RS OGH 2004/10/11 16Ok11/04, 16Ok12/04, 16Ok20/04, 16Ok51/05, 4Ob23/08y, 16Ok6/08, 16Ok13/08, 4Ob231

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 11.10.2004
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Norm

KartG 1988 §35
KartG 2005 §1 Abs1
KartG 2005 §5

Rechtssatz

Missbräuchliches Verhalten eines Unternehmens auf einem anderen Markt als dem, den es beherrscht ("Marktdivergenz") verstößt dann gegen § 35 KartG, wenn beide Märkte so eng miteinander verbunden sind, dass Kunden des einen Markts zugleich als potentielle Kunden auf dem anderen Markt in Frage kommen. Das einen dieser Märkte beherrschende Unternehmen befindet sich dann in einer Situation, die einer beherrschenden Stellung auf der Gesamtheit der relevanten Märkte gleichkommt. Den Marktbeherrscher treffen dann die aus seiner beherrschenden Marktposition folgenden besonderen kartellrechtlichen Verhaltenspflichten auch auf dem verbundenen Markt.

Der Markt für Verbindungsleistungen in Fernsprech-Festnetzen im Selbstwählverkehr und der Markt für die Anschlussleistung sind als Komplementärmärkte in dem Sinn zu verstehen, dass die auf beiden Märkten gehandelten Dienstleistungen nur gemeinsam verwendet werden können. Die genannten Märkte sind dann aber jedenfalls so eng miteinander verbunden, dass Kunden, die Bedarfsträger des einen Markts sind, notwendig als potentielle Kunden auf dem anderen Markt in Frage kommen.

Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt dann vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die geeignet ist, negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse zu entfalten; die objektive Eignung des Verhaltens genügt. Der kartellgerichtliche Abstellungsauftrag hat sich gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Art und Umfang der Abstellungsverfügung bestimmen sich nach dem Marktverhalten, das als Missbrauch marktbeherrschender Stellung qualifiziert wurde. Da der Missbrauch marktbeherrschender Stellung auch in einem Unterlassen bestehen kann, kann durch den kartellgerichtlichen Abstellungsauftrag auch ein positives Tun angeordnet werden. Dies trifft etwa dann zu, wenn sich missbräuchliches Verhalten - zum Beispiel bei Liefersperren oder beim Preismissbrauch - sonst nicht zuverlässig abstellen lässt. Solche Eingriffe in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit sind auf das zur Erreichung des Normzwecks unbedingt notwendige Maß zu beschränken. In den meisten Fällen werden Unterlassungsgebote ausreichen. Im kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren ist eine enge, am konkreten missbräuchlichen Verhalten orientierte Fassung des Unterlassungsgebots angebracht. Dies ergibt sich daraus, dass kartellrechtliche Abstellungsaufträge empfindlich in die unternehmerische Handlungsfreiheit eingreifen und Verstöße gegen einen Abstellungsauftrag mit hohen Geldbußen geahndet werden können.

Entscheidungstexte

  • 16 Ok 11/04
    Entscheidungstext OGH 11.10.2004 16 Ok 11/04
  • 16 Ok 12/04
    Entscheidungstext OGH 20.12.2004 16 Ok 12/04
  • 16 Ok 20/04
    Entscheidungstext OGH 04.04.2005 16 Ok 20/04
    nur: Der kartellgerichtliche Abstellungsauftrag hat sich gegen ein konkret als Missbrauch marktbeherrschender Stellung beschriebenes Marktverhalten zu richten. Art und Umfang der Abstellungsverfügung bestimmen sich nach dem Marktverhalten, das als Missbrauch marktbeherrschender Stellung qualifiziert wurde. Da der Missbrauch marktbeherrschender Stellung auch in einem Unterlassen bestehen kann, kann durch den kartellgerichtlichen Abstellungsauftrag auch ein positives Tun angeordnet werden. (T1)
  • 16 Ok 51/05
    Entscheidungstext OGH 26.06.2006 16 Ok 51/05
    Vgl; Beisatz: Ob eine Vereinbarung, ein Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, bestimmt sich nach ihrer objektiven Eignung, eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs herbeizuführen. (T2)
  • 4 Ob 23/08y
    Entscheidungstext OGH 08.04.2008 4 Ob 23/08y
    Beisatz: Hier: § 5 KartG 2005. (T3); Veröff: SZ 2008/44
  • 16 Ok 6/08
    Entscheidungstext OGH 16.07.2008 16 Ok 6/08
    nur T1; Beisatz: In diesem Sinne kann bei einer unzulässigen Liefersperre auch eine Belieferungsverpflichtung auferlegt werden. (T4)
  • 16 Ok 13/08
    Entscheidungstext OGH 19.01.2009 16 Ok 13/08
    Auch; nur: Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt dann vor, wenn ein den anderen Marktteilnehmern wirtschaftlich überlegener Unternehmer auf das Marktgeschehen in einer Weise Einfluss nimmt, die geeignet ist, negative Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse zu entfalten; die objektive Eignung des Verhaltens genügt. (T5); Veröff: SZ 2009/5
  • 4 Ob 231/12t
    Entscheidungstext OGH 12.02.2013 4 Ob 231/12t
    nur T5

Schlagworte

Kinofilme-Verleih

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2004:RS0119533

Im RIS seit

10.11.2004

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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