RS OGH 2006/10/11 16Ok7/06 (16Ok8/06), 5Ob154/07v

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Veröffentlicht am 11.10.2006
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Norm

WettbG §11a
Verordnung (EG) Nr 1/2003 des Rates 32003R0001 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln EG23

Rechtssatz

Im europäischen Kartellrecht findet die Auskunftspflicht insoweit eine Beschränkung, als solche Fragen nicht beantwortet werden müssen, die auf ein Geständnis abzielen. Diese Grenze ist im Hinblick auf das Grundrecht der Unternehmen, sich zu verteidigen, auch im österreichischen Kartellverfahrensrecht - das kein ausdrückliches Recht zur Auskunftsverweigerung kennt - zu beachten. Sie ist im Anlassfall jedoch nicht verletzt, weil sich der Fragenkatalog auf Auskünfte rein tatsächlicher Art beschränkt. Auch ist die Antragsgegnerin nach dem Akteninhalt keiner Wettbewerbsverletzung verdächtig, weshalb ihr schon aus diesem Grund kein Recht zur Aussageverweigerung zusteht.

Entscheidungstexte

  • 16 Ok 7/06
    Entscheidungstext OGH 11.10.2006 16 Ok 7/06
    Veröff: SZ 2006/148
  • 5 Ob 154/07v
    Entscheidungstext OGH 06.11.2007 5 Ob 154/07v
    Vgl auch; Beisatz: Im kartellgerichtlichen Ermittlungsverfahren wird in §11a Abs3WettbG die Grenze der Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten dort gezogen, wo die Gefahr besteht sich strafgerichtlicher Verfolgung auszusetzen, wohingegen die kartellrechtlichen Geldbußentatbestände, selbst wenn man sie als strafrechtlich qualifiziert, jedenfalls keine strafgerichtliche Verfolgung darstellen. Selbst der einer strafbaren Handlung Angeklagte muss aber - passiv - behördliche Handlungen dulden und ist lediglich nicht verpflichtet, aktiv, etwa veranlasst durch die Androhung von Zwangsmitteln, mitzuwirken. Dies gilt uneingeschränkt auch für den Bereich der Wirtschaftskriminalität. Nach Erwägungsgrund 23 der VO Nr 1/2003 können Unternehmer zwar nicht gezwungen werden, Zuwiderhandlungen einzugestehen, sie werden aber durchaus als verpflichtet erachtet, Fragen nach Tatsachen zu beantworten und auch Unterlagen vorzulegen, selbst wenn die betreffenden Auskünfte dazu verwendet werden könnten, den Beweis der Zuwiderhandlung zu erbringen. Im Rahmen ihres Verteidigungsrechts sind lediglich Auskünfte über „innere Vorgänge" geschützt, mit denen sie sonst das Vorliegen einer Zuwiderhandlung eingestehen würden. (T1)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:RS0121455

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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