gefällt wurde. Nach Aufhebung eines solchen Urteils infolge Erneuerung des Strafverfahrens sind bei einem Vorgehen nach §§ 1, 61 StGB nur jene Strafbestimmungen zu beachten, die nicht im konkreten Anlassfall vom EGMR als konventionswidrig festgestellt wurden. In dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 9. Jänner 2003 (Lausch und Versat gegen Österreich, applications nos 39392/98 und 39829/98) wurde in der Verurteilung nach § 209 StGB eine Verletzung des Art 14 iVm Art 8 MRK festgestellt, weil die in der zitierten Strafbestimmung normierte Beschränkung der Strafbarkeit sexueller Kontakte auf nur (männliche) homosexuelle Partner sachlich nicht gerechtfertigt sei und außerdem das Recht auf Achtung des Privatlebens verletze. Daraus ergibt sich, dass § 209 StGB als Vergleichsnorm nicht berücksichtigt werden darf. (T1)
  • 15 Os 109/05a
    Entscheidungstext OGH 03.11.2005 15 Os 109/05a
    Auch; nur T1
  • 13 Os 51/06h
    Entscheidungstext OGH 13.09.2006 13 Os 51/06h
    Vgl auch; Beisatz: Klarzustellend bleibt festzuhalten, dass auf das dem nunmehr aufgehobenen Schuldspruch zu Grunde liegende Tatverhalten §209 StGB nicht (mehr) anwendbar ist. Da aber die konventionsverletzende Bestimmung des § 209 StGB auch als Vergleichsnorm nicht berücksichtigt werden darf, kommt eine nachfolgende Verurteilung nach §207b Abs3 StGB ebenso wenig in Betracht. (T2)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2003:RS0118442

Dokumentnummer

JJR_20031111_OGH0002_0110OS00101_0300000_001
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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